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# taz.de -- Eisenbahnreform in Frankreich: Macron will Privilegien streichen
> Mehr Urlaub und Rente mit 52 für Bahner: Der Regierung sind die
> Arbeitsbedingungen der Staatsbahn schon lange lästig. Jetzt drohen
> Streiks.
Bild: Noch rasen sie, die Hochgeschwindigkeitszüge TGV. Mindestens bis zum ang…
Paris taz | Was für die einen hart erkämpfte Errungenschaften der letzten
Jahrzehnte sind, stellt aus der Sicht der Gegenseite eine überholte Form
von Privilegien dar. Dieser Art sind die Interessengegensätze in Frankreich
vor einer angekündigten Reform der Arbeitsbedingungen bei der staatlichen
Bahngesellschaft SNCF. Die Regierung zeigt sich unnachgiebig, denn schon
manche Vorgänger hatten mit ähnlichen Reformplänen vor dem Widerstand der
Eisenbahner kapituliert. So musste 1995 der damalige Premierminister Alain
Juppé seine Rentenreform bei der SNCF nach einem dreiwöchigen Streik, der
das Land weitgehend stillgelegt hatte, zurückziehen.
Präsident Emmanuel Macron und seine Regierung wollen die Lehren daraus
gezogen haben: „Es ist nicht unsere Art, zurückzukrebsen“, prahlen Macrons
Berater. Auf Anweisung des Präsidenten, der Frankreich während seiner
fünfjährigen Amtszeit grundlegend modernisieren will, hat Premierminister
Edouard Philippe öffentlich gesagt, er wolle „noch vor dem Sommer“ die
Reorganisierung der SNCF (ähnlich wie zuvor bereits die Revision des
Arbeitsrechts) auf dem Verordnungsweg durchsetzen.
Konkret bedeutet dies, dass die Exekutive mit diesem Eilverfahren eine
Debatte im Parlament vermeiden will. Für betroffene Gewerkschaftsverbände
des Schienenverkehrs bedeutet dies, dass die Staatsführung ihnen kaum Zeit
für Verhandlungen einräumt. Diese möchte den seit 1920 verteidigten
Sonderstatus der Beamten der SNCF abschaffen. Den Beginn macht sie mit den
neu Eingestellten.
Die nach einer Probezeit fest angestellten Beschäftigten der SNCF genossen
bisher einen totalen Kündigungsschutz; sie reisen umsonst und ihre
Familienangehörigen haben Ermäßigungen, sie haben weitere Vorteile wie
günstige Wohnungen, die 35-Stunden-Woche und mehr Ferientage als andere
KollegInnen im öffentlichen Diensten oder in der privaten Wirtschaft. Vor
allem aber gehen sie früher in Rente: ab 52 Jahren die Lokomotivführer, ab
55 die übrigen Bahnangestellten.
## Gewerkschaften geben Regierung Frist bis zum 15. März
Diese Konditionen waren ihnen in der Vergangenheit als Kompensierung von
besonders harten Arbeitsbedingungen (Mobilität, Nacht- und Sonntagsarbeit)
zugestanden worden. Heute stellen sie im internationalen Vergleich und im
zunehmend schärferen europäischen Wettbewerb im Transportwesen einen
Konkurrenznachteil dar. Umgekehrt aber verdienen sechs von zehn
SNCF-Beschäftigten weniger als 3.000 Euro brutto im Monat. Da könne doch
von „Privilegien“ keine Rede sein, protestieren die Gewerkschaften.
Die vier wichtigsten Gewerkschaftszentralen wollen notfalls mit einer
Streikbewegung die Reformpläne vereiteln. Sie geben der Regierung bis zum
15. März eine Frist für Verhandlungen und Konzessionen. Danach aber wird
laut dem größten Verband CGT gestreikt – und dies notfalls bis zu vier
Wochen! Für die CGT geht es um eine Entscheidungsschlacht. Denn die Bahn
ist mit ihren Errungenschaften ein Symbol und so etwas wie die letzte
Bastion. Wenn diese fallen sollte, hätte Präsident Macron freie Fahrt für
alle weiteren liberalen Reformen.
Auch die eher gemäßigte Gewerkschaft CFDT, die zuletzt beim Abbau des
französischen Arbeitsrechts noch kooperiert hatte, ist vom Vorgehen der
Staatsführung schockiert und darum zum Widerstand entschlossen: „Macrons
Methode, das ist: Ihr könnt diskutieren, aber entscheiden werde ich. Das
stellt ein Problem für das Funktionieren der Demokratie dar“, erklärt
CFDT-Chef Laurent Berger.
2 Mar 2018
## AUTOREN
Rudolf Balmer
## TAGS
Schwerpunkt Frankreich
Bahn
Gewerkschaft
Lesestück Meinung und Analyse
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Rentenreform
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