# taz.de -- Nach Journalisten-Mord in der Slowakei: Tod vor Veröffentlichung | |
> Nach dem Mord an dem slowakischen Journalisten Ján Kuciák und seiner | |
> Freundin kursieren Gerüchte über Mafia-Verwicklungen. | |
Bild: Gedenkstätte für Ján Kuciák und seine Freundin in Bratislava | |
PRAG taz | Der letzte Satz stimmt traurig: Der Autor hat es nicht mehr | |
geschafft, den Artikel zu beenden. Weil er regelrecht [1][hingerichtet | |
wurde]. Seine Freundin Martina, mit der der 27-Jährige Hochzeitspläne | |
schmiedete, versuchte den Killern noch zu entkommen. Sie wurde mit einem | |
Schuss in den Kopf ermordet. | |
Am Mittwoch veröffentlichte das slowakische Webportal aktuality.sk Kuciaks | |
letzten Artikel. Den, den er nicht mehr fertig schreiben konnte. Viele | |
glauben, dass der Grund für die Hinrichtung Kuciaks in diesem Artikel zu | |
finden ist. Denn darin beschreibt er die Verstrickungen der kalabrischen | |
’Ndrangheta, die bis ins slowakische Regierungsamt reichen. | |
In dem Artikel beschreibt Kuciak, wie sich angebliche Mitglieder der | |
’Ndrangheta in der Ostslowakei breitgemacht haben. „Sie begannen, hier | |
Unternehmen zu gründen, Subventionen zu erhalten, aus Eurofonds zu | |
schöpfen, aber auch Beziehungen zu einflussreichen Leuten in der Politik zu | |
knüpfen – bis ins Regierungsamt der Slowakischen Republik“, schreibt | |
Kuciak. | |
## Mafia in der Ostslowakei | |
Laut Kuciak leben vier Familien mit Mafia-Connections in der Ostslowakei. | |
Sie sind vor allem in den Bereichen Landwirtschaft und Photovoltaik aktiv, | |
mit guten geschäftlichen Beziehungen nach Kalabrien. „Ihnen gehören bis | |
heute einige Dutzend Firmen im Wert von mehreren Millionen Euro im | |
zweistelligen Bereich. Sie bewirtschaften Tausende von Hektar | |
landwirtschaftlicher Fläche, für die sie Millionen an EU-Subventionen | |
erhalten“, steht in dem Text weiter. Kuciak beschreibt Tricks, durch die | |
besagte „Geschäftsmänner“ Mehrwertsteuern für Zahlungen zurückerhalten,… | |
nie getätigt wurden. Mehr noch: Die Italiener sind verbandelt mit der | |
Regierungspartei Smer. Konkret benennt Kuciak in seinem Artikel den | |
Kalabrier Antonin Vadala. Der gilt als eifriger Unterstützer der Smer und | |
des Ministerpräsidenten Robert Fico. „Unsere Partei“ nannte Vadala, der im | |
heimischen Kalabrien schon wegen seiner Verbindungen zum Libri-Clan, einer | |
einflussreichen Gruppe innerhalb der ’Ndrangheta, vor Gericht stand, die | |
Regierungspartei. „Heute wählen wir alle Smer und morgen können wir sicher | |
sein, dass die Slowakei in guten Händen ist“, ließ Vadala während der | |
letzten Kommunalwahlen verlauten. | |
Für die Partei kandidierte damals auch seine Mitarbeiterin Monika Čorejová, | |
fand Kuciak heraus. Aber die Verstrickungen gehen noch weiter. Vandalas | |
ehemalige Geschäftspartnerin Monika Trošková, ein Ex-Playmate, ist heute | |
die Assistentin von Ministerpräsident Robert Fico. Es war Vandala, der das | |
Model in die hohe Politik gebracht hat. | |
In der Slowakei, die sich momentan in einer Art Schockzustand befindet, | |
wird die Theorie des Mafia-Mordes fast dankbar angenommen. Niemand kann und | |
will glauben, dass der kaltblütige, professionelle Doppelmord hausgemacht | |
ist. Wer auch immer dahinterstecken mag, die Slowaken sind sich einig: Hier | |
wurde eine rote Linie überschritten. Viele können sich noch gut die 1990er | |
Jahre erinnern. Damals war das Regime des postkommunistischen Potentaten | |
Vladimír Mečiar nicht gerade zimperlich mit seinen Kritikern und Gegnern | |
umgegangen. Mečiars Aktionen hatten dabei zum Teil geradezu | |
bananenrepublikanische Qualitäten: die Entführung des Sohnes des damaligen | |
Präsidenten Michal Kováč durch den slowakischen Geheimdienst zum Beispiel. | |
Einer der Agenten, die damals in diesen Fall involviert waren, wurde ein | |
Jahr später mitten in Bratislava durch eine Autobombe in die Luft gejagt. | |
Für Unbeteiligte mag sich die Mafia-Theorie anhören wie der Plot aus dem | |
letzten Ludwigshafen-„Tatort“. Doch selbst die größten Zweifler wurden am | |
Dienstagvormittag stutzig, als das Finanzamt der ostslowakischen Metropole | |
Košice (Kaschau) ausbrannte. Genau dort waren die italienischen Firmen | |
registriert, über die Kuciak in seinem letzten Artikel berichtete. | |
Ján Kuciak war ein Journalist, der wühlte, weil er glaubte, so die Welt ein | |
bisschen besser machen zu können. Ein bisschen naiv ist er vielleicht dabei | |
gewesen, meinen Wegbegleiter. Weil er dabei gar nicht gesehen hat, in | |
welchem Dreck er eigentlich wühlte. | |
27 Feb 2018 | |
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## AUTOREN | |
Alexandra Mostyn | |
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