# taz.de -- Kolumne Lügenleser: Schaltet die Kommentarfunktion ab! | |
> Es gibt keine Zensur, alle dürfen im Netz völlig abstruse Meinungen | |
> äußern. Die Lösung: Kommentarfunktion abschalten, in der Kneipe | |
> diskutieren. | |
Bild: Manch kuriose Webseite präsentiert mit großem Elan die wahren Verantwor… | |
Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut. Glücklicherweise ist es neben | |
Journalisten auch anderen Narzissten, Querulanten und Menschen an der | |
Grenze zur Schwachsinnigkeit erlaubt, ihre Meinung herauszuposaunen. | |
Deswegen gibt es in diesem Wunderwerk namens Internet neben jeder Menge | |
schwerwiegender Expertenmeinungen auch Abertausende von Seiten mit eher | |
fragwürdigen Erkenntnissen. | |
Genau so schnell wie man – all den Unkenrufen über eine gleichgeschaltete | |
Presse zum Trotz – in der deutschen Medienlandschaft zu jedem Thema eine | |
Vielzahl an unterschiedlichen Ansichten findet, landet man auf | |
Veröffentlichungen, die einem wahlweise den Untergang des Abendlandes oder | |
die wahren Verantwortlichen hinter 9/11 präsentieren. Jedem Tierchen sein | |
Pläsierchen. | |
Meist nur einen Klick weiter finden wir dann die Beweise für eine flache | |
Erde, die jüdische Weltherrschaft und ein elitäres Pädophilennetzwerk, | |
dessen Anführerin Hillary Clinton ist. Diese Texte sind frei zugänglich und | |
werden nicht zensiert. Wenn jemand schreiben möchte, dass Lady Gaga die | |
Hohepriesterin eines allmächtigen Satankults ist, dann kann er das und wird | |
jede Menge Leser finden. Warum all diese weltweit agierenden | |
Verschwörungsnetzwerke zwar Chemtrails in Flugzeuge schmuggeln, Flüchtlinge | |
für den Volkstod akquirieren und Lady Di ermorden können, aber es nicht | |
schaffen, die (all diese Geheimnisse aufdeckende) popelige Website eines | |
einsamen Wirrkopfs lahmzulegen, sei mal dahingestellt. | |
Der Punkt ist: [1][Es gibt keine Zensur]. Wer glaubt, das Verbot von | |
Holocaustleugnung sei Zensur, soll sich löschen. | |
## Die lethargische Gesellschaft | |
Doch neben all den Möglichkeiten, seine Meinung kundzutun | |
(Onlinepublikationen, Flugblätter, freie Rede oder diese Typen in den | |
Fußgängerzonen mit ihren „IS=Zionisten“-Umhängeschildern) hat sich etwas | |
etabliert, das längst keinen Sinn mehr macht: Facebook und seine | |
Kommentarfunktion. | |
Noch nie wurde jemand in einem Internetstreit von einer gegenteiligen | |
Meinung überzeugt. Noch dazu sind die immer gleichen | |
Argumentationsschlachten längst das Abbild einer lethargischen, | |
festgefahrenen Gesellschaft, die sich in einem virtuellen Raum beschimpft, | |
ohne auch nur in die Nähe einer Lösung zu gelangen. Zwei Mäuse im Kreis | |
rennen zu lassen hat nichts mit freiem Willen zu tun. Erzeugt aber Strom. | |
Und Facebook-Diskussionen haben nichts mit Meinungsfreiheit zu tun. Bringen | |
aber Reichweite. | |
Gott sei dank ist Facebook ein überaltertes und in letzter Konsequenz | |
sterbendes Medium, in den USA längst der uncoole Treffpunkt der eigenen | |
Eltern. Oder irgendwelcher Bots. Man möchte ihnen „Lest keine Kommentare!“ | |
zurufen, aber der Geltungsdrang der Nutzer ist stärker. Deshalb kann es nur | |
eine Lösung geben: schaltet die Kommentarfunktion ab. Gebt den Menschen | |
wieder die Zeit, über das Geschriebene nachzudenken. Diskutieren kann man | |
in der Kneipe. Das ist Meinungsfreiheit. | |
17 Jan 2018 | |
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## AUTOREN | |
Juri Sternburg | |
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