# taz.de -- taz Adventskalender (18): „Das Paradies interessiert uns nicht“ | |
> Die taz präsentiert in ihrem Adventskalender BerlinerInnen, die für etwas | |
> brennen. Hinter Türchen 18: Feride Gençaslan, gläubige Sufistin. | |
Bild: Wünsch dir was. und mach glücklich! | |
Ach, wollten nur mehr Menschen, wie ich will, die Welt wäre ein bisschen | |
besser: Die taz präsentiert in ihrem Adventskalender BerlinerInnen, die für | |
etwas brennen. Hinter Türchen 18: Feride Gençaslan, gläubige Sufistin. | |
taz: Frau Gençaslan, was bedeutet Sufismus? | |
Feride Gençaslan: Allgemein sagt man, Sufismus ist der mystische Islam. Der | |
Sufismus ist also der spirituelle Lebensweg, der mit Respekt und Liebe eine | |
friedliche Welt erreichen möchte und zu Gott führt. | |
Und wie genau möchte der Sufismus das schaffen? | |
Wir Sufis glauben, dass jedes Bild oder jede Bewegung genau so ist, wie | |
Allah es will. Wir lieben jedes Geschöpf – weil es vom Schöpfer kommt. | |
Darum bringen wir jedem Menschen und jeder Sache Respekt und Anstand | |
entgegen. Und daraus erwächst dann die Liebe. | |
Das klingt ja sehr schön aber glauben Sie wirklich, dass das funktioniert? | |
(Lacht) Ja, das glaube ich. Unser Sufi-Zentrum Rabbaniyya hat das Motto: | |
„Respekt säen, Liebe ernten“, und das versuchen wir täglich umzusetzen. Zu | |
unseren Meditationen kann jeder kommen – egal, ob Sufi, Buddhist, Yogi, | |
Christ oder Atheist. Uns geht es um die gute Gemeinschaft, mit der wir den | |
kulturellen Austausch fördern und ein friedliches Zusammenleben erreichen | |
wollen. Es geht darum, alles Äußere auszublenden und nur auf sein Herz zu | |
hören. Mit dieser Liebe finden wir dann den Weg zu Gott – egal, welchem | |
Glauben wir angehören. | |
Im Sufismus gilt es, das Paradies im Jenseits zu erreichen? | |
Wir Sufis interessieren uns weder für das Paradies als Belohnung noch für | |
die Hölle als Bestrafung. Allah sagt: „Mit meiner Barmherzigkeit umfasse | |
ich alles.“ Diese Barmherzigkeit und Gnade wollen wir jeden Tag ausleben – | |
um Allah gerecht zu werden und nicht, um unsere eigene Seele nach dem Tod | |
zu retten. | |
Der Sufismus legt den Islam sehr liberal aus. Wie reagieren andere Muslime | |
darauf? | |
Vor allem Schriftgelehrte werfen uns vor, den Glauben zu locker zu nehmen. | |
Sie sagen, wenn man so tolerant allen Religionen gegenüber ist, schwäche | |
das den eigenen Glauben. Dabei hat der gelebte Sufismus mit Disziplin und | |
Selbstbeherrschung zu tun. Wir sind tolerant gegenüber anderen, aber nicht | |
tolerant gegenüber dem eigenen Ego. | |
Warum? | |
Wir Sufis sind gläubige Muslime, die Scharia ist unser Gesetz und | |
dementsprechend befolgen wir die fünf Säulen des Islam. Darüber hinaus | |
erinnern wir uns ständig Gottes als Herrn aller Welten und unserer | |
Dienerschaft, indem wir Allah stets ehren und lobpreisen. Wir erkennen sein | |
Licht in allen alltäglichen Dingen und begegnen daher jedem Menschen und | |
jeder Sache mit Respekt. Denn der Sufismus hält sich an das Wort des | |
Propheten Muhammed: „Liebe das Geschöpf um des Schöpfers willen.“ | |
Interview Sophie-Isabel Gunderlach | |
18 Dec 2017 | |
## AUTOREN | |
Sophie-Isabel Gunderlach | |
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