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# taz.de -- Neuer Eurogruppen-Vorsitzender: Ein undogmatischer Volkswirt
> Der Portugiese Centeno galt lange als „Anti-Schäuble“. Nun soll er das
> ebenso mächtige wie dogmatische Gremium der Euro-Finanzminister führen.
Bild: Mário Centeno löst Anfang 2018 den Niederländer Jeroen Dijsselbloem ab
Brüssel taz | Es ist eine Entscheidung mit hohem Symbolwert: Zum ersten Mal
hat die Eurogruppe einen Südeuropäer aus einem ehemaligen Krisenland zu
ihrem Präsidenten gewählt. Der 50-jährige Portugiese Mário Centeno soll am
13. Januar den bisherigen Amtsinhaber Jeroen Dijsselbloem an der Spitze des
informellen, aber mächtigen Gremiums ablösen.
Centeno setzte sich gegen drei Mitbewerber durch – darunter auch Luxemburgs
Finanzminister Pierre Gramegna. Auf seine Wahl sollen sich Frankreichs
Staatschef Emmanuel Macron und Bundeskanzlerin Angela Merkel am Rande des
EU-Afrikagipfels Ende letzter Woche in Abidjan geeinigt haben. Auch die
europäischen Sozialdemokraten und die SPD unterstützten den Sozialisten aus
Lissabon.
Dijsselbloem kündigte das Ergebnis bereits vor Beginn der
Eurogruppen-Sitzung an: „Ich bin bis zum 12. Januar Präsident und Mário
Centeno am 13. Januar“, sagte der Niederländer. Da die Abstimmung da noch
gar nicht stattgefunden hatte, ruderte er sofort zurück: „Habe ich Mário
Centeno gesagt? Nun, das weiß ich wirklich nicht. Offenbar ist das in
meinem Kopf. Entschuldigung.“
Die Panne bestätigt Kritiker der Eurogruppe, die seit langem geheime Deals
und intransparente Wahlen bemängeln. Auch diesmal blieb das genaue
Abstimmungsergebnis geheim. Auf Kritik stößt auch, dass der Posten des
Eurogruppenchefs traditionell einem Sozialdemokraten zufällt. Es dürfe
keine Absprachen zwischen den Parteien geben, forderte der Luxemburger
Gramegna, die Liberalen müssten auch eine Chance erhalten. Doch er wurde
nicht erhört.
Mit Centenos Wahl beginnt eine Zeitenwende in der Eurogruppe. Der
undogmatische Volkswirt galt in dem Gremium, in dem neoliberale
Sparpolitiker und nordeuropäische Gläubiger den Ton angeben, lange als
Außenseiter.
## Sozial ausgewogener Kurs
Centeno begann seine Karriere in der portugiesischen Zentralbank und
übernahm erst im November 2015 das Finanzministerium in Lissabon. Dort
wehrte er sich zunächst erfolglos gegen die harten Sparauflagen aus
Brüssel. Später führte er sein Land mit viel Fortüne aus dem Hilfsprogramm
– mit einem sozial ausgewogenen Kurs, der sogar Ex-Finanzminister Wolfgang
Schäuble Respekt abnötigte.
Von Schäuble stammt auch Centenos Spitzname: Er nannte ihn – in Anspielung
auf den berühmten Fußballspieler – den „Ronaldo“ der Finanzminister. In
Brüssel sehen ihn hingegen viele als „Anti-Schäuble“. Denn Centeno machte
immer wieder das Gegenteil von dem, was Schäuble verlangte, um sein Land
aus der Krise zu führen.
„Portugals Erfahrung zeigt, dass es in Europa möglich ist,
Haushaltssanierung und Wachstum unter einen Hut zu bekommen“, sagte
Centeno, als er seine Kandidatur für den Vorsitz der Eurogruppe ankündigte.
Sein Ziel sei es, aus dem Euro „ein Instrument zur Förderung der
wirtschaftlichen und sozialen Annäherung“ zu machen.
Bisher ist dies nicht gelungen, im Gegenteil. Eine kürzlich veröffentlichte
Studie der Europäischen Zentralbank zeigt, dass Nord- und Südeuropa seit
der Einführung der Gemeinschaftswährung auseinander driften. Immerhin
konnte unter Noch-Eurogruppenchef Dijsselbloem ein Auseinanderbrechen der
Währungsunion verhindert werden.
## Finanzhilfe für Griechenland
Doch Griechenland ist weiter von Hilfen abhängig. Ob das Land wie geplant
ab Sommer 2018 wieder auf eigenen Beinen stehen kann, ist offen. Unklar ist
auch, ob der Internationale Währungsfonds weitere Hilfen gewährt. Zu
Centenos ersten Aufgaben wird es gehören, diese Fragen zu klären.
Außerdem dürfte er eine wichtige Rolle beim geplanten Umbau des
Euro-Rettungsfonds ESM zum Europäischen Währungsfonds spielen. Denn der
neue Eurogruppenchef ist zugleich Vorsitzender des Gouverneursrats des ESM.
Auch hier sind Konflikte programmiert – denn Deutschland fordert, den ESM
zu einer Art Finanzaufsicht über alle Euroländer zu machen.
Statt für den sozialen Zusammenhalt zu arbeiten, müßte Centeno dann über
die Einhaltung des Sparkurses wachen.
4 Dec 2017
## AUTOREN
Eric Bonse
## TAGS
Eurogruppe
Jeroen Dijsselbloem
Währungsunion
IWF
Wolfgang Schäuble
Jeroen Dijsselbloem
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