# taz.de -- taz-adventskalender (14): „Wir wollen radikal sein“ | |
> Die taz präsentiert in ihrem Adventskalender BerlinerInnen, die für etwas | |
> brennen. Hinter Türchen 14: Chorleiter Johannes Gall | |
Bild: Musik tut gut und es muss ja nicht gleich die ganz große Nummer sein: Di… | |
taz: Herr Gall, was bewirkt Singen? | |
Johannes Gall: Singen ist gemeinschaftsbildend. Im Chor merkt man das | |
besonders deutlich: Alle sind wichtig. | |
Beruht darauf die Euphorie, die bei Sängerinnen und Sängern oft entsteht? | |
Das höre ich zumindest immer wieder von unseren Singenden: Sie kommen in | |
die Probe, sind fertig von der Arbeit des Tages. Hinterher sind sie dann | |
viel entspannter. Probenarbeit ist aber auch anstrengend. Als Dirigent weiß | |
ich, dass man da gewaltig unter Druck stehen kann. | |
Was ist so belastend? | |
Das hat oft mit den Inhalten zu tun: Die können an die Nieren gehen. Als | |
ich das Moorsoldatenlied, komponiert 1933 im KZ, mit dem Chor einstudiert | |
habe, fiel es vielen schwer, das bis zur letzten Strophe durchzusingen. Das | |
hörte man auch an der Tonhöhe, die bis zum Schluss immer weiter sank. | |
Wie ist das für Sie als Dirigent, wenn der Chor richtig loslegt? | |
Das ist ein überwältigendes Gefühl. Und gleichzeitig die große | |
Herausforderung als Musiker: Sie wollen emotional ergreifen und | |
gleichzeitig die Kontrolle behalten. | |
Ihr Chor ist nach Hans Beimler benannt, einem kommunistischen Revolutionär. | |
Ist Ihnen dieses Revolutionäre noch wichtig? | |
Ich habe mich schon immer für politisch engagierte Musik interessiert – | |
also für sozialistische, kommunistische und links orientierte – und das hat | |
mit dem Chor gepasst. Er ist Anfang der 70er Jahre gegründet worden, als | |
das Klima in Berlin sehr offen war, und war an die Sozialistische | |
Einheitspartei Westberlin (SEW) angebunden. Das ist lange vorbei, die | |
Partei gibt es ja auch nicht mehr. Aber wir stellen uns weiterhin bewusst | |
in die Tradition des Revolutionärs. Wir wollen radikal sein, an die Wurzeln | |
des Ganzen gehen, die Dinge verändern. Die Verbindung mit Musik ist so | |
spannend, weil es nicht nur die Singenden erreicht, sondern auch die | |
Zuhörenden. Es geht um Bewusstseinsbildung. | |
Glauben Sie, dass Musik die Gesellschaft verbessern kann? | |
Die Musik kann nicht aus sich selbst heraus die Welt verändern, aber sie | |
ist ein wirkmächtiges Werkzeug in dieser Hinsicht. Sie erreicht Leute mit | |
ihrer Botschaft. Es ist sogar wissenschaftlich belegt, dass bei sozialen | |
Bewegungen Musik eine große Rolle spielt, denken Sie an die „Marseillaise“ | |
oder die „Internationale“. Die Nelkenrevolution in Portugal wurde durch | |
„Grândola, Vila Morena“ sogar ausgelöst. | |
Hoffen Sie, dass ihr Chor so eine Wirkung hat? | |
Selbstverständlich! (lacht) | |
Interview: Bert Schulz | |
14 Dec 2017 | |
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