# taz.de -- Kommentar Abtreibungsparagraf: 219a ist erst der Anfang | |
> Die Union sträubt sich gegen die Abschaffung der strittigen Regelung – | |
> und eröffnet unfreiwillig die Debatte um das gesamte Abtreibungsrecht. | |
Bild: Der Paragraf 218 steht nun auch zur Debatte | |
Kommt er weg? Wird er nur geändert? Oder bleibt am Ende alles, wie es ist? | |
Die Zukunft des Paragrafen 219a des Strafgesetzbuchs, der das „Werben“ für | |
Schwangerschaftsabbrüche verbietet, hängt nicht zuletzt an der SPD und der | |
ausstehenden Regierungsbildung. Am Mittwoch trafen sich Vertreter*innen | |
verschiedener Fraktionen, [1][um über die Regelung zu diskutieren]. | |
Unabhängig davon ist die gesellschaftliche Debatte um den Paragrafen längst | |
in vollem Gange. Und die kann für die Union nur nach hinten losgehen. Denn | |
es gibt schlicht keine sinnvollen Argumente dafür, dass Ärzt*innen auf | |
ihrer Webseite [2][nicht schreiben dürfen, dass sie | |
Schwangerschaftsabbrüche durchführen]. | |
Eine Frau gehe womöglich mit einer vorgefertigten Entscheidung für den | |
Eingriff in die gesetzlich vorgeschriebene Beratung, wenn sie zuvor mit | |
einem Arzt oder einer Ärztin rede, sagt Elisabeth Winkelmeier-Becker, | |
rechtspolitische Sprecherin der Union. | |
Als würden Ärzt*innen geradezu darauf warten, Frauen eine Abtreibung | |
aufzuquatschen. Mehr noch: Als ob Frauen nicht in der Lage wären, | |
eigenständig zu entscheiden; je nachdem, wer der ungewollt Schwangeren | |
zuerst etwas sagen darf, bestimmt ihre Entscheidung? Ein wenig plausibles | |
Szenario. | |
Das ungelenke Verhalten der Union zeigt vor allem eins: Ihr geht es nicht | |
um Paragraf 219a. Vermutlich könnten viele Konservative auch ohne diesen | |
Paragrafen nachts noch schlafen. Die eigentliche Gefahr aus Unionssicht: | |
eine Diskussion um das gesamte Gesetzespaket zum Schwangerschaftsabbruch, | |
also auch um Paragraf 218, der Abtreibungen als eine Straftat gegen das | |
Leben definiert. | |
## Union riskiert den Burgfrieden | |
„Eine gesetzliche Änderung würde als Parteinahme zugunsten derer | |
verstanden, die hier bloß von ‚Schwangerschaftsgewebe‘ sprechen“, sagt | |
Winkelmeier-Becker. Das mag sein – doch ironischerweise beschwört die Union | |
diese Debatte um so stärker herauf, je länger sie sich sträubt. | |
Der bestehende gesetzliche Kompromiss ist in harten Auseinandersetzungen | |
errungen worden. Und aus feministischer Sicht ist er nicht gut; denn | |
Abtreibungen sind in Deutschland eine Straftat, die unter bestimmten | |
Bedingungen straffrei bleibt. Trotzdem haben viele Feminist*innen sich mit | |
der Lösung arrangiert; in der Praxis ließ es sich damit ja irgendwie leben. | |
Genau diesen Burgfrieden riskiert die Union nun. | |
Nach dem Urteil gegen die Ärztin Kristina Hänel bleibt die Frage, warum das | |
Wort „Schwangerschaftsabbruch“ auf einer Webseite mit einer Geldstrafe von | |
6.000 Euro geahndet werden sollte. Hätte die Union gleich zu Beginn der | |
Debatte eingelenkt – die Diskussion wäre längst erledigt. Doch sie | |
verteidigt den Paragrafen, indem sie Frauen wie Ärzt*innen vor den Kopf | |
stößt, sie entmündigt und ihnen Unterstellungen macht. | |
Diese Strategie des Aussitzens aus ideologischen Gründen beweist nur, dass | |
man die Union beim gesamten Thema Abtreibung niemals mit sachlichen | |
Argumenten wird überzeugen können. Warum soll man dann nicht auch gleich | |
Paragraf 218 angehen? | |
18 Jan 2018 | |
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## AUTOREN | |
Dinah Riese | |
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