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# taz.de -- Kanada gendert seine Nationalhymne: Von Söhnen und Töchtern
> Wenn der Premier ein Feminist ist: Nach über 100 Jahren wird der Text von
> Kanadas Nationalhymne geschlechtsneutral.
Bild: Müssen sich nicht mehr als Männer ausgeben: Kanadische College-Basketba…
Vancouver taz | Kanadas Premierminister ist bekanntlich ein bekennender
Feminist. Justin Trudeau hat sein Kabinett zur Hälfte mit Frauen besetzt.
Er unterstützt die Aktivistinnen der weltweiten #MeToo-Bewegung. Er setzt
sich rund um den Globus für die Rechte von Frauen und Mädchen ein. Sogar
auf dem G7-Gipfel dieses Jahr in Kanada will er als Gastgeber das Thema
Feminismus ganz oben ansiedeln.
In seinem eigenen Land dagegen hatte Trudeau so seine Probleme. Jedenfalls
bei einem der wichtigsten Symbole Kanadas: der Nationalhymne „Oh Canada“.
Denn der wohl am meisten zitierte Text des Landes war in seiner
englischsprachigen Fassung bislang alles andere als inklusiv. Gleich in der
ersten Strophe war darin von den Söhnen Kanadas die Rede – die Töchter
dagegen wurden ausgespart.
Das fanden in Kanada nicht nur viele Frauen unzeitgemäß, sondern auch der
Premierminister selbst. Seit seinem Amtsantritt 2015 hatte Trudeau für eine
Änderung der Hymne geworben – war bei vielen Traditionalisten aber lange
abgeblitzt. Die sahen das geschichtliche Erbe ihres Landes in Gefahr und
hielten lange dagegen.
Doch am Mittwoch war es dann doch soweit. Nach dem Unterhaus, in dem
Trudeaus liberale Partei eine komfortable Mehrheit hat, stimmten nach über
eineinhalb Jahren Debatte auch die als konservativer geltenden Senatoren im
Oberhaus dem neuen Text zu. Geändert werden zwei Worte. Der englische Satz
„True patriot love in all thy sons command“ wird ersetzt. Stattdessen soll
es zukünftig geschlechtsneutral heißen: „True patriot love in all of us
command“.
## Jahrelanger Widerstand der Konservativen
Es ist eine Rückkehr zu den Ursprüngen des Texts. Als dieser 1908
geschrieben wurde, gab es wie schon in der französischen Urversion von 1880
keinen Hinweis auf ein Geschlecht. Kurz vor dem Ausbruch des Ersten
Weltkrieges allerdings wurden die Reime in der englischen Fassung
umformuliert, nicht zuletzt um die (damals meist männlichen) Soldaten auf
den Schlachtfeldern Europas zu motivieren.
Das wieder zu ändern, stand in Kanada immer wieder auf der Agenda. Vor 15
Jahren hatte eine Abgeordnete im kanadischen Unterhaus erstmals ein
entsprechendes Gesetz eingebracht – allerdings ohne Erfolg. 2010 versprach
die damalige Generalgouverneurin Kanadas in ihrer Thronrede, sich des
Themas anzunehmen. Doch das Projekt scheiterte stets am Widerstand der
Konservativen.
Tatsächlich war die Änderung bis zuletzt kein Selbstläufer. Lange hatte
laut Umfragen eine Mehrheit der Kanadier eine Neufassung abgelehnt. Erst
mit dem Amtsantritt Trudeaus begann sich das Blatt langsam zu wenden. Den
letzten Schub haben die Befürworter jetzt durch den Mut der
#MeToo-Aktivistinnen bekommen. Mit einem Verfahrenstrick brachen sie im
Senat die Blockade der Traditionalisten.
Der Premierminister zeigte sich jedenfalls hoch erfreut. Die Neufassung der
Hymne sei ein weiterer positiver Schritt auf dem Weg zur Gleichstellung der
Geschlechter, [1][tweetete Justin Trudeau] noch am Abend. Wenn alles
glattgeht, werden die kanadischen Athletinnen und Athleten bei den in Kürze
beginnenden Olympischen Spielen in Südkorea auf dem Podium schon die neue
Version singen.
Jedenfalls dann, wenn auch die letzte formelle Hürde genommen wird. Damit
das Gesetz in Kraft treten kann muss in Kanada jetzt noch das
protokollarische Staatsoberhaupt unterschreiben. Doch daran hat kaum noch
jemand einen Zweifel. Denn der offizielle Statthalter von Königin Elizabeth
II. in Ottawa heißt dieser Tage Julie Payette und die ist, ganz passend für
die Zeichen der Zeit, eine Frau.
1 Feb 2018
## LINKS
[1] https://twitter.com/JustinTrudeau/status/958865701594214400
## AUTOREN
Jörg Michel
## TAGS
Gender
Feminismus
Kanada
Justin Trudeau
Weißensee
Kanada
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
Schwerpunkt USA unter Donald Trump
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