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# taz.de -- Soziokulturelles Projekt: Eine Seismografin in Weißensee
> Der kleine Frauenladen Paula transportiert globale Themen ins Lokale. Das
> Projekt stärkt die soziale Infrastruktur in dem Stadtteil – und dessen
> Bewohnerinnen.
Bild: Die Projektleiterin Christine Stenzel-Anhalt im Frauenladen Paula Weißen…
Wie schade. An diesem Abend hat nur ein halbes Dutzend Frauen den Weg in
den Frauenladen Paula Weißensee gefunden. Auf dem Programm steht eine
Lesung. Marianne Zückler trägt aus ihrem Buch „Osteuropaexpress –
Erzählungen über Freiheit, Liebe, Sexualität und Ausgrenzung“ vor. Darin
hat die Berliner Autorin die Lebensläufe von acht homo- und transsexuellen
Protagonisten aus osteuropäischen Ländern – dem Baltikum, Ungarn, Rumänien
und Polen – verwoben, wie sie nach dem Ende der Lesung in einer
Frage-Antwort-Runde erzählt.
Die Geschichten beruhen auf dreijährigen Recherchen und insgesamt 40
Interviews von jeweils mehreren Stunden Dauer. Das Material ließ Marianne
Zückler in fiktive Figuren einfließen; exemplarische Erzählungen sind so
entstanden. Ein Buch, betont Zückler, das sie für Heterosexuelle
geschrieben habe und das kein Sachbuch werden sollte.
In der Diskussion wird deutlich, wie bewegend die Geschichten über die
Ausgrenzung von schwulen, lesbischen und transsexuellen Menschen, ihren
Kampf gegen Anfeindungen und Diskriminierung, ihre Wege aus der Opferrolle,
ihren Mut, ihre Beharrlichkeit und ihr Selbstvertrauen sind. Es entspinnt
sich eine intensive, ebenso spannende wie anregende Debatte.
Die Lesung ist nur eine von etlichen Veranstaltungen im Frauenladen Paula
Weißensee in der Langhansstraße nahe dem Antonplatz. Das soziokulturelle
Projekt richtet sich an Frauen aller Altersgruppen und Herkunft. Sie
erfahren hier „Unterstützung, Begleitung und Hilfe zur Selbsthilfe“, sagt
Christine Stenzel-Anhalt (56), die Projektleiterin. „Der Frauenladen trägt
zum Ausbau der sozialen Infrastruktur in Weißensee bei.“
## Kleines Projekt füllt große Lücke
Seit Juni 2005 werden in den Räumen, die einem kleinen Ladenlokal gleichen,
Angebote für Frauen gemacht, die niedrigschwellig daherkommen sollen. Dabei
handelt es sich um Gruppen, Beratungen, Vorträge, Lesungen, Kunstateliers,
Veranstaltungen zum Equal Pay Day oder Feiern zum 8. März, dem
Internationalen Frauentag. Stenzel-Anhalt arbeitet hier seit 2009 als
Einzelkämpferin, wird aber immer mal wieder von Praktikantinnen
unterstützt.
Etwa fünf Veranstaltungen gibt es im Monat und zwischen zwölf und fünfzehn
Kursangebote, Englischunterricht oder auch Malkurse. Die Kursleiterinnen
arbeiten ehrenamtlich. Mal kommen 50 Frauen wie zur letzten Vernissage –
oft auch ein paar Männer, die sind dann gern gesehen –, manchmal nur ein
halbes Dutzend wie zur Lesung von Marianne Zückler.
Der kleine Frauenladen füllt anscheinend eine große Lücke im Kiez um den
Antonplatz. „Wir wollen Frauen bei der Wahrnehmung ihrer Interessen
kompetent unterstützen“, sagt Stenzel-Anhalt, Sozialwissenschaftlerin.
„Der Frauenladen wirkt Isolation und sozialer Ausgrenzung entgegen.“ Es
kämen viele Frauen mit geringen finanziellen Ressourcen. „Es sind aber
auch Frauen unter den Besucherinnen, die gut verdienen oder eine gute Rente
bekommen.“
Regelmäßige Angebote wie die Selbsthilfegruppe „Trennung und Neubeginn“
würden eher Frauen aus der Umgebung wahrnehmen, bei Abendveranstaltungen
kämen Gäste aber auch von weiter her, erzählt Christine Stenzel-Anhalt. Sie
sucht stets das Gespräch.
Und so weiß sie, dass „die zunehmend angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt
für fast alle ein großes Thema ist“. Auch andere gesellschaftspolitische
Bereiche spielten in den Gesprächen eine Rolle: Der Frauenladen ist damit
auch eine Art Seismograf der Befindlichkeiten.
6 Feb 2018
## AUTOREN
Andreas Hergeth
## TAGS
Weißensee
Pankow
Frauenförderung
Frauenbild
Kristina Hänel
Gender
Gentrifizierung
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