# taz.de -- Arbeitskampf bei Lieferservice: Jetzt schlägt's dreizehn für Deli… | |
> Aktivisten gegen Arbeitsunrecht veranstalten eine Demonstration gegen | |
> Lohndumping, Ausbeutung und Steuerbetrug. | |
Bild: Hat eine schwere Last zu schultern: Deliveroo-Fahrer | |
Berlin taz | Jeder Freitag der 13. ist ein schwarzer Freitag für | |
Unternehmen: Das ist das Demonstrationskonzept des Vereins Aktion gegen | |
Arbeitsunrecht. Diesmal trifft es den Lieferdienst Deliveroo, dem der | |
Verein vorwirft, einem gerade gewählten Kölner Betriebsrat im Februar einen | |
wesentlichen Teil der Grundlage entzogen zu haben. Indem sie die Anzahl der | |
Festangestellten von 170 auf 35 reduzierten und durch angeblich freie | |
Fahrer ersetzten, verkleinerte sich der Betriebsrat von sieben auf drei | |
Mitglieder. | |
Als Protest finden am morgigen Freitag in neun der 15 Städte, in denen | |
Deliveroo vertreten ist, Fahrraddemonstrationen statt. | |
Diese fahren an Deliveroo-Büros und „besonders fiesen“ Restaurants vorbei, | |
heißt es auf der Vereins-Website. Das Motto lautet „Deliveroo, shame on | |
you“. In einigen Städten finden auch Demonstrationen gegen die | |
Restaurantkette Nordsee statt. | |
Der Verein wirft Deliveroo vor, dass es die Arbeitsverträge der Fahrer | |
explizit erlauben, Dritte für sich arbeiten zu lassen. Das schaffe die | |
Möglichkeit, Subsubunternehmen zu bilden, die von Deliveroo die | |
Liefergebühren kassieren, während die eigentlichen Fahrer ausgebeutet | |
würden. Letzlich sei das folgenlos bleibendes Lohndumping. Der Konzern | |
ziehe sich aus der Verantwortung, weil der Vertrag an anderer Stelle eine | |
eigene Klausel gegen Menschenhandel beinhalte. | |
Ohnehin sei es zumindest fragwürdig, dass das Unternehmen seine Fahrer als | |
„Vertragspartner“ bezeichnet. Da sie oftmals de facto wie Angestellte | |
arbeiteten, fördere Deliveroo Scheinselbstständigkeit, erklärte | |
Vereinssprecher Elmar Wigand. Damit umgehe das Unternehmen Sozialabgaben | |
und Krankenversicherungsbeiträge und müsse keinen geregelten Schichtbetrieb | |
sowie Stundenlöhne organisieren. | |
Außerdem arbeite der Konzern „routinemäßig mit sachgrundlosen | |
Kettenbefristungen“, so Aktion gegen Arbeitsunrecht. Dadurch würden | |
längerfristige Beschäftigungen umgangen. | |
Deliveroo hielt dagegen und sagte, dass das freiberufliche Modell ihnen | |
erlaube, „den Fahrern die Flexibilität zu bieten, die sie sich wünschen und | |
gleichzeitig ihre Einnahmen zu maximieren und zu schützen“. | |
Die meisten Fahrer würden dies einer Festanstellung vorziehen, da sie so | |
Spitzenzeiten besser nutzen könnten und im Schnitt statt neun bis zehn 16 | |
Euro pro Stunde verdienen würden. Darüber hinaus habe Deliveroo strenge | |
Prozesse etabliert, um sicherzustellen, dass jeder, der dort arbeitet, das | |
auch darf. Dazu gehörten auch eine korrekte steuerliche und gewerbliche | |
Anmeldung. | |
Zum Vorwurf, Subsubunternehmertum zu fördern, sagte Deliveroo, Freiberufler | |
könnten sich zwar tatsächlich vertreten lassen. Die Vertreter müssen aber | |
Auflagen erfüllen und relevante Dokumente sowie eine Arbeitserlaubnis | |
nachweisen. Jeder Vertragsbruch führe sofort zu einer Beendigung des | |
Vertrags. | |
Wigand hingegen erklärte, die Deliveroo-Praktiken förderten | |
„Stücklohnknechtschaft“ und Intransparenz. „Das ist ein Rücksprung in d… | |
Anfänge des Industriezeitalters.“ Deshalb seien Betriebsräte wichtig, die | |
das Transparenzproblem lösen und sich darüber hinaus für Tarifverträge und | |
eine bundesweite Organisation der Deliveroo-Fahrer einsetzen könnten. | |
Dass es den Kölner Betriebsrat aus diesen Gründen behindert habe, bestritt | |
Deliveroo und erklärte: „Keiner unserer Fahrer wurde jemals aufgrund einer | |
Tätigkeit im Betriebsrat entlassen.“ Ganz im Gegenteil, das Unternehmen | |
habe die Gründung eines Betriebsrates unterstützt, indem Sitzungsräume zur | |
Verfügung gestellt wurden und die Sitzungszeit vergütet wurde. | |
Deliveroo arbeite bis jetzt noch nicht profitabel, sagte Wigand. Es sei | |
aber interessant für Investoren, zum Beispiel wegen der Kunden- und | |
Fahrerdaten, die das Unternehmen sammelt. Er bemängelte auch, dass die | |
Fahrer während der Arbeitszeit getrackt, bewertet und live von Deliveroo | |
und den Kunden kontrolliert werden könnten: „Das ist die totale | |
Überwachung.“ | |
Der Konzern befindet sich in Deutschland im Wettkampf mit den | |
Lieferdiensten Foodora und Lieferando. Wenn sich im Rahmen der neoliberalen | |
Ideologie einer der drei gegen die anderen durchgesetzt habe, drohe | |
Sozialdarwinismus unter den Fahrern, befürchtete Wigand. So könnten | |
Bonussysteme dafür sorgen, dass ein Wettkampf um die profitabelsten | |
Liefertouren entbrennt. Auch dort wolle Aktion gegen Arbeitsunrecht | |
Widerstand leisten:“Wir lassen uns nicht verheizen und gegeneinander | |
ausspielen.“ | |
12 Apr 2018 | |
## AUTOREN | |
Malte Bollmeier | |
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