Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Sportgericht gegen SV Babelsberg: Hitlergruß und Nazisprüche
> In der Causa Babelsberg gegen Cottbus blamiert sich der Nordostdeutsche
> Fußballverband NOFV weiterhin. Ihm wird vorgeworfen, rechts blind zu
> sein.
Bild: Der Fanblock der Babelsberger beim Spiel gegen Energie Cottbus
Rangsdorf taz | Die Idylle ist trügerisch. Direkt vor ihnen breitet sich
der waldumsäumte Rangsdorfer See aus. Stahlblauer Himmel und auf dem
Gewässer sehr dünnes Eis. Hier im Seehotel von Rangsdorf, südlich von
Berlin, kommen die Verantwortungsträger des Nordostdeutschen
Fußballverbands (NOFV) der Öfteren zusammen, um allerlei Probleme zu lösen.
Intern und leise, innerhalb der großen Fußballfamilie. Mehr als eine halbe
Million Mitglieder zählt der NOFV. Sein Aufgabengebiet erstreckt sich über
die ehemalige DDR und ganz Berlin.
Doch an diesem Dienstagnachmittag hat man die Pressevertreter in den Raum
mit dem schönen Panorama eingeladen. Denn in der Angelegenheit
Babelsberg/Cottbus ist nicht einmal die kleinste Kleinigkeit intern
geblieben. Dunkle Wolken haben sich über dem Verband zusammengezogen.
Vorwürfe sind laut geworden, der Verband werde von alten DDR-Kadern
geführt, die auf dem rechten Auge blind sind.
Der 72-jährige NOFV-Präsident Rainer Milkoreit, einst zuständiger Leiter
für Körperkultur und Sport im Rat de Bezirks Erfurt, ist sichtlich
angefasst. Er spricht von „Auswüchsen“, die man so nicht erwartet habe und
beklagt: „Wir werden nicht so behandelt, wie wir uns das wünschen.“
Ihm zur Seite stehen der um ein Jahr ältere Verbandsrichter Jürgen
Lischewski, Geschäftsführer Holger Fuchs und der Benjamin der Runde,
Sportrichter Stephan Oberholz. Mit seinem blauen Hemd bringt der 52-Jährige
in den Hotelsaal namens Graureiher die meiste Farbe in die Runde.
Geboren ist er in Essen. Das erzählt Oberholz als Erstes. Eine
DDR-Vergangenheit habe er also nicht. Und im Bereich Antirassismus
engagiere er sich privat schon lange und intensiv.
## Babelsberg weigert sich zu zahlen
Oberholz ist als Verantwortungsträger für das so imageschädigende
NOFV-Sportgerichtsurteil gegen den Regionalligisten SV Babelsberg nach dem
Heimspiel gegen Energie Cottbus eingeladen worden. Bei der Partie am 28.
April 2017 hatten Gästefans den Hitlergruß gezeigt, „Babelsberg 03, Arbeit
macht frei“ skandiert und versucht den Platz zu stürmen. Zudem zündete die
Anhänger beider Teams Pyrotechnik. Babelsberg wurde mit einer Geldstrafe
von 7.000 Euro sanktioniert, die der Verein auch nach Abmahnungen bis heute
nicht bereit ist zu zahlen. Im Urteil werden nämlich unter der Rubrik
„Gründe“ fünf Unterpunkte aufgegliedert und an erster Stelle wird
aufgeführt, dass eine Person mit rotem Punkerhaarschnitt in Richtung
Cottbusser Fanblock „Nazischweine raus“ gerufen habe.
„Es ist ein Satz“, versucht Oberholz zu erklären, „der da eigentlich nic…
reingehört.“ Bestraft worden sei Babelsberg ausschließlich wegen der
pyrotechnischen Vorfälle. Der vielbeachtete Satz einer Einzelperson stammt
aus dem Bericht des NOFV-Sicherheitsbeauftragten, der im Übrigen die
rechtsextremen Parolen aus dem direkt benachbarten Gästeblock nicht gehört
haben will. Wie das möglich ist? Geschäftsführer Fuchs schreitet ein: „Ich
möchte Sie bitten, dem ehrenamtlichen Sportskameraden nichts zu
unterstellen!“ Der NOFV verlässt sich nicht nur weiter auf die Dienste des
Sicherheitsbeauftragten, er hat ihn den Recherchen des Babelsberger
Fanbeirats zufolge sogar zu Jahresbeginn zum Anti-Rassismusbeauftragten
befördert. Dieser Posten wurde als erste Maßnahme nach den Ereignissen von
Babelsberg vom Verband geschaffen
Zurück also zum Satz des Anstoßes. Beim Editieren der Urteile, berichtet
Oberholz, greife man üblicherweise im EDV-System auf Bestandteile der
Beobachtungsberichte von Schiedsrichter und Sicherheitsbeauftragte zurück.
Da bleibe öfter mal ein Satz stehen, der für das Urteil nicht maßgeblich
sei. Das Babelsberger Urteil habe er unterschrieben, ohne es zu merken. Ein
Fehler? „Ein stilistischer Fehler“, korrigiert Oberholz.
## „Nicht optimal gelaufen“
Von Fehlern des NOFV in der Causa Babelsberg will auch Geschäftsführer
Fuchs nicht sprechen. „Fehler würde ich es nicht nennen. Es ist nicht alles
optimal gelaufen.“ Dazu zählt er vermutlich auch den Umstand, dass die
Sportrichter des Verbandes von der Aufregung in den sozialen Netzwerken und
den Medien wegen der rechtsextremen Vorkommnisse nichts mitbekommen haben.
Im Verfahren gegen Babelsberg wurden sie nicht erwähnt, im ersten Verfahren
gegen Cottbus spielten sie ebenfalls keine Rolle. Die später dann doch
erfolgte Strafe gegen Cottbus wurde in einem Revisionsverfahren
mittlerweile vom NOFV wieder aufgehoben. Der DFB hat sich mittlerweile
eingeschaltet, damit die rechtsextremen Vorfälle nicht ungestraft bleiben.
Doch das ist eine andere Geschichte.
„Die Sportrichter im NOFV sind nicht so verfacebookt, vertwittert oder
sonst was.“, Stephan Oberholz wirbt um Verständnis dafür, warum seinen
Kollegen und ihm in der Angelegenheit das Wesentliche entgangen ist. Man
sei auf die Zivilcourage der Vereine angewiesen. Es hätte dem Sportgericht
an konkreten Hinweisen gefehlt. Allerdings lag dem NOFV-Sportgericht eine
Stellungnahme der Babelsberger vor, in der es heißt: „Die unermesslich hohe
Anzahl von verfassungsfeindlichen und volksverhetzenden Entgleisungen im
Gästeblock stellt das eingangs beschriebene Kernproblem noch einmal
deutlich dar.“
Oberholz entgegnet: „Wissen Sie wo dieser Satz stand? Auf der vorletzten
Seite eines zwölfseitigen Schriftstücks.“ Und außerdem sei es üblich, dass
Vereine vor dem Sportgericht Schutzbehauptungen vorbringen würden. Er sah
keinen Anlass, der Behauptung nachzugehen. Für einen Richter ein
erstaunlicher Hang zur Vorverurteilung. Im konkreten Fall umso
erstaunlicher, weil bundesweit bekannt ist, dass Energie Cottbus massive
Probleme mit rechtsextremen Fans hat und der Verein zudem in seiner dem
NOFV zugesandten Stellungnahme auf das unsägliche Verhalten seiner
Anhängerschaft einging.
## Die Satzung ist Gesetz
NOFV-Präsident Milkoreit wiederum erstaunt, in welch missliche Lage sein
Verband in den vergangenen Monaten geraten ist. Mit der Presse habe man
nicht gesprochen, um deeskalierend zu wirken. Geschäftsführer Fuchs
erklärte, jetzt wolle man mit der Presserunde einen Beitrag zur
Deeskalation leisten. „Wir befinden uns in der Endphase zur Findung eines
gemeinsamen Gesprächstermins zwischen dem NOFV und dem SV Babelsberg 03.“
Wie das gelingen soll, ist die große Frage. Wegen der nicht gezahlten Buße
hat der NOFV diese Woche beim Verbandsgericht einen Antrag auf ein
Verfahren gegen den SV Babelsberg gestellt. Und Holger Fuchs räumt ein,
dass aufgrund der Satzung das erste Urteil, selbst wenn man wollte, nicht
zurückgenommen werden kann.
Nach der Satzung des Verbandes leben die NOFV-Verantwortliche wie andere
nach den Offenbarungen der Bibel. Und weil im eigenen Reglement steht, dass
der Verband gegen Rassismus eintritt, hält man die Vorwürfe, nicht mit
entsprechender Sensibilität gehandelt zu haben, ohnehin für absurd. In
einem Revisionsverfahren, sagt Fuchs fast schon bedauernd, hätte man das
erste Urteil ja korrigieren, den umstrittenen Satz herausstreichen können.
Das Problem war nur, dass der NOFV wegen einer fehlenden Unterschrift den
Revisionsantrag der Babelsberger nicht annehmen konnten. So steht es in der
Satzung.
Dort steht aber auch, dass der Verband innerhalb einer gewissen Frist das
Urteil selbst hätte einkassieren können. Warum das nicht getan wurde? „Da
gab es ja den Revisionsantrag der Babelsberger“, erklärt Holger Fuchs. Und
dann sei auf einmal der Zeitpunkt vorbei gewesen.
9 Feb 2018
## AUTOREN
Johannes Kopp
## TAGS
SV Babelsberg
Fußball
Nazis
Wochenkommentar
Fußball
Schwerpunkt Rassismus
Schwerpunkt Rassismus
Fußball
## ARTIKEL ZUM THEMA
Berliner Wochenkommentar I: Der linke Club hat ein Problem
Auf Ausschreitungen seiner Fans beim Pokalfinale am Montag hat der SV
Babelsberg klug reagiert. Nun müssen Verein und Fans Konsequenzen ziehen.
Landespokalfinale Babelsberg vs. Cottbus: Neuauflage eines Skandalspiels
Das Fußball-Landespokalfinale zwischen Babelsberg und Cottbus am Montag
gilt als Hochrisikospiel. Rechts gegen Links ist nur eine der Bruchlinien.
Anti-Nazi-Rufe beim Fußballspiel: Babelsberg zahlt nicht für Antifa
Der SV Babelsberg 03 verweigert eine Strafzahlung für „Nazischweine
raus“-Parolen von Fans. Nun droht dem Regionalligisten der Ausschluss.
Kolumne Pressschlag: Sportrecht und der Hitlergruß
Rassistische Vorfälle in der Cottbuser Fankurve werden von einem
Sportgericht im Berufungsverfahren nicht bestraft. Jetzt ist der DFB dran!
Energie Cottbus in der vierten Liga: Energisch weggeschaut
Bei Energie Cottbus haben lange Zeit rechtsextreme Gruppen die Kurve
beherrscht. Die haben sich aufgelöst – aber die Nazi-Fans sind immer noch
da.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.