| # taz.de -- Fakten über Angststörungen: Keine Angst, hier stirbt niemand | |
| > Angststörungen sind immer noch ein Tabu. Dabei tritt die psychische | |
| > Erkrankung häufiger auf als Depressionen. Wie ist es, damit zu leben? | |
| Bild: Was nicht hilft: Statistiken über Flugzeugabstürze versus Verkehrstote | |
| Rund zehn Millionen Menschen in Deutschland leiden an einer Angststörung. | |
| Die psychische Erkrankung ist trotzdem immer noch ein Tabuthema. [1][Unsere | |
| Autorin] hat ein Sachbuch über das Thema Angststörungen geschrieben. 33 | |
| Fakten darüber, wie es ist, mit der Angst zu leben. | |
| 1. Wer eine Angststörung hat, wählt deshalb nicht zwangsläufig AfD. | |
| 2. Eine Angststörung ist nicht in, hip oder angesagt. Fragen Sie mal die | |
| Menschen, die davon betroffen sind. Dieser Eindruck entsteht höchstens | |
| durch eine vermehrte Medienpräsenz. | |
| 3. Apropos Medienpräsenz: Die ist vielleicht nervig, aber auch wichtig – | |
| und sie geht wieder weg, sobald das nächste Thema ansteht. Also: Kommen Sie | |
| damit klar. | |
| 4. Wer eine Angststörung hat, ist deshalb nicht unbedingt ein ängstlicher | |
| Mensch. | |
| 5. Angststörung, ist das so was Gesellschaftliches? Flüchtlinge, Terror, | |
| Pegida? Nein. Und bevor Sie nochmal nachfragen: Nein. | |
| 6. Was hilft: Neugierde, Toleranz und ein Mindestmaß an Empathie. Besser | |
| ein bisschen mehr. Kann man aber auch lernen. Außerdem sind das die | |
| Grundsätze, mit denen man jedem Menschen begegnen sollte. | |
| 7. Der Unterschied zwischen Angst und Angststörung: keiner, außer dass | |
| Letztere in Momenten auftritt, in denen objektiv betrachtet überhaupt keine | |
| Gefahr droht. | |
| 8. Das Gegenteil von Angst ist nicht Mut. Angst ist die Voraussetzung für | |
| Mut, und die kann man überwinden. Dann ist man mutig. | |
| 9. Menschen mit Angststörung sind nicht zwangsläufig schüchtern, schwitzen | |
| und haben hängende Mundwinkel. Manche duschen sogar. | |
| 10. Frauen sind häufiger von Angststörungen betroffen als Männer. Was | |
| eventuell daran liegt, dass Angst als schwach gilt und viele Männer das | |
| deshalb nicht zugeben. | |
| 11. Die Angst macht sich gerne wichtig. Manchmal hilft es, sich | |
| vorzustellen, wie groß das Universum ist und wie klein und unwichtig man | |
| selbst. | |
| 12. Was nicht hilft: Statistiken über Flugzeugabstürze versus Verkehrstote. | |
| Es geht nicht darum, dass etwas relativ unwahrscheinlich ist, sondern | |
| darum, dass es ein bisschen wahrscheinlich ist. Und wenn es nur 0,1 Prozent | |
| sind. | |
| 13. Die Angst will einen vor allem beschützen. Dafür darf man ruhig auch | |
| mal dankbar sein. | |
| 14. Man muss nicht wissen, was Stigmatisierung bedeutet, um zu wissen, wie | |
| sie sich anfühlt. | |
| 15. Angstschweiß stinkt immer, trotz Deo. | |
| 16. Warum viele Betroffene erst so spät Hilfe suchen? Wer eine Therapie | |
| macht, gesteht sich ein, dass er ein Problem hat. Vorher kann man die ganze | |
| Sache wunderbar runterspielen, vor allem vor sich selbst. | |
| 17. Man kann nur Macht über psychische Krankheiten bekommen, wenn man sie | |
| so konkret wie möglich benennt. Nicht die korrekte Diagnose zu verwenden | |
| macht die Krankheit größer, als sie ist. | |
| 18. Eine Verhaltenstherapie ist nicht für jeden der richtige Weg. Obwohl | |
| zahlreiche Studien belegen, dass sie bei Angstpatienten im Vergleich zu | |
| anderen Therapieformen besonders schnell wirkt und die höchste Erfolgsquote | |
| hat. | |
| 19. Egal, welche Therapie man macht: Bei einem guten Therapeuten fühlt man | |
| sich nicht reduziert auf seine Angst. Da ist man ein Mensch mit einer | |
| Angststörung. Bei einem schlechten Therapeuten eine Angststörung mit einem | |
| lästigen menschlichen Anhängsel. | |
| 20. Wer eine Therapie macht, ist nicht total selbstbezogen und redet nur | |
| noch über sich selbst. Im Gegenteil: Man bürdet seinen Freunden weniger | |
| Gefühlschaos auf. Für Probleme ist ein Tag in der Woche vorgesehen, und | |
| demjenigen, der einem zuhört, ist man nichts schuldig. Er bekommt sogar | |
| Geld dafür. | |
| 21. Die Angst ist nicht nur da, wenn man sie gerade spürt. Damit, wie man | |
| sich insgesamt im Leben verhält, beschwört man sie immer wieder aufs Neue | |
| hervor. (Jedenfalls, wenn man nicht daran arbeitet.) | |
| 22. Stress ist eine Ursache für Angst. Man muss aber kein | |
| Vorstandsvorsitzender sein, der seine Mails im Urlaub liest, um Stress zu | |
| haben. Stress ist nämlich keine Währung, die für jeden den gleichen Wert | |
| hat. | |
| 23. Wenn man wahnsinnig viel zu tun hat, ist die Angst meistens unsichtbar. | |
| Aber wetten, dass sie dafür mit in den Urlaub fährt? Viel Spaß! | |
| 24. Wenn die Mutter streng, anspruchsvoll, perfektionistisch, gemein und | |
| verurteilend ist, hat es das Kind nicht leicht. Das gilt genauso für das | |
| innere Kind. | |
| 25. Man kann lernen, mit seinem inneren Kind liebevoll umzugehen. Warum | |
| sollte man zu sich selbst auch so hart sein, wie man es zu anderen Personen | |
| nie wäre? | |
| 26. Klosterfrau Melissengeist. Hilft gegen alles, vor allem gegen innere | |
| Unruhe. | |
| 27. Wenn die Angst plötzlich verschwindet und man gar nichts mehr spürt, | |
| hat man vermutlich eine Depression. Meistens liegt es daran, dass die Angst | |
| davor so groß war, dass der Körper einen schützt. Wie bei einem | |
| Stromausfall: Überhitzung, zack, dunkel. | |
| 28. Wenn man ausführlich von jemandem gemustert wird, hat man entweder | |
| Petersilie zwischen den Zähnen. Oder sieht einfach super aus. Beides kein | |
| Grund, nervös zu werden. | |
| 29. Die Angst lieben zu lernen ist verrückt – und hilfreich. | |
| 30. Was nicht hilft: der Spruch „Reiß dich zusammen.“ Das sagen wir uns | |
| selbst schon oft genug. | |
| 31. Wer seine Angststörung thematisiert, wird automatisch zum Botschafter | |
| für Angststörungen und psychische Erkrankungen im Allgemeinen. | |
| 32. Eine Panikattacke fühlt sich zwar an, als würde man sterben. Aber hier | |
| stirbt niemand. Das wäre der Angst viel zu langweilig. | |
| 33. Wenn man seine Angststörung öffentlich macht, muss man wenigstens keine | |
| Energie mehr darauf verschwenden, sie zu verstecken. | |
| 11 Jan 2018 | |
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| ## AUTOREN | |
| Franziska Seyboldt | |
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