# taz.de -- Kolumne Seoul City: Das Erbe der Glücksspiel-Zombies | |
> Wie unglückselige Zocker dazu beigetragen haben, dass die Spiele nach | |
> Pyeongchang gekommen sind und was das alles bringen soll. | |
Bild: Arg malerisch: So schön kann man das Skigebiet Yongpyong bei Pyeongchang… | |
Wie die Olympischen Winterspiele nach Pyeongchang gekommen sind, ist eine | |
durchaus tragische Geschichte. Sie ist voll enttäuschter Hoffnungen, | |
erzählt aber auch von der Wandlungsfähigkeit der Koreaner – und ihrer | |
beeindruckenden Stehaufmentalität. | |
Während der Nachkriegszeit hatte die bergige Region in der Provinz Gangwon | |
eine ähnliche Stellung wie der Ruhrpott für Deutschland: Es war das Zentrum | |
der Kohleminen und Bergarbeiter. Als patriotische „Industriekrieger“ wurden | |
die Kumpel von den Militärregimes der 60er, 70er und 80er Jahre gepriesen. | |
Schließlich legten sie mit ihrer Arbeit den Grundstein für das | |
Wirtschaftswunder vom Han-Fluss. | |
Ende der achtziger Jahre jedoch vollzog sich der strukturelle Wandel im | |
ostasiatischen Tigerstaat: Militärdiktator Chun Doo-hwan ließ die Bergwerke | |
nach und nach schließen. Die Jugend zog in die Städte, zurück blieben die | |
Alten und Armen. Damals versprach die Regierung jedoch den Leuten, neue | |
Wirtschaftszweige für die abgeschnittene Region im Osten des Landes zu | |
erschließen – allen voran den Tourismus. Potenzial war schließlich | |
ausreichend vorhanden: Gangwon zählt mit dem ikonischen Taebaek-Gebirge und | |
den von Kieferbäumen gesäumten Stränden zu den schönsten Flecken der | |
koreanischen Halbinsel. | |
## Die Casino-Strategie | |
Für die Übergangszeit errichtete die Seouler Regierung im Jahr 1995 das | |
Gangwon Land Casino, es steht nur eine halbe Autostunde von den olympischen | |
Spielstätten entfernt: das einzige Glücksspielressort, das auch für | |
südkoreanische Staatsbürger zugänglich ist. Besuchern bietet sich jedoch | |
ein trostloser Anblick: In die Jahre gekommene Hoteltürme verschandeln die | |
malerische Landschaft, Glücksspiel-Zombies mit ausdruckslosen Gesichtern | |
sitzen an den Automaten. Viele Zocker haben im Gangwon Land ihre Existenzen | |
verspielt. Ihr Geld floss letztlich aber auch in die Bewerbungen für die | |
Pyeongchang-Winterspiele. | |
Zweimal gingen die Koreaner leer aus, doch ihre Hartnäckigkeit zahlte sich | |
dann doch aus: Im dritten Anlauf konnte sich Pyeongchang gegen München und | |
das französische Annecy durchsetzen. | |
Dass sich der Gastgeber der Olympischen Winterspiele 2018 mittelfristig zum | |
internationalen Skisport-Mekka mausern wird, daran glauben wohl nur die | |
hartgesottenen Optimisten. Dafür sind die Berge zu klein, die Winter zu | |
trocken und die japanischen Ski-Ressorts zu nah. Vielleicht war dies jedoch | |
auch gar nicht das Kalkül der Organisatoren. | |
Wer sich unter heimischen Touristik-Professoren umhört, wird nämlich auf | |
eine andere Fährte geführt: Von Südostasien bis Indien gibt es einen noch | |
weitgehend unerschlossenen Markt von Abermillionen potenziellen Touristen, | |
denen Schnee und Winter klimatisch verwehrt bleibt und denen eine Reise | |
nach Japan zu teuer ist. Auf jene Zielgruppe werden die Fernsehbilder der | |
Winterspiele ihre Wirkung nicht verfehlen. | |
22 Feb 2018 | |
## AUTOREN | |
Fabian Kretschmer | |
## TAGS | |
Pyeongchang | |
Olympische Spiele | |
Südkorea | |
Skifahren | |
Olympische Winterspiele 2022 | |
Pyeongchang | |
Olympische Winterspiele 2022 | |
Pyeongchang | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kolumne Seoul City: Curlende Kims und ein Grinsen | |
Korea sei kein Wintersportland, heißt es in Deutschland immer wieder. Wie | |
ungerecht! Wie wäre es mit ein paar Denkanstößen zur Selbstreflexion? | |
Kolumne Seoul City: Das süße Gift des Patriotismus | |
Die Winterspiele in Südkoreas TV sind eindimensional. Es entsteht der | |
Eindruck, nur eine Nation konkurriere um die besten Ränge. | |
Kolumne Seoul City: Wutbürger und Voyeurismus | |
Nordkoreas Friedensshow bei Olympia wirkt deplatziert. Dass der Süden die | |
Kosten für Kims Reisegruppe trägt, finden auch nicht alle gut. |