# taz.de -- Ausbruchsserie in JVA Plötzensee: Justizsenator unter Druck | |
> Nach der Flucht von neun Gefangenen aus der JVA Plötzensee fordert nicht | |
> nur die Opposition den Rücktritt des Justizsenators, sondern auch ein | |
> SPD-Abgeordneter. | |
Bild: Registriert derzeit viel Bewegung: Videokamera am Knast Plötzensee | |
Nachdem binnen einer Woche mehrere Gefangene aus der Justizvollzugsanstalt | |
(JVA) Plötzensee entkommen sind, schlagen die Wellen hoch. Noch schlimmer: | |
Aus dem Gefängnis sind in den Tagen zwischen Weihnachten und Neujahr noch | |
mehr Häftlinge geflohen, als bisher bekannt war. Insgesamt geht es jetzt um | |
neun Männer, die entweder ausbrachen oder aus dem offenen Vollzug | |
entwichen. Das teilte Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) am Dienstag mit. | |
In der JVA Plötzensee in Charlottenburg sind derzeit 362 Personen | |
inhaftiert. | |
Rücktrittsforderungen an den Justizsenator kamen anschließend nicht nur von | |
den Oppositionsparteien CDU, FDP und AfD, sondern auch aus den Reihen der | |
rot-rot-grünen Regierungskoalition. | |
## Fataler Tweet | |
Am Neujahrstag setzte Joschka Langenbrinck, Mitglied des Abgeordnetenhauses | |
für die SPD, mit einem Tweet um 11.37 Uhr eine Lawine in Gang: „7 Ausbrüche | |
in 5 Tagen aus 1 Berliner Knast. Rekord. Wer will noch mal, wer hat noch | |
nicht? Das wäre eigentlich ein Rücktrittsgrund für einen Justizsenator.“ | |
Für eine Erläuterung seines Tweets stand Langenbrinck nicht zur Verfügung. | |
Stattdessen verwies der 32-Jährige auf den justizpolitischen Sprecher | |
seiner Fraktion, Sven Kohlmeier. | |
Der rechtspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Sven Rissmann, und der | |
innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Burkard Dregger, erneuerten nach | |
dem Tweet ihren Ruf nach personellen Konsequenzen für Justizsenator Dirk | |
Behrendt in einer gemeinsamen Presseerklärung. Der Rechtsausschuss des | |
Abgeordnetenhauses müsse sich mit der „Causa Plötzensee“ beschäftigen. | |
„Nachdem nunmehr auch Rücktrittsforderungen gegen den an der Justizpolitik | |
nicht mehr interessierten Justizsenator aus Reihen der eigenen Koalition | |
laut werden, ist der Regierende Bürgermeister aufgerufen, sich dieser | |
Personalie anzunehmen“, schreiben die beiden Oppositionspolitiker. Und | |
CDU-Fraktionschef Florian Graf legte am Dienstagnachmittag nach: „Mit | |
seiner nachlässigen Politik in Sachen Justizvollzug wird Senator Behrendt | |
zum eigentlichen Ausbrecherkönig.“ | |
Dass die Opposition nach Rücktritt rufe, sei nicht verwunderlich, äußerte | |
sich indes Sven Kohlmeier von der SPD auf Anfrage der taz zu den Vorfällen. | |
„Das ist ein typischer Reflex. Rücktrittsforderungen werden heute zu | |
inflationär verwendet“, sagte Kohlmeier. Um dann auf einen Vorfall aus dem | |
Jahr 2014 zu verweisen: Damals waren zwei Gefangene aus der JVA Moabit | |
ausgebrochen. Der jetzige Justizsenator Behrendt habe zunächst Aufklärung | |
und nicht etwa den Rücktritt des damaligen Justizsenators Thomas Heilmann | |
(CDU) gefordert. Das Gleiche müsse auch in der aktuellen Situation gelten. | |
Den Tweet seines Parteikollegen Langenbrinck versteht Kohlmeier anders als | |
die CDU-Politiker nicht als explizite Rücktrittsforderung an den | |
Justizsenator und würde sie so auch „nicht wiederholen wollen“. Er sehe | |
darin nur „deutliche Kritik“. Denn in der Sache habe Joschka Langenbrinck | |
ja recht, so Kohlmeier weiter. „Ein Ausbruch – das allein ist noch kein | |
Rücktrittsgrund. Aber eine Serie von Ausbrüchen, das ist ein Problem. Es | |
gibt offene Fragen, die der Justizsenator beantworten muss.“ | |
„Das ist nur eine verzweifelte Einzelstimme aus der SPD“, äußerte sich der | |
innenpolitische Sprecher der Grünen, Benedikt Lux, zum Rücktritts-Tweet des | |
SPD-Politikers. Dennoch sei es „fatal, dass Langenbrinck damit | |
Kleinstkriminelle auf eine Stufe mit Schwerverbrechern stellt und so dem | |
offenen Vollzug schadet.“ | |
Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) bemüht sich indes um | |
Schadensbegrenzung: Die Sicherheitsvorkehrungen in der JVA Plötzensee kämen | |
allesamt auf den Prüfstand, teilte er am Dienstag mit. Das Personal werde | |
nochmals verstärkt und eine Kommission aus internen und externen | |
Sicherheitsexperten eingesetzt, um Schwachstellen zu analysieren und zu | |
beseitigen. Weiterhin sei er bereit, jederzeit den Rechtsausschuss | |
umfassend zu informieren. | |
„Durch die Entweichungen aus dem offenen Vollzug sind Irritationen | |
entstanden. Dies ist verständlich. Ich bedauere das“, so Behrendt. | |
2 Jan 2018 | |
## AUTOREN | |
Andreas Hergeth | |
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