| # taz.de -- Kolumne Seoul City: Curlende Kims und ein Grinsen | |
| > Korea sei kein Wintersportland, heißt es in Deutschland immer wieder. Wie | |
| > ungerecht! Wie wäre es mit ein paar Denkanstößen zur Selbstreflexion? | |
| Bild: Star: Südkoreas Skip Kim Eunjung hat Steine in die Herzen ihrer Landsleu… | |
| Die Halbzeit in Pyeongchang ist erreicht, und eine der gebetsmühlenartig | |
| wiederholten Kritikpunkte deutscher Sportjournalisten lautet: Sind ja viel | |
| zu wenig Zuschauer auf den Rängen. Und: Korea ist kein echtes | |
| Wintersportland. Wirklich fair ist dieser Vorwurf nicht, in jedem Fall aber | |
| selbstgerecht. | |
| Ein paar Anstöße zur Selbstreflexion: Viele Wettbewerbe auf Skiern wurden | |
| extra für den europäischen – also letztlich vor allem den deutschen Markt �… | |
| auf die Abendstunden verlegt, wenn das Temperaturbarometer in den Bergen | |
| Pyeongchangs auf minus 20 Grad sinkt. Keine guten Voraussetzungen für eine | |
| Ski-Gaudi, zumal viele Olympiapendler auch noch den Schnellzug zurück in | |
| die Hauptstadt nehmen müssen. | |
| Zudem schenken die heimischen Fernsehanstalten ausgerechnet jenen | |
| Disziplinen, für die die Koreaner wirklich brennen, kaum Beachtung: | |
| Stichwort Shorttrack. Da räumen die Koreaner fast konkurrenzlos Edelmetall | |
| ab. Seit einigen Tagen gehört zudem auch Curling zu den Trendsportarten in | |
| Korea. Von wegen Rentnersport oder Boule auf Eis: Die südkoreanischen | |
| Curling-Frauen sind bereits jetzt die heimlichen Stars der Winterspiele. | |
| Seit das Team als absoluter Underdog um die Medaillen kämpft, wurde die | |
| Nischensportart im Gastgeberland erstmals hinter dem medialen Vorhang | |
| hervorgeholt. | |
| Noch im vergangenen Jahr hatte das Nationalteam mit existenziellen | |
| Problemen zu kämpfen – etwa ordentlichen Zugang zu professionellen | |
| Trainingsstätten. Das ist längst passé: Nach Siegen gegen Kanada, | |
| Großbritannien und die Schweiz teilen sich die Curlerinnen derzeit den | |
| ersten Platz mit Schweden. | |
| ## Zahlloser Held | |
| Für deutsche Zuschauer wohl überraschend: Alle fünf Teamkolleginnen heißen | |
| Kim mit Nachnamen, auch wenn tatsächlich nur zwei Geschwister darunter | |
| sind. In Korea tragen jedoch mehr als ein Fünftel der Bevölkerung denselben | |
| Nachnamen – mehr als alle Müllers, Schmidts und Schneiders zusammen. | |
| Auch abgesehen davon produziert Pyeongchang etliche bemerkenswerte | |
| Nachrichten: etwa die, dass erstmals zwölf Athleten aus acht afrikanischen | |
| Ländern bei Winterspielen teilnehmen. So viele waren es noch nie. Dann wäre | |
| da noch das Lächeln von Oh Hyun-ho: Dem koreanischen Eishockey-Verteidiger | |
| wurden beim Spiel gegen Kanada am Sonntag drei Zähne ausgeschlagen. Während | |
| sein Blut vom Eis aufgewischt wurde, spielte der Stadion-Techniker nach | |
| einem ironischen Geistesblitz ausgerechnet „Sunday Bloody Sunday“ von U2. | |
| Verteidiger Oh nahm es gelassen: Am nächsten Tag hat er schon wieder | |
| trainiert – und posierte grinsend, jedoch weitgehend zahnlos vor den | |
| jauchzenden Journalisten. Kein Problem, das passiere halt beim Eishockey, | |
| sagte Oh Hyun-ho: „Außerdem waren zwei der ausgeschlagenen Zähne ohnehin | |
| Implantate.“ | |
| 20 Feb 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Fabian Kretschmer | |
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