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# taz.de -- Swarovski Kristallwelten in Wattens: „Inder lieben es, wenn es gl…
> Delhi, Paris, Innsbruck, Wattens: Die Kristallwelten mit ihren
> Wunderkammern sind auch für die Klientel aus Indien ein Anziehungspunkt.
Bild: Der wasserspeiende Riese vor den Swarovski Kristallwelten
Vor dem Riesen hat eine Gruppe aus Indien zum Erinnerungsfoto Aufstellung
genommen. Der Riese, das ist das wasserspeiende begrünte Gesicht, unter dem
sich der Eingang zu den Swarovski Kristallwelten in der Tiroler
Marktgemeinde Wattens befindet. Tourguide Gajana Gawade verlangt seinen
Leuten ein „Cheese“-Lächeln ab. Dann verteilt er die Eintrittskarten,
erinnert daran, im Souvenirshop die Mehrwertsteuerbefreiung einzufordern
und vor der Rückkehr, 90 Minuten ist Zeit, die glitzernde Ausstellung zu
besuchen und sich mit Mitbringseln für die Daheimgebliebenen einzudecken.
Kesari World Travel Company in Mumbai bringt jedes Jahr rund 8.000
Touristen nach Europa. Praktisch alle zwischen April und Juni. Das ist die
heiße Monsunzeit in Mumbai, wenn die Kinder schulfrei haben. Die
Kristallwelten sind jedes Mal dabei. Die Nacht verbringt man in Innsbruck.
Zwölf Tage all inclusive kosten rund 2.600 Euro: London, Paris, Innsbruck,
Venedig, Pisa, Florenz, Rom.
Die Gruppe von tamilischen Reisenden aus Chennai hat es eilig. Der Bus
fährt gleich ab. Sie sind aus Interlaken gekommen, morgen geht es von
München aus zurück über Abu Dhabi. Noch vor etwa drei Jahren seien 90
Prozent der indischen Gäste in Gruppen unterwegs gewesen, sagt Christine
Mukharji von der Österreich-Werbung in New Delhi bei einem
Telefoninterview: „Heute sind schon 40 Prozent individuell unterwegs“.
Harishma Krishan aus New Delhi hat für sich, ihren Vater Kawal und ihren
zwölfjährigen Bruder Kartiky über die Thomas-Cook-Agentur eine individuelle
Reise gebucht. Die etwas übergewichtige Telekom-Angestellte hat nur eine
Woche Urlaub. Mehr als Paris und Wattens ist nicht drin. Die Kristallwelten
findet die junge Frau ganz fantastisch. Sie hat den Riesen erstmals in
einem Bollywoodfilm gesehen.
## Kristalline Wunderkammern
„Chal Mere Bhai“ heißt die in Mumbai (früher Bombay, daher „Bollywood)
produzierte Dreiecksgeschichte aus dem Jahr 2000, in der der Star Salman
Khan seine Geliebte vor dem Riesen in Wattens trifft und eine
Gesangseinlage auslöst. Immer wenn es in den indischen Filmen zur Sache
geht, wird eine Tanz- oder Gesangseinlage eingeschoben. Der Film ist für
Indien und Wattens etwa das, was „The Sound of Music“ für die USA und
Salzburg war. Das Interesse an den Kristallwelten aber auf den
Bollywoodschinken zu reduzieren erscheint Christine Mukharji zu kurz
gegriffen. Der Markt werde schon seit 20 Jahren systematisch bearbeitet.
Die Kristallwelten wurden 1995 auf einen Vorschlag von Gernot
Langes-Swarovski von André Heller gestaltet. „Zum 100. Firmenjubiläum
wollte man etwas anderes machen als eine normale Feier“, erinnert sich
Stefan Isser, Geschäftsführer der Kristallwelten. Die Vision sei gewesen,
Industrie, Tourismus und Kunst zu verschmelzen.
Herausgekommen ist eine immer wieder wechselnde Ausstellung von
Installationen namhafter Künstlerinnen und Künstler, die Kristalle in ihre
Arbeiten integrieren, von einer aus 595 Spiegeln zusammengesetzten Kuppel
mit Artefakten aus der Wunderkammer der Renaissancefürsten über einen
kristallenen Märchenwald bis zu gläsernen Quallen, die ständig die Farbe
wechseln.
Man habe mit dem enormen Erfolg nicht gerechnet, gibt Isser zu. Im ersten
Jahr sei fast eine halbe Million Menschen gekommen. Seither haben über zehn
Millionen die Kristallwelten besucht. Die Gesamtzahl der Besucher hat sich
bei rund 700.000 jährlich eingependelt. 200.000 davon kommen aus
Deutschland, dem nach wie vor wichtigsten Markt. Dahinter folgen die
Österreicher und schon an dritter Stelle Gäste aus Indien. Im letzten Jahr
waren es über 70.000. Für dieses Jahr werden 80.000 erwartet.
## Budapest–Wien–Salzburg–Prag
„Die Inder sind von ihrer kulturellen Prägung her interessiert an allem,
was mit Steinen und Glitzern zu tun hat“, weiß Geschäftsführer Isser. Für
die Hotellerie sind die Südasiaten ein Segen, weil sie in der
Zwischensaison die Betten füllen.
Welche Bedeutung die Kristallwelten für die indische Klientel haben, kann
man auf dem Cover des Katalogs der Cox & Kings Group Tours für Europareisen
erkennen. Dort findet sich der Riese von Wattens gleichwertig zwischen Big
Ben, Petersdom und Eiffelturm. So ist es auch nicht erstaunlich, dass mehr
Inder die Kristallwelten besuchen, als in Tirol nächtigen.
Rajesh aus Mumbai ist mit Frau, Tochter und einer befreundeten Familie im
Mietauto unterwegs: Budapest–Wien–Salzburg–Prag. Geschlafen wird in
Salzburg, für das 15 Kilometer entfernte Innsbruck sind nur ein paar
Stunden vorgesehen. Rajesh, der zu Hause eine Gußeisenfabrik besitzt, ist
„very happy“, das gesehen zu haben.
Christine Mukharji rechnet trotzdem damit, dass die indischen Urlauber
Tirol auch abseits von Wattens entdecken. Vor allem junge Leute würden sich
für das Skifahren, Mountain Biking und Wandern begeistern. Vergangenen
Winter sei ein Zuwachs von 20 bis 25 Prozent erzielt worden. Die
Europareise sei nicht mehr das große Erlebnis, das man sich nur einmal im
Leben gönnt, sondern für eine wachsende Mittelschicht in Indien regelmäßig
erschwinglich. Die Gastronomie hat sich inzwischen darauf eingestellt: Die
meisten Restaurants bieten vegetarische und scharf gewürzte Gerichte an.
Die Zeiten, als auf dem Parkplatz vor dem Reisebus gekocht wurde, sind
vorbei.
## Kauffreudige Klientel
Rund um die glitzernden Steine ist ein kleines Imperium entstanden. In der
8.000-Einwohner-Gemeinde Wattens, die vor der Eröffnung der Kristallwelten
im österreichischen Kulturführer keinen Eintrag hatte, ist die
Swarovski-Fabrik der entscheidende Wirtschaftsfaktor. 4.000 Beschäftigte
pendeln täglich aus dem ganzen Inntal herein. Mit der Erweiterung 2015
wurde auch der Garten zur Erlebniswelt mit glitzernden Wolken über einem
Teich und einem Turm, wo Kinder klettern und Trampolin springen können.
Das Restaurant Daniel, benannt nach Dynastiegründer Daniel Swarovski, der
1895 aus Böhmen einwanderte und in Wattens ideale Verkehrswege für seine
Kristalle vorfand, wurde von einem norwegischen Stararchitekten entworfen.
Im Sommer findet unter dem Motto „Indien zu Gast im Riesen“ ein
zweimonatiges Festival statt. Im Gift Shop findet man alles, von
bezahlbaren Ohrringen bis zu Skulpturen für über 20.000 Euro.
Zwar gibt es längst in den indischen Großstädten Swarovski-Läden, doch
bringt man doch gerne etwas Landestypisches mit. Die indischen Besucher, so
eine Verkäuferin, seien überdurchschnittlich kauffreudig. Auch von den
Reisenden, die nach dem 90-minütigen Besuch wieder in den Bus von Gajana
Gawade steigen, tragen viele eine Swarovski-Papiertasche mit einem
Erinnerungsstück – und ein glückliches Lächeln im Gesicht.
12 Dec 2017
## AUTOREN
Ralf Leonhard
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