# taz.de -- Neue linke Volkspartei: Die rätselhafte Frau W. | |
> Was will die Linke-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht – ihre Partei | |
> stärken oder spalten? GenossInnen aus allen Flügeln fordern Antworten. | |
Bild: Will sie etwas Neues? Oder will sie nicht? Die Linke-Frationsvorsitzende … | |
Berlin taz | „Verdammt, ich will dich, will dich nicht …“ – wenn es um | |
Sahra Wagenknecht und die Linkspartei geht, dann trifft Matthias Reims | |
Schlager das Verhältnis ganz gut. [1][Im Spiegel-Interview] orakelt | |
Wagenknecht am Freitag über eine linke Volkspartei jenseits der Linken, | |
[2][zwei Tage später dementierte sie beim Neujahrsauftakt der Fraktion]: | |
Der Vorwurf, sie wolle die Linke spalten, sei „grotesk“ und | |
„abenteuerlich“. Am Abend verschickt sie munter ihren Newsletter samt | |
Umfrage: „Welche Personen fallen Dir spontan ein, die für solch einen | |
Aufbruch wichtig wären?“ | |
Was denn nun? Will Sahra Wagenknecht die Linkspartei verlassen und etwas | |
Neues wagen? Oder will sie das nicht? Wenn nicht, was will sie dann? | |
Fragen, die nur Wagenknecht selbst beantworten kann. Aber ihr Sprecher | |
richtet auf taz-Anfrage aus: „Frau Wagenknecht steht nicht für das | |
gewünschte Telefonat zur Verfügung.“ | |
Die taz ist nicht die Einzige, die ohne Antwort bleibt. Auch in der Partei | |
herrscht Ratlosigkeit. Und Frust. „Ich finde es problematisch, dass Sahra | |
das Gespräch über ihre Idee einer linken Volkspartei bisher nie in der | |
Partei gesucht hat“, sagt die bayerische Bundestagsabgeordnete Nicole | |
Gohlke der taz. Sie gehört zu den Erstunterzeichnerinnen eines Aufrufs, der | |
seit Freitag unter [3][bewegungslinke.org] online ging. | |
„Ein medialer Wahlverein kann keine Alternative zu einer pluralen und | |
demokratisch verfassten Partei sein, die verschiedene Milieus verbindet“, | |
heißt es da. Stattdessen plädieren die Unterzeichner für eine Linkspartei, | |
die selbst Zentrum einer linken Bewegung ist und unter anderem für „offene | |
Grenzen für alle“ steht. | |
## Linker Flügel rebelliert | |
Der Aufruf ist keine direkte Replik auf das Spiegel-Interview, vielmehr | |
erschien er zur selben Zeit und ist somit Ausdruck eines generellen | |
Unbehagens. Seit Wochen werben Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht sich | |
gegenseitig verstärkend für eine neue linke Sammlungsbewegung. | |
Neuester Dreh: eine Parteineugründung, die Teile von SPD und Grünen | |
einschließt und nach dem Vorbild der Bewegung „La France insoumise“ des | |
französischen Präsidentschaftskandidaten Jean-Luc Mélenchon organisiert | |
ist. Eine solche, auf eine starke Führungsfigur zugeschnittene Bewegung | |
fände sie schwierig, sagt Gohlke und überhaupt: „Welches wären denn die | |
Zugeständnisse an SPD und Grüne?“ | |
Was bemerkenswert ist: Hier rebelliert der linke Flügel der Linken gegen | |
ihre einstige Führungsfigur. Viele Unterzeichnerinnen kommen, wie Gohlke, | |
aus den westlichen Bundesländern, hinter etlichen Namen steht | |
Nordrhein-Westfalen, der Landesverband Wagenknechts, der traditionell wie | |
eine Eins hinter der populären Spitzenfrau stand. | |
Wenn Wagenknechts Vorschlag einer neuen linken Volkspartei ein Testballon | |
ist, um zu sehen, wer ihr folgen würde, dann ist er gleich nach dem Start | |
abgestürzt. Wenn es der Versuch ist, die Parteibasis zu spalten und das | |
verhasste Führungsduo Katja Kipping und Bernd Riexinger zu schwächen, dann | |
erweist er sich als Rohrkrepierer. | |
Denn diesmal reicht es auch den Reformern in der Bundestagsfraktion, die | |
sich aus machttaktischen Gründen mit den Wagenknechtianern zum Hufeisen | |
verbündet haben und üblicherweise jede irritierende Äußerung Wagenknechts | |
schweigend zur Kenntnis nehmen. | |
## Die Parteiführung schweigt | |
Auch das Forum Demokratischer Sozialismus, fds, die Hausmacht von | |
Wagenknechts Kovorsitzenden Dietmar Bartsch, reagierte mit ungewohnter | |
Deutlichkeit: „Neue Politische Aufbrüche werden immer wieder mal gefordert | |
und angekündigt, auch in der Linken“, heißt es in einer Stellungnahme die | |
die sächsische Landesvorsitzende Antje Feiks gemeinsam mit dem fds | |
verfasste. „Wie der einer neuen linken Volkspartei, einer ‚linken | |
Sammelbewegung‘, gelingen soll, bleibt dabei absolut im Dunkeln. Es stellt | |
sich sogar die Frage, was daran links sein soll.“ | |
Denn gerade die immer wieder erwähnte Mélenchon-Bewegung zeige doch: | |
„Solche ‚Bewegungen‘ kommen auch gern nationalistisch, antieuropäisch, in | |
Bezug auf Geflüchtete durchaus fremdenfeindlich und in der Tendenz | |
autoritär daher.“ | |
Die Parteiführung, die am Wochenende noch überlegt hatte, ob sie | |
Wagenknecht mit einer scharfen Replik antworten sollte, schwieg fein still | |
und entspannte sich. „Es gibt für das Projekt einer Abspaltung keine | |
Unterstützung in der Partei“, sagte Parteichefin Katja Kipping der taz. | |
Auch einige mahnende Worte an die renitente Fraktionsvorsitzende ließ | |
Kipping, die sich sonst jede Kritik verkneift, fallen. „Gerade wenn man so | |
wichtig für die Partei ist wie Sahra Wagenknecht, muss man dieser | |
Verantwortung auch gerecht werden und eine solche Idee zuerst mit Partei | |
und Fraktion diskutieren.“ Am Dienstag wird Wagenknecht zunächst im | |
Fraktionsvorstand und dann in der Fraktion Fragen beantworten müssen. | |
15 Jan 2018 | |
## LINKS | |
[1] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/linke-sahra-wagenknecht-will-neue… | |
[2] /Wagenknecht-will-Sammlungsbewegung/!5474433 | |
[3] https://bewegungslinke.org/ | |
## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
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