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# taz.de -- Gedenken an Hatun Sürücü: Eine Brücke gegen das Vergessen
> Zur Erinnerung an Hatun Sürücü sollte eigentlich eine Fußgängerbrücke in
> Tempelhof nach ihr benannt werden. Nun wird es eine Autobahnbrücke.
Bild: Trauerkranz für Hatun Sürücü
Am Mittwoch (7. Januar) jährt sich zum 13. Mal der Todestag von Hatun
Sürücü, einer jungen Frau, die von ihrem eigenen Bruder nahe ihrer Wohnung
in Tempelhof mit drei Kopfschüssen regelrecht hingerichtet wurde. Sie wurde
nur 23 Jahre alt. Zum Gedenken wird nun in Neukölln eine Brücke nach ihr
benannt.
Die Ermordung sorgte damals bundesweit für Entsetzen und lässt einen auch
heute noch kopfschüttelnd und bedenklich zurück, wenn man an das Motiv des
Täters denkt. Er wollte die „Familienehre“ wiederherstellen, die seiner
Meinung nach durch die westliche Lebensweise seiner Schwester verletzt
wurde. „Westlich“, das war ihr Widerstand gegen ein fremdbestimmtes Leben,
die totale Kontrolle der Familie. Sie ließ die Zwangsehe mit einem Cousin
scheiden und legte ihr Kopftuch ab, wollte den Sohn aus der Ehe alleine
großziehen.
Unvergessen das Foto von Hatun Sürücü, das damals in der Presse
veröffentlicht wurde: Eine Frau, die einen mit ihren großen braunen Augen
lächelnd anschaut. Damals wie heute löst es ein Gefühl von Unverständnis
und die Art Trauer aus, die man für jemanden verspürt, den man nicht
kannte, doch dessen Geschichte nachhaltig berührt, unter die Haut geht.
## Aus Fußgängerbrücke wird Autobahnbrücke
Eigentlich sollte eine Fußgängerbrücke am Tempelhofer Feld nach ihr benannt
werden, doch der Bau kam nie zustande. Nach der Prüfung mehrerer Vorschläge
des Bezirksamts Neukölln, hat der Verkehrssenat nun den Vorschlag, eine
noch nicht fertiggestellte Brücke über der A100 nach Hatun Sürücu zu
benennen, akzeptiert. Franziska Giffey (SPD), Bürgermeisterin von Neukölln,
begründet diesen Schritt wie folgt: „Hatun Sürücü ist ein Symbol für die
Selbstbestimmung von jungen Frauen. Und die Brücke ist ein
Einfallstor nach Neukölln – das passt.“
Der Ort des Gedenkens stößt dabei nicht bei jedem auf Verständnis. Susanna
Kahlefeld (Bündnis 90/Grünen) sieht in der Autobahnbrücke einen „toten Ort,
einen Platz, der dieser starken Frau nicht würdig wird“. Ihrer Meinung nach
hätte man noch warten sollen, „bis ein geeigneter Platz verfügbar wird, wo
Menschen, die der Toten gedenken möchten, auch die angemessene Ruhe und
Ästhetik vorfinden, die solch ein Ort verdient“.
Es ist wahrlich nur schwer vorstellbar, dass eine Autobahnbrücke diese
Kriterien erfüllen kann. Dass die Zahl der Brücken, die dafür in Frage
kommen, jedoch begrenzt ist, sollte nicht unerwähnt bleiben. Der Wille,
Hatun Sürücu zu gedenken, ist zweifellos vorhanden. Zeit diesen Willen
umzusetzen allerdings auch.
7 Feb 2018
## AUTOREN
Martin Horn
## TAGS
Hatun Sürücü
Ehrenmord
Gedenken
Hatun Sürücü
Schwerpunkt Femizide
Hatun Sürücü
Ehrenmord
Ehrenmord
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