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# taz.de -- Insektenburger im Supermarkt: Knusprig, saftig, madig
> Wollen wir Larven des Getreideschimmelkäfers essen? Ab April entscheiden
> die Verbraucher, ab dann gibt es Deutschlands ersten Insektenburger.
Bild: Sieht gar nicht so anders aus: der Madenburger des Osnabrücker Startups …
Osnabrück taz | Die Bulette sieht aus wie ein zusammengedrücktes
Falafel-Bällchen. Dass sie in Wahrheit aus Buffalowürmern – den Larven des
Getreideschimmelkäfers – gemacht ist, erkennt man nicht. Steckt sie
zwischen zwei goldbraun gebackenen Brötchenhälften und ist sie mit Salat,
roten Zwiebeln und Ketchup garniert – spätestens dann sieht das Ganze sogar
richtig appetitlich aus.
In Belgien und den Niederlanden kann man den „Buxburger“ bereits seit drei
Jahren in einigen Restaurants essen. Seit Anfang des Jahres sind Insekten
in der europäischen Novel-Food-Verordnung als neuartige Lebensmittel
aufgeführt – jetzt kann der Insektenburger auch in Deutschland verkauft
werden. Ab April soll er hier in Supermarktregalen und auf den Speisekarten
von Restaurants stehen.
Entwickelt wurde die madenartige Larven-Proteinbombe von den beiden
Jungunternehmern Max Krämer und Baris Özel. Vor vier Jahren gründeten sie
das Startup Bugfoundation mit Sitz in Osnabrück. Inzwischen sind drei
weitere Mitarbeiter dazugekommen.
Ihr Büro liegt in einem ehemaligen Industrieviertel am Rande der
niedersächsischen Studentenstadt. Vor dem Eingang stapeln sich leere
Biolimonade-Kästen. Aus dem Fenster des dritten Stocks blickt man auf die
Verkaufsflächen von Schrotthändlern und Autohäusern. „Mir gefällt das
hier“, sagt der gebürtige Bremer Özel mit starkem norddeutschen Akzent.
„Und die Miete ist billig.“
## Nachhaltige Zucht
Krämer und Özel, beide Anfang dreißig, kennen sich seit der siebten Klasse.
In der zehnten klapperten sie Flohmärkte in Bremen und Umgebung ab, um
billig Playmobil einzukaufen und es anschließend bei Ebay weiterzuverhökern
– „das ging damals für gutes Geld weg“, sagt Özel. Und jetzt? „Wir wo…
Insekten-Lebensmittel in der westlichen Welt etablieren.“
Seitdem sie im Jahr 2010 Australien und Südostasien bereisten, sind Krämer
und Özel von der Idee besessen. An einem Essenstand auf der Touristen-Meile
„Khaosan Road“ in Bangkok futterten sie die ersten frittierten Käfer und
Heuschrecken. „Nicht alles war geil, aber das meiste.“
Für Insekten spricht für die beiden auch, dass die Aufzucht dieser Tiere
ökologisch nachhaltiger ist als die von Schweinen oder Rindern. Krämer
beschäftigte sich damit in der Abschlussarbeit seines Geografiestudiums.
„Das war nicht leicht“, erzählt er. Es habe damals kaum seriöse Quellen
gegeben.
Bis die Ernährungsorganisation der Vereinten Nationen 2013 eine Studie zu
dem Thema veröffentlichte. Demnach produzieren Schweine im Vergleich zu
Insekten das Hundertfache an Treibhausgasen. Rinder benötigten viermal so
viel Futter wie Insekten, um ein Kilogramm Körpermasse zuzulegen.
## Gekocht, gebacken, gematscht
Seit dem Erscheinen der Studie wird die „Entomophagie“, so lautet der
wissenschaftliche Ausdruck für den Verzehr von Insekten, in regelmäßigen
Abständen als Heilsbringer in Sachen Welternährung präsentiert. Nur: So
richtig passiert ist nichts, zumindest hierzulande – abgesehen von ein paar
Spaßrestaurants, in denen es gegrillte Heuschrecken und anderes Knabberzeug
gibt.
Özel, der Betriebswirtschaftslehre studiert hat, und Krämer wissen das. Sie
sind Unternehmer mit einer Geschäftsidee – keine Ökofreaks. Ihr Vokabular:
Verkaufszahlen, Prozessoptimierung, Produktqualität. „Mit Nachhaltigkeit
alleine kriegt man niemanden“, sagt Özel. „Es muss schmecken, gut aussehen,
und wenn man reinbeißt, sollte es sich geil anfühlen.“ Das Wichtigste: Man
soll es der Bulette äußerlich nicht ansehen, dass sie aus Insekten gemacht
ist.
Am Anfang experimentierten Özel und Krämer mit Insekten aus dem Internet.
„Wir haben sie gekocht, gebacken und gematscht“, sagt Krämer.
Herausgekommen seien „Buletten-ähnliche Gebilde“, die schnell zerfielen.
Aber es habe geschmeckt. „Das hat uns motiviert.“
Im Jahr 2014 holten sie sich Hilfe bei den Profis vom Deutschen Institut
für Lebensmitteltechnik. Finanziert von EU-Geldern tüftelten die
Wissenschaftler aus dem industrienahen Forschungsinstitut mit den beiden
Gründern an einem Prototyp. Nach einem Jahr war die Bulette fertig.
## Nicht nur für Vegetarier
In jeder einzelnen sind um die tausend gemahlene Buffalowürmer verarbeitet.
Zusammen mit Bio-Soja, Wasser, Öl und einer geheimen Gewürzmischung werden
sie zu einer Art Brät verarbeitet und in Form gepresst. Zubereitet wird die
Insekten-Bulette wie ihr Pendant aus Rindfleisch: entweder kurz in der
Pfanne anbraten oder im Ofen backen.
Die Buffalowürmer bezieht das Start-up von einem Züchter aus den
Niederlanden, der die Krabbelviecher sonst für Angler und Zoohandlungen
hochzieht. Dort leben sie bei rund 26 Grad Raumtemperatur in großen
Plastikboxen – bis sie nach sechs Wochen in die Tiefkühltruhe gesteckt
werden. Dort fallen sie erst in eine Art Winterstarre und sterben
schließlich. „Einschlafen“ nennt Özel das.
Die beiden Gründer glauben, dass ihr Insektenburger sowohl für Vegetarier
als auch für überzeugte Fleischesser interessant ist. „Fünfzig Prozent der
Vegetarier verzichten auf Fleisch, weil sie die Umstände in den Ställen
problematisch finden“, glaubt Özel. Insekten zu essen wäre für sie kein
Problem. Und für die Fleischesser biete ihr Produkt eine willkommene
Abwechslung zum Steak.
Wie viele Abnehmer sie hierzulande schon gefunden haben, wollen Özel und
Krämer nicht verraten. Nur so viel: Man bekomme viele Anfragen und
verhandele auch mit großen Playern. In mindestens 500 Supermarktfilialen
bundesweit werde ihr Burger ab April stehen. Ob die Verbraucher für
Deutschlands ersten Insektenburger bereit sind, wird sich zeigen. Einen
Vergleichswert gibt es nicht. „Wir sind Pioniere und betreten Neuland“,
sagt Krämer.
Geschmacklich kann es die Insektenbulette auf jeden Fall mit ihren
fleischigen Artverwandten aufnehmen. Außen ist sie schön knusprig und innen
– anders als viele Veggie-Bratlinge – saftig. Zuerst schmeckt sie ein
bisschen nach Fleisch und im Abgang dann leicht nussig. Man könnte sich
daran gewöhnen. Und spätestens beim dritten Bissen hat man auch [1][die
Bilder des gruseligen schwarz-schimmernden Getreideschimmelkäfers]
verdrängt.
4 Mar 2018
## LINKS
[1] https://www.google.de/search?q=Getreideschimmelk%C3%A4fer+wiki&client=f…
## AUTOREN
Moritz Elliesen
## TAGS
Insekten
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Insektensterben
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