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# taz.de -- Sanierung an Berliner Schulen: Havarie im Wedding
> In den Klassenzimmern der Carl-Kraemer-Schule droht die Decke
> einzustürzen. Die Eltern fühlen sich überrumpelt – der Bezirk auch.
Bild: Hoffentlich schimmelfrei: Treppenhaus einer Berliner Schule
Die Mutter des Erstklässlers war einigermaßen erstaunt, als sie ihren Sohn
vor zwei Wochen, es war der letzte Schultag vor den Winterferien, von der
Weddinger Carl-Kraemer-Grundschule abholte. Kinder und LehrerInnen
schleppten sämtliche Arbeitsmaterialien aus den Klassenzimmern nach draußen
vors Schultor in der Zechliner Straße. „Auf die Frage, was denn los sei,
hat mir dann jemand geantwortet, dass die Decke einsturzgefährdet sei.“ In
der Schulmappe des Sohns ein Schreiben der Schulleitung: Die
Deckenaufhängung sei in vielen Klassenräumen „fehlerhaft“ – bis auf
Weiteres werden die Erst- bis Drittklässler deshalb seit Anfang der Woche
per Shuttlebus in ein rund fünf Kilometer entferntes Schulgebäude in der
Chausseestraße in Mitte gefahren. „Ich fühle mich überrumpelt und schlecht
informiert“, sagt die Mutter.
Tatsächlich sollten derlei böse Überraschungen eigentlich nicht mehr
vorkommen: Der rot-rot-grüne Senat hat die Schulsanierung zu einer
Schwerpunktaufgabe für diese Legislatur gemacht. Die Bezirke mussten auf
Geheiß des Senats Prioritätenlisten darüber erstellen, was an ihren Schulen
wie dringend repariert werden muss.
Und doch bröckelt es auch über ein Jahr nach Amtsantritt von Rot-Rot-Grün
weiter – zuletzt machte im Herbst die Carlo-Schmid-Oberschule in Spandau
Schlagzeilen, wo den SchülerInnen nach den Herbstferien ein Teil der Decke
buchstäblich zu Füßen lag. Für die Carl-Kraemer-Grundschule sind in der
Baumaßnahmenplanung des Bezirks für dieses Jahr überhaupt keine Mittel
vorgesehen. Wie kann das sein?
Mittes Schulstadtrat Carsten Spallek (CDU) bemühte sich am Donnerstag, zu
erklären, dass man die Situation an der Carl-Kraemer-Grundschule
keinesfalls ignoriert oder falsch eingeschätzt habe – der „akute Bedarf“
der Schule sei einfach nicht bekannt gewesen. Zwar habe die Schule einen
„dringenden Sanierungsbedarf“ (Priorität 1) von rund 7,7 Millionen Euro
beim Senat angemeldet, doch die laut Spallek „Pi mal Daumen“ erstellte
Übersicht über die grundsätzlichen Sanierungsbedarfe an den einzelnen
Schulen bedeutet offenbar noch lange nicht, dass die Schul- und Bauämter
über die Dringlichkeit vor Ort auch wirklich im Detail Bescheid wissen.
An der Carl-Kraemer-Grundschule etwa bemerkte man, dass sich die Decke
ablöst, überhaupt nur deshalb, weil zunächst bei einer Raumluftmessung
Schimmelbefall entdeckt wurde. Im Dezember mussten deshalb laut Stadtrat
Spallek die Sporthalle, die Mensa, die Küche und einige Klassenräume
gesperrt werden. Die Quelle zumindest des Schimmelbefalls in den
Klassenräumen habe man in einem feuchten Kellerraum ausgemacht – offenbar
seien dort gelagerte und hin und wieder im Unterricht benutzte
Arbeitsmaterialien schuld.
Der Keller ist nun gesperrt und soll laut Spallek „grundsaniert“ werden,
was allerdings zwei bis drei Jahre dauern könne. Die Klassenräume habe man
lediglich reinigen müssen – dabei dann aber festgestellt, dass sich die
Deckenplatten lösten. Nun müsse man in den Klassenzimmern die Decken
komplett abhängen, was bei laufendem Schulbetrieb nicht möglich sei. Glück
für den Bezirk: In der Chausseestraße steht derzeit ein nagelneues
Schulgebäude leer, das erst ab dem kommenden Schuljahr genutzt werden soll.
Allerdings ist laut Spallek noch völlig ungewiss, wann die Schüler wieder
zurückkönnen: Hinter der kaputten Deckenverkleidung habe man nun auch noch
Risse im Mauerwerk entdeckt.
Immerhin: Mittel zur Behebung der „Havarie“, wie Stadtrat Spallek es nennt,
gibt es. Im Rahmen der 5,5 Milliarden schweren rot-rot-grünen
„Schulbauoffensive“ wurden auch die Mittel aufgestockt, die die Bezirke für
den baulichen Unterhalt ihrer Schulen bekommen. Aus diesem
14-Millionen-Euro-Topf bediene man sich jetzt. Wie hoch die Kosten an der
Carl-Kraemer-Grundschule am Ende ausfallen, sei allerdings noch nicht
abzusehen. Klar ist, dass allein der Shuttlebusservice zunächst „mit einer
fünfstelligen Summe veranschlagt“ sei.
16 Feb 2018
## AUTOREN
Anna Klöpper
## TAGS
Schule
Sandra Scheeres
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