| # taz.de -- Streit über Schonung für SS-Mann: Gnadenrecht mit Veto | |
| > SS-Mann Oskar Gröning hat in Niedersachsen ein Gnadengesuch eingereicht. | |
| > NebenklägerInnen werden nicht gehört. Die Grünen wollen das ändern. | |
| Bild: Hofft auf Gnade, um seiner Haft zu entgehen: Oskar Gröning | |
| Hannover taz | Der Anwalt von Oskar Gröning, verurteilter | |
| SS-Unterscharführer hat vor einer Woche bei der niedersächsischen | |
| Justizministerin Barbara Havliza ein Gnadengesuch eingereicht. Wann genau | |
| die Entscheidung fällt, ist jedoch unklar: „Gnadenersuche sind gemäß der | |
| Niedersächsischen Gnadenordnung beschleunigt durchzuführen“, so die | |
| Sprecherin der Justizministerin. „Die Einwendung wird entsprechend | |
| behandelt. Vor nächster Woche wird jedoch keine Entscheidung ergehen.“ Das | |
| Gnadengesuch hat zwar keine aufschiebende Wirkung, bislang musste Gröning | |
| seine Haft trotzdem noch nicht antreten. | |
| Der heute 96-jährige Gröning wurde im Juli 2015 vom Landgericht Lüneburg | |
| wegen Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen im Vernichtungslager Auschwitz zu | |
| einer Haftstrafe von vier Jahren verurteilt. Sein Anwalt legte Revision vor | |
| dem Bundesgerichtshof ein. Dieser bestätigte das Urteil des Landesgerichts | |
| im September 2016, welches damit Rechtskraft erlangte. | |
| Ein Antrag auf Haftaufschub wurde zuletzt im Dezember 2017 vom | |
| Bundesverfassungsgericht abgelehnt. Das Gericht sah keine schwere | |
| Gesundheitsgefährdung. Das hohe Alter allein reiche nicht aus, um von der | |
| Durchsetzung der Strafe abzusehen. | |
| Damit ist der Rechtsweg ausgeschöpft. Die einzige Möglichkeit, der Haft zu | |
| entgehen, ist daher das Gnadenersuchen. Dieses wurde im Januar von der | |
| Staatsanwaltschaft Lüneburg bereits abgelehnt. Als letzte Möglichkeit | |
| bleibt Gröning das Gnadengesuch an Justizministerin Havliza. | |
| Im Prozess ließ Gröning durch seinen Verteidiger erklären, dass er durch | |
| seine Tätigkeit in der Häftlingsgeldverwaltung zum Funktionieren des | |
| Konzentrationslagers Auschwitz beigetragen und sich damit am Holocaust | |
| mitschuldig gemacht habe. | |
| ## Offenheit hervorgehoben | |
| Das Landesgericht Lüneburg hob die Offenheit Grönings in der | |
| Urteilsbegründung hervor. Diese hebe ihn deutlich von anderen SS-Männern | |
| ab, die ihre Taten verschwiegen, bestritten oder beschönigt hätten. | |
| Neben Gröning spielten im Prozess jedoch auch die über 60 zugelassenen | |
| NebenklägerInnen eine wichtige Rolle. Sie waren unter anderem aus Kanada | |
| und den USA nach Niedersachsen gekommen. „Sie sind teils im hohen Alter | |
| angereist, haben hohe Belastungen auf sich genommen und damit der deutschen | |
| Justiz einen wichtigen Dienst erwiesen“, sagt Helge Limburg, der | |
| stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen und ihr Sprecher für | |
| Rechtsfragen. | |
| Bei einem Gnadengesuch werden die NebenklägerInnen jedoch nicht mehr | |
| angehört, dies ist in der Gnadenordnung nicht vorgesehen. „Sonst haben | |
| NebenklägerInnen starke Rechte. Es ist inkonsequent, dass sie bei | |
| Gnadengesuchen außen vorgelassen werden“, findet Limburg. | |
| ## Grüne wollen Nebenkläger stärken | |
| Um die Rechte der NebenklägerInnen zu stärken, wollen die Grünen nun mit | |
| Blick auf den Fall Gröning eine Änderung der niedersächsischen | |
| Gnadenordnung des Landes erreichen. Der entsprechende Entschließungsantrag | |
| muss noch im Landtag eingebracht werden. | |
| In der Gnadenordnung wird aufgeführt, welche Stellen bei einer | |
| Gnadenentscheidung zwingend anzuhören sind und welche Stellen angehört | |
| werden können – etwa Bewährungshelfer oder bei Jugendstrafsachen das | |
| Jugendamt. | |
| NebenklägerInnen sind nicht aufgeführt. Dies wollen die Grünen ändern. | |
| „Dass verschiedene Stellen angehört werden, ist bereits ein gängiges | |
| Verfahren. Die Gnadenordnung um eine Anhörung der NebenklägerInnen zu | |
| erweitern wäre nicht schwierig“, sagt Limburg. „Klar ist natürlich, dass | |
| die Entscheidung über das Gesuch bei der Justizministerin verbleiben muss. | |
| Diese muss keine der Stellungnahmen in ihre Entscheidung einbeziehen.“ | |
| „Mit Blick auf eine Stärkung der Opferrechte könnte der Vorschlag sinnvoll | |
| sein“, sagt Ulf Prange, Sprecher für Rechtsfragen der SPD-Fraktion. | |
| Insgesamt sei aber sichergestellt, dass sich die Person, die die | |
| Entscheidung fälle – in diesem Fall die Justizministerin – ein umfassendes | |
| Bild von dem Fall mache. | |
| ## Keine Auswirkung auf Grönings Gesuch | |
| Auch der rechtspolitische Sprecher der FDP, Marco Genthe, begrüßt den | |
| Vorschlag der Grünen: „Es macht durchaus Sinn, auch die Nebenkläger bei | |
| Gnadengesuchen anzuhören.“ Eine Stärkung der Opferrechte begrüßt auch der | |
| Fraktionsvorsitzende der CDU, Dirk Toepffer. Zum Antrag der Grünen werde | |
| man sich aber erst nach der Beratung im Rechtsausschuss äußern. | |
| Auswirkungen auf Grönings Gesuch hätte eine Änderung der Gnadenordnung | |
| voraussichtlich nicht, denn Grünen-Antrag wird wohl erst im April | |
| verhandelt werden. „Ein solcher Fall kann sich aber bald wiederholen“, sagt | |
| Limburg. In Niedersachsen gebe es derzeit zwei Ermittlungsverfahren wegen | |
| mutmaßlicher NS-Kriegsverbrechen. | |
| „Auch sind die Stasi-Akten noch nicht komplett ausgewertet. Hier sind | |
| ebenfalls Fälle denkbar, wo nach vielen Jahren ältere Menschen vor Gericht | |
| gestellt werden“, sagt Limburg. Dabei habe die Möglichkeit einer | |
| Stellungnahme der Nebenklage bei einem Gnadengesuch ebenso Relevanz. „Der | |
| Antrag wird nicht viel ändern, aber das Signal ist wichtig.“ | |
| 8 Mar 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Jördis Früchtenicht | |
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