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# taz.de -- Die Wahrheit: Kritik der zärtlichen Umarmung
> Der amerikanische Präsident Donald Trump will Lehrer bewaffnen lassen.
> Ein großer Fortschritt in der Geschichte der Gewalt.
Kritik ist eine wunderbare Tätigkeit. Auch wer keine Kamera halten, keinen
Satz schreiben, keinen Ton halten und keinen Vernichtungshintergrund
vorweisen kann, darf Kino, Literatur, Musik und Israel nach Herzenslust
kritisieren. Auf die Herzenslust kommt es an! Gerade weil wir Til
Schweiger, Sebastian Fitzek, Justin Timberlake und die Juden so sehr
lieben, ist uns eine kritische Bewertung dessen, was sie so treiben, gar so
wichtig. Zwar haben wir keine Ahnung, wie’s geht. Dafür wissen wir aber,
wie’s besser geht.
Ähnlich verhält es sich mit unseren transatlantischen Freunden, deren Ess-
oder Wahlverhalten uns aufgeklärten Deutschen bisweilen das angenehme
Gefühl moralischer Überlegenheit verleiht. Gefundenes Fressen ist derzeit
der Vorschlag von Donald Trump, Lehrer an Schulen zu bewaffnen: „Dies hätte
sehr gut dazu führen können, den Angriff sehr schnell zu beenden.“ Klingt
irre, zugegeben, würde aber einen großen Fortschritt in der Geschichte der
Gewalt bedeuten.
Die US-Waffengesetze stammen aus einer Zeit, da man für das Nachladen
spätbarocker Musketen mit zwei Kugeln etwa fünf Minuten brauchte –
vorausgesetzt, das Pulver wurde nicht nass. Ein modernes Sturmgewehr wie
die AR-15 hingegen feuert bis zu 45 Mal in der Minute – vorausgesetzt, sie
ist nicht durch Zubehör aufgepimpt. Eine Waffe also, deren Besitzer beinahe
im Alleingang eine beliebige zentralafrikanische Regierung aus dem Amt
putschen oder pädagogische Differenzen endgültig beilegen kann. Möglich
wären auch Panzerfäuste oder Handgranaten. Und denken die USA nicht über
„kleine Atombomben“ nach?
Ferner schlug der Präsident vor, zum historisch bewährten Zwecke der
Abschreckung ehemalige Soldaten über die Schulen zu verteilen,
„professionals with great training“. Nicht ausgeschlossen also, dass
demnächst Männer mit posttraumatischer Belastungsstörung und depressive
Jungs mit narzisstischer Geltungssucht sich gegenseitig Feuergefechte
liefern, also ein gesellschaftliches Problem sich selbst aus der Welt
schafft. Dergleichen ist ernsthaft zu erwägen, ohne deutsche
Überheblichkeit und Denkverbote. Hätte nicht ein Anis Amri beispielsweise
schon Kilometer vor dem Berliner Breitscheidplatz aufgehalten werden
können, wäre ihm nur ein vergleichbarer Irrer mit ebenbürtigem
Sattelschlepper frontal entgegengekommen? Eben.
Ein hübscher Effekt jeder Kritik am Irrsinn der Anderen ist übrigens, dass
sie den eigenen Irrsinn zuverlässig einkassiert. Ein Vergleich von Äpfeln
mit Birnen verbietet sich natürlich, wo kämen wir denn da hin? Wenn sich
die USA nun aber im Würgegriff einer mächtigen und entsprechend
durchgeknallten Industrie befinden, in wessen zärtlicher Umarmung fühlen
wir Deutschen uns eigentlich seit Jahren pudelwohl, nachgerade stolz? Hm.
Ich komme einfach ums Verrecken nicht drauf …
23 Feb 2018
## AUTOREN
Arno Frank
## TAGS
Waffenrecht
Massaker
Donald Trump
Deutsche Bank
Ostern
Sexualität
Bahn
Empörung
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