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# taz.de -- Neues Volksbegehren in Berlin: Werben für ein Ende der Werbung
> Was anderswo bereits Wirklichkeit ist, soll auch in Berlin möglich
> werden: viel weniger Werbung im Stadtbild. Ab sofort werden
> Unterschriften gesammelt.
Bild: Verregneter Auftakt: „Berlin Werbefrei“ am Dienstag auf dem Kreuzberg…
Zwei Plakatwände am Moritzplatz: Eines wirbt für das Berliner Netzwerk
Selbsthilfe, das andere für einen Snack aus Hähnchenfleisch. Davor ein
Dutzend AktivistInnen, die gut gelaunt skandieren: „Berlin wird schö-ner,
wer-be-frei!“ Einige halten die Zeichnung eines missmutigen Bären hoch. Er
ist der populären Internet-Ikone „Grumpy Cat“ nachempfunden, und seine
Botschaft lautet: „Werbung? Nö.“
„Wenn wir Werbung in der Zeitung sehen, können wir umblättern“, ruft ein
Mann ins Mikrofon, „im Internet können wir einen Adblocker einschalten.
Aber im öffentlichen Raum sind wir Werbung ausgeliefert.“ Berlin sei eine
bunte Stadt, das wolle man stärken, und dazu brauche es keine Werbung.
„Grenoble und São Paulo haben es vorgemacht: Es geht auch ohne!“
Worum es hier geht? Um das „Antikommodifizierungsgesetz“ – ein Wort, so
lang, dass es in keine gewöhnliche Zeitungsspalte passt. Und das nicht die
Abschaffung von Schubladenmöbeln meint, sondern die massive Einschränkung
von Werbung im öffentlichen Raum. Seit gestern sammelt die [1][Initiative
„Berlin Werbefrei“] Unterschriften für die Zulassung eines Volksbegehrens.
Es soll den [2][Entwurf des Gesetzes] ins Abgeordnetenhaus einbringen und
gegebenenfalls – wenn die ParlamentarierInnen es ablehnen – den Weg zum
Volksentscheid freimachen.
Schon seit Sommer hat die Gruppe um Ideengeber Fadi el-Ghazi den Entwurf
vorgelegt. Dann zog sich allerdings der Prozess in die Länge, weil die
amtliche Kostenschätzung des Senats den AktivistInnen überzogen schien.
Tatsächlich wurden auf ihre Beschwerde hin die erwarteten Mindereinnahmen
des Landes nach unten korrigiert: Jetzt sind es statt 81 nur noch 31
Millionen Euro, die Senatsverwaltungen und Bezirken im Jahr verloren gehen
sollen. Nach der Rechnung der Initiative sind das ungefähr 0,1 Prozent des
Landeshaushalts.
## Die Ware Stadt
„Kommodifizierung“ bedeutet laut „Berlin Werbefrei“, dass „die Stadt …
Ware und der öffentliche Raum kommerzialisiert“ wird. „Die Gestaltung des
öffentlichen Raums ist wesentlicher Aspekt einer lebenswerten Stadt und
darf nicht profitorientierten Firmen wie Ströer oder Wall überlassen
werden.“ Damit ist der Zungenschlag klar antikapitalistisch. Vermieden wird
dagegen eine ästhetisierende Kritik.
Entsprechend soll auch gar nicht alle Werbung im öffentlichen Raum
wegfallen: Kultur, Veranstaltungshinweise, gemeinnützige Zwecke, all das
könne bleiben, sagt Initiativen-Sprecher Joschka von Unruh. Also wohl auch
das Plakat des Selbsthilfe-Netzwerks, vor dem die Gruppe steht. Dass das
Gesetz teuer käme für das Land Berlin, das gerade dabei ist, neue,
lukrativere Verträge mit den Betreibern von Werbeanlagen abzuschließen? Von
Unruh findet, das könne sich die Stadt leisten.
Beim Senat ist man vorsichtig in der Beurteilung von „Berlin Werbefrei“.
„Wir sind inhaltlich gar nicht so weit auseinander“, sagt Petra Rohland,
Sprecherin der Stadtentwicklungsverwaltung. Deshalb sähen die neuen
Verträge auch eine Reduzierung der großen, zunehmend digital betriebenen
Anlagen vor. Man dürfe aber nicht vergessen, dass das eingenommene Geld für
Aufgaben wie die Bereitstellung öffentlicher Toiletten gebraucht werde.
## Fans bei Grünen und Linken
Zeigen muss sich, wie die zumindest traditionell konsum- und
werbekritischen Koalitionspartner sich dazu verhalten. Der Landesverband
der Grünen signalisierte gestern Zustimmung: „Das Stadtbild ist derzeit zu
sehr von Werbung geprägt. Eine Debatte darüber ist dringend notwendig, denn
der öffentliche Raum gehört allen“, sagte der Vorsitzende Werner Graf der
taz.
Auch Katalin Gennburg von der Linken im Abgeordnetenhaus kann viele ihrer
Positionen im „Antikommodifizierungsgesetz“ wiederfinden, auch wenn sich
die Fraktion noch nicht auf eine gemeinsame Position festgelegt habe. „Die
wirklich gewinnbringenden Werbeflächen helfen ja den multinationalen
Konzernen und nicht dem Mittelstand“, so Gennburg zur taz – und dem
Gemeinwohl schon gar nicht Da müsse man als linke Regierung eigentlich die
Ziele des Volksbegehrens teilen.
17 Jan 2018
## LINKS
[1] https://berlin-werbefrei.de
[2] https://berlin-werbefrei.de/gesetz/
## AUTOREN
Claudius Prößer
## TAGS
Werbung
Volksbegehren
Berlin Werbefrei
Ehrenamt
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