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# taz.de -- Korruption in der Slowakei: "Akte Gorilla" beweist Staatsabzocke
> Aus Abhörprotokollen des Geheimdienstes SIS geht hervor, wie
> Regierungspolitiker und Staatsbeamte bei Privatisierungen in die eigene
> Tasche wirtschafteten.
Bild: Anti-Korruptionsdemonstration am vergangenen Freitag in Bratislava.
PRAG taz | Die Slowakei wird derzeit von einem Abhörskandal ungeahnten
Ausmaßes erfasst und das kurz vor dem vorgezogenen Parlamentswahlen. Ein
unter dem Namen "Gorilla" im Internet veröffentlichtes Protokoll von
Lauschangriffen des slowakischen Geheimdienstes SIS bestätigt das, was die
meisten Slowaken ohnehin ahnten: Politik und Staat sind korrupt.
Ausgerechnet in die Zeit der großen wirtschaftlichen und sozialen Reformen
der 2000er Jahre fällt die "Akte Gorilla". Von 2002 bis 2006 hörte der
slowakische Geheimdienst eine sogenannte konspirative Wohnung von Jaroslav
Hascak ab, dem Miteigentümer von Penta, einer der größten slowakischen
Investitionsgruppen. Im Grunde genommen ging es bei den Gesprächen, die in
besagter Wohnung zwischen Politikern, deren Wasserträgern, hohen
Staatsbeamten und Jaroslav Hascak und seinen Managern vor allem um eines:
wie man am besten den Staat abzockt.
Der hatte nämlich zu dieser Zeit noch einiges an Familiensilber zu
verkaufen: die slowakischen Energiewerke samt Übertragungsnetz oder den
Flughafen von Bratislava, zum Beispiel.
Die meisten der Privatisierungen liefen aber weniger über die gesetzlich
vorgeschriebenen öffentlichen Ausschreibungen, als in Hascaks konspirativer
Wohnung. Der war bereit für den Zuschlag am begehrten Staatseigentum
saftige "Provisionen" zu zahlen. Vulgo: Bakschisch.
## Eine Million hier, ein paar Millionen dort
Hier eine Million für die Chefs des Fonds des nationalen Eigentums, der die
Privatisierungen verwaltete, dort ein paar Millionen für die Slowakische
demokratische und Christliche Union (SDKU) des damaligen
Ministerpräsidenten Mikulas Dzurinda oder seinen christdemokratischen
Koalitionspartner (KDH). Dabei waren Hascak und seine Mitstreiter nicht
kleinlich. Bei einem Preis von 200 Millionen Euro sei eine Provision von
einem Prozent, also zwei Millionen, zu wenig, heißt es in der "Akte
Gorilla".
"Sie ist der Trauerakt eines lange verborgenen Schmierentheaters", meint
Lubos Palata, ehemaliger Chefredakteur der slowakischen Tageszeitung
Pravda. "Natürlich hat niemand daran gezweifelt, dass harte Mittel im Kampf
um die Pfründen des Staates an der Tagesordnung sind," meint er. Aber das
Ganze schwarz auf weiß vor sich zu haben, sei schon etwas anderes.
So sehen es auch die meisten Slowaken, die in der Hauptstadt Bratislava der
eisigen Kälte trotzen und ihrer Wut über den Klüngel Ausdruck verleihen.
Manche plädieren schon dafür, das slowakische Staatswappen - ein
Doppelkreuz - mit einer halb geschälten Banane zu ersetzen. "Unser
Parlament ist ein Affenhaus", sagt einer der Demonstranten, der vor dem
Präsidentenpalast, dem Amtssitz von Staatsoberhaupt Ivan Gasparovic
protestiert, grimmig. "Und unser Land eine Bananenrepublik", schimpft ein
anderer, während er dem Präsidenten eine Banane über den Zaun wirft.
Die Wut der Bürger kommt den Politkern äußerst ungelegen. Am 10. März
finden vorgezogene Parlamentswahlen statt, die nach dem Sturz der Regierung
vergangenen Herbst angesetzt worden waren. Ohne Chancen sind die
Hauptakteure von "Gorilla": Expremier Dzurinda, seine SDKU und die KDH.
Weniger betroffen sind Robert Fico und seine linkspopulistische Partei
Smer. Obwohl die Akte auch beschreibt, wie Ficos Mitarbeiter sich fette
Umschläge bei Hascak abgeholt hatten, scheint Fico beim Wähler mit mehr
Gnade rechnen zu können. Kein Wunder. Denn es war Dzurinda, der den
Slowaken harte Reformen verordnete, während seine Regierung sich in
konspirativen Wohnungen bestechen ließ. Jedoch wird gemunkelt, es kämen
bald weitere Akte des Trauerspiels "Gorilla" ans Licht, die Fico stärker
belasten könnten.
8 Feb 2012
## AUTOREN
Sascha Mostyn
## TAGS
Slowakei
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