# taz.de -- Bund, Telekom und Rundfunk: Was darf die Telekom? | |
> Die Telekom gehört in Teilen dem Bund, und sie darf eigentlich keinen | |
> Rundfunk veranstalten. Wie definiert sich aber ihre Plattform | |
> „Entertain“? | |
Bild: Ein „T“ an der Telekom-Zentrale in Bonn | |
Eigentlich ist es recht simpel: In Deutschland dürfen weder der Staat noch | |
Unternehmen, an denen er mehrheitlich beteiligt ist, Rundfunk veranstalten. | |
Und der Bund hat sich komplett rauszuhalten. Die Organisation des Rundfunks | |
ist Ländersache. So hat es einst auch das Bundesverfassungsgericht | |
entschieden. | |
Aber was ist mit der Deutschen Telekom? 14,5 Prozent des ehemaligen | |
staatlichen Unternehmens gehören noch heute dem Bund direkt, 17,5 Prozent | |
der bundeseigenen Förderbank KfW. Über die Telekom dürften heute mindestens | |
rund drei Millionen Haushalte ihr Fernsehangebot, das IPTV-Angebot | |
„Entertain“, beziehen. | |
Dort gibt es nicht nur die Programme der bekannten Anbieter, sondern auch | |
eigene Spartenangebote: früher beispielsweise die Fußballbundesliga, heute | |
mit Basketball oder Eishockey andere Livesport-Übertragungen. | |
Damit die Telekom diese Programme überhaupt verbreiten darf, greift der | |
Konzern auf eine Hilfskonstruktion zurück. Er selbst ist nur Rechteinhaber | |
und beauftragt das Unternehmen thinXpool mit der Produktion, das damit zum | |
Rundfunkveranstalter wird. Zusätzlich verpflichten sich die Bonner, nicht | |
in die Programmgestaltung einzugreifen. Nach Prüfung von Staatsferne und | |
Gewährleistung der Meinungsvielfalt gaben die zuständigen | |
Regulierungsbehörden ihr Okay. | |
## 40 Prozent aller Breitbandanschlüsse: Telekom | |
In Zeiten der Digitalisierung kommt dem Bonner | |
Telekommunikationsunternehmen, das Marktführer bei Telefon- und | |
Handyanschlüssen ist, eine noch größere Bedeutung zu, wenn es um den | |
Transport von Inhalten geht. | |
Ganz aktuell hat die Telekom zusätzlich ein eigenes Video-on-Demand-Angebot | |
mit zahlreichen US-Serien an den Start gebracht. Bald werden die Bonner | |
außerdem eigene Inhalte produzieren. In diesen Fällen wird allerdings gar | |
nichts mehr geprüft, denn die abrufbaren Filme im Internet gelten nicht als | |
Rundfunk. Und Rundfunk sind in Deutschland nur lineare Angebote. | |
Dabei ist die Telekom nicht nur selbst Anbieter von Filmen und Serien, | |
sondern auch der wichtigste Transporteur der Inhalte. Mehr als 40 Prozent | |
aller Breitbandanschlüsse in Deutschland, über die Filme hauptsächlich | |
abgerufen werden, sind Telekom-Anschlüsse. | |
Zum Vergleich: Wenn eine Sendergruppe über einen Zuschaueranteil von mehr | |
als 30 Prozent verfügt, muss die Kek, die Kommission zur Ermittlung der | |
Konzentration im Medienbereich, tätig werden, um die Meinungsvielfalt zu | |
sichern. Und so beschwert sich der Kek-Vorsitzende Georgios Gounalakis: | |
„Das derzeitige Rundfunkkonzentrationsrecht läuft bei der Beurteilung | |
crossmedialer Sachverhalte weitgehend leer.“ | |
## Veralteter Rundfunkbegriff | |
Heißt: Es ist einfach nicht darauf ausgelegt, Anbieter mit nonlinearen | |
Fernsehinhalten zu kontrollieren. Eine Megafusion von – zum Beispiel – der | |
britischen Vodafone und dem US-Medienunternehmen Liberty, über die zurzeit | |
spekuliert wird, könnte nach aktuellem Stand nicht reguliert werden. Oder | |
auch, wenn etwa Amazon und Netflix ein gemeinsames Videoportal gründeten. | |
Und ebenso die aktuellen und künftigen Aktivitäten der Telekom als | |
Bewegtbildanbieter. | |
„Das ist keine Situation, die man so belassen sollte“, mahnt der | |
Kommunikationswissenschaftler und ehemalige Chef der | |
nordrhein-westfälischen Landesmedienanstalt, Jürgen Brautmeier, „das Recht | |
ist veraltet, der alte Rundfunkbegriff passt nicht mehr und auch von | |
Verbreitungswegen unabhängige, virtuelle Plattformen müssen betrachtet | |
werden.“ | |
Er und andere Experten fordern eine Neufassung des veralteten | |
Rundfunkbegriffs: Nicht die Technologie, über die Inhalte ausgeliefert | |
werden, sondern die Qualität der Inhalte und ihre Relevanz für die | |
Meinungsvielfalt sollen als Maßstab für die Bewertung, was Rundfunk ist und | |
was nicht, gelten. Dass der Staat an einem Telekommunikationskonzern | |
beteiligt ist, macht für Brautmeier keinen Sinn mehr. | |
## Historisches Verständnis | |
Und das nicht nur aus Wettbewerbsgründen, sondern eben auch aus einem | |
historischen Verständnis heraus: „Was wir in anderen Ländern erleben, | |
zeigt, wie schnell sich die politischen Verhältnisse ändern können und wie | |
schnell ein unguter staatlicher Einfluss entstehen kann. Da sollte uns die | |
Geschichte eine Lehre sein.“ | |
Beim Finanzministerium, das für die Anteile des Bundes zuständig ist, heißt | |
es dagegen: „Als Minderheitsaktionär hat der Bund wie alle Aktionäre der | |
Deutschen Telekom AG gemäß dem aktienrechtlichen Kompetenzgefüge keine | |
Einwirkungs- und Kontrollmöglichkeiten auf das operative Geschäft des | |
Unternehmens.“ | |
Das operative Geschäft des Unternehmens und damit auch die inhaltliche | |
Gestaltung von Content-Angeboten liege, so die die Auskunft eines | |
Pressesprechers, in der alleinigen Verantwortung des Vorstandes. Der | |
Vorstand sei gemäß Aktienrecht einzig dem Unternehmensinteresse | |
verpflichtet. Kontrolliert wird der Vorstand allerdings vom Aufsichtsrat, | |
in dem unter anderem Finanzstaatssekretär Johannes Geismann sitzt. | |
Der Medienrechtler und Hochschullehrer Winfried Kluth, der als Gutachter | |
für einen neuen Medienstaatsvertrag im Einsatz war, rät jedenfalls, die | |
Situation genauer ins Auge zu fassen: „Es gibt da eine Menge von | |
Rechtsfragen und man sollte mal schauen, ob hier die Vorgaben, die wir | |
kennen, eingehalten werden. Dass jemand seine Marktmacht über das Genre | |
Unterhaltung ausbaut und dann auch andere Themen bedienen kann, liegt nicht | |
fern.“ | |
Auch bei den gescheiterten Koalitionsverhandlungen war der Ausstieg des | |
Bundes aus der Telekom, der vor allem von der FDP gefordert wird, | |
Verhandlungsthema. Beim Konzern selbst wird das skeptisch gesehen, da nicht | |
klar ist, welche Investoren die Anteile erwerben und ob ohne Beteiligung | |
des Bundes auch die Infrastruktursicherheit gewährleistet ist. | |
19 Dec 2017 | |
## AUTOREN | |
Wilfried Urbe | |
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