# taz.de -- Debatte Brexit: Der kalte EU-Krieg | |
> Zwischen London und Brüssel stehen die Zeichen auf Sturm. Großbritannien | |
> wehrt sich gegen das überhebliche Vorgehen der EU. | |
Bild: Theresa May während ihrer Rede | |
Es wird ernst. Wenn eine europäische Regierungschefin in ihrem Parlament zu | |
einem Vorstoß der EU-Kommission sagt, dass kein Premierminister ihres | |
Landes so etwas akzeptieren könne, hat Europa ein Problem – und zwar | |
unabhängig davon, ob es um den Brexit geht, die Flüchtlingspolitik oder den | |
Eurostabilitätspakt. | |
Viele Europäer denken, der Brexit sei ein britisches Problem. Aber wenn die | |
EU nicht in der Lage ist, den Austritt ihrer zweitgrößten Wirtschaftsmacht | |
zu akzeptieren, sagt das genauso viel über Europa aus. Die EU spricht von | |
gemeinsamen Werten, aber agiert nach dem Recht des Stärkeren. | |
Die Kommission [1][hat diese Woche einen Entwurf für einen Vertrag mit | |
Großbritannien vorgelegt], von dem selbst EU-Enthusiasten in London sagen, | |
damit sei der Bogen überspannt. Nordirland soll einfach weiter zum | |
europäischen Binnenmarkt und zur EU-Zollunion gehören, wenn Großbritannien | |
diese beiden Verbände verlässt – damit wird das Vereinigte Königreich | |
zerlegt und eine Zollgrenze durch das Staatsgebiet eines anderen Landes | |
gezogen. Der Europäische Gerichtshof, eine Institution der EU, klärt | |
Streitfragen in letzter Instanz – damit wäre die EU Partei und Richter | |
zugleich. Der Text ist als Ausformulierung der im Dezember zwischen Brüssel | |
und London erzielten Grundsatzvereinbarung gedacht, verändert aber | |
wesentliche Aspekte davon – damit erweist sich die EU als unzuverlässiger | |
Partner. | |
Wer „EU gut, Brexit böse“ denkt, wird einwerfen: Es geht doch um die | |
Rettung des europäischen Projekts vor Populisten. Aber, wie [2][Theresa May | |
am Freitag warnte]: Der Rest der Welt schaut zu. Wie die EU mit einem | |
Verhandlungspartner umspringt, den sie für schwächer hält, bleibt nicht | |
verborgen. Wenn die EU die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt, mit | |
Europas einzigem globalen Finanzzentrum, über den Tisch ziehen will – | |
dann wird sie in Zukunft von niemandem Freundlichkeit zu erwarten haben. | |
Donald Trump und Xi Jinping reiben sich die Hände. Putin und Erdoğan fühlen | |
sich bestätigt. | |
## Unnötig und unerträglich | |
Das Streitthema Nordirland macht deutlich, wie unnötig und unerträglich das | |
alles ist. Die EU will, dass Nordirland allen EU-Regeln weiter folgt, nicht | |
britischen Gesetzen, damit die Grenze zur Republik Irland offen bleiben | |
kann. Sie verhält sich wie Russland mit der Ukraine oder Georgien, als | |
diese Länder sich ihre Politik nicht mehr aus Moskau vorschreiben lassen | |
wollten: Sie reißt sich einen Teil des Staatsgebietes des Nachbarn faktisch | |
unter den Nagel, damit der abtrünnige kleine Nachbar seine Unbotmäßigkeit | |
auf ewig bereut. | |
Einen realen Grund dafür gibt es nicht. Nordirland und die Republik Irland | |
haben unterschiedliche Währungen und Steuersätze und viele andere | |
Unterschiede. Das stört den freien Handel nicht. Welche Hindernisse soll da | |
der Brexit aufwerfen? Großbritannien wird die Grenze nicht schließen. Die | |
regulären Grenznutzer sind bekannt, ihre Zahl ist überschaubar. Das | |
EU-Parlament hat detailliert dargelegt, dass mit gemeinsamem | |
Grenzmanagement und moderner Technologie eine offene „smart border“ ohne | |
Unterordnung einer Seite möglich ist. | |
EU-Brexit-Unterhändler Michel Barnier ignoriert dies. Er handelt gemäß der | |
britischen Karikatur eines französischen Intellektuellen, der zu einer | |
Problemlösung sagt: „Das mag ja in der Praxis klappen, aber funktioniert es | |
auch theoretisch?“ Überhaupt: Mit welchem Recht spielt sich eine EU als | |
Hüterin offener Grenzen auf, die an ihren eigenen Binnengrenzen Menschen | |
mit der falschen Hautfarbe diskriminiert und an Außengrenzen zu | |
nichteuropäischen Ländern Mauern und Stacheldraht errichtet? | |
Nun produziert die Brüsseler Härte in London eine Verhärtung. Theresa May, | |
die seit ihrem Amtsantritt 2016 auf Mäßigung setzte, zieht jetzt auch rote | |
Linien. Das war überfällig. Es bedeutet aber auch: Die Verhandlungen werden | |
schwieriger. Die Chance, Vertrauen aufzubauen, hat Brüssel verspielt. Die | |
Zeichen stehen auf Streit. Der Verlierer heißt Europa. | |
3 Mar 2018 | |
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[1] /EU-Vertragsentwurf-fuer-Brexit-vorgelegt/!5485647 | |
[2] /Brexit-Rede-von-Theresa-May/!5485991 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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