# taz.de -- Kurier-Gewerkschaft in Großbritannien: Gig-antische Vertretung | |
> In der Gig-Economy herrscht Individualisierung. Wenige Beschäftigte sind | |
> organisiert. In Großbritannien vertritt nun eine Gewerkschaft die | |
> Arbeitenden. | |
Bild: Die Signalwirkung der neuen Vertretung sollte nicht unterschätzt werden … | |
BERLIN taz | Sie sind die hippen Kids des zeitgenössischen Kapitalismus, | |
ihre Corporate Identities sind lässige Kerle, die Basecaps tragen und an | |
schräg im Mund hängenden Filterzigaretten ziehen: die Unternehmen der | |
Gig-Economy. Also die, die ihre Arbeitnehmer*innen häufig über Apps und | |
immer scheinbar nur für einzelne Aufträge anstellen. Uber, Foodora und | |
Deliveroo sind die großen Namen. | |
Längst ist klar: Diese Coolness kostet – aber die Arbeitenden. Von | |
Überbelastung und Überwachung ist unter anderem die Rede. In den | |
Hintergrund tritt dabei ein größeres Problem: Die Arbeitenden gelten als | |
Auftrags-, nicht als Arbeitnehmer*innen und genießen keinen | |
gewerkschaftlichen und kaum anderen arbeitsrechtlichen Schutz. Organisation | |
wird durch die Individualisierung der Arbeitenden unterbunden. | |
Der Widerstand, den das auf den Plan ruft, hat in Großbritannien ein neues | |
Level erreicht: Die britische Independent Worker Union (IWGB) darf die | |
Kuriere des medizinischen Lieferdiensts The Doctor’s Laboratory | |
gewerkschaftlich vertreten. Das entschied in der vergangenen Woche ein für | |
die Anerkennung von Gewerkschaften zuständiger Ausschuss des | |
Wirtschaftsministeriums. | |
Was banal klingt, hat Potenzial. Bisher haben es die coolen Kids geschafft, | |
sich immer noch mal rauszuwinden, in der Öffentlichkeit einen lässigen | |
Spruch zu drücken und die Arbeitenden, die nur individuell mit ihnen in | |
Kontakt treten konnten, zu ignorieren. Zwar vertritt die Gewerkschaft | |
letztlich nur 50 Arbeitende, aber die Signalwirkung dieser Premiere sollte | |
nicht unterschätzt werden. | |
Und noch etwas sollte nicht übersehen werden: Die IWGB ist kein klassischer | |
Big Player der Gewerkschaften, sondern eine Graswurzelgewerkschaft, die | |
anstelle eines Apparats die direkte Miteinbeziehung der Organisierten will. | |
Auch in Deutschland ist die Delieverunion, [1][die Foodora- und | |
Deliveroofahrer*innen organisiert], kein Verdi-Projekt, sondern von | |
syndikalistischen Gewerkschaften abseits des DGB zusammen mit den | |
Arbeitenden selbst aufgebaut. Die Kleinen schauen dahin, wo die großen | |
Gewerkschaften nicht genug Mobilisierungspotenzial und zu viele | |
arbeitsrechtliche Probleme sehen. Und erzielen Erfolge: In Köln wurde Ende | |
Februar erstmals ein Betriebsrat der Deliveroo-Kurier*innen gewählt – noch | |
ein sichtbares Zeichen eines unsichtbar immer weiter wachsenden | |
Widerstands. | |
5 Mar 2018 | |
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## AUTOREN | |
Arved Clute-Simon | |
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