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# taz.de -- Album von LeRoy Hutsons Soulsongs: Der sweeteste Soulbrother
> In den USA viel gesampelt, in England ein Held des Northern-Soul,
> hierzulande unbekannt: LeRoy Hutson veröffentlicht „Anthology:
> 1972-1984“.
Bild: Weiß, was er tut: Leroy Hutson im Jahr 1974
Auf die Frage, wie denn ein Soulbrother definiert sei, bekam der
schwedische Sozialanthropologe Ulf Hannerz – er interviewte in den späten
Sechzigern und frühen Siebzigern BewohnerInnen von US-Ghettos zu den
Erfahrungswerten der „black experience“ –, oftmals zu hören: „Jemand, …
genau weiß, was er tut.“
Ergründen lässt sich jene Gewissheit in der Musik von LeRoy Hutson. Auf
Initiative des britischen DJs Gilles Peterson ist vor Kurzem eine
Anthologie mit dessen schönsten Soulsongs erschienen.
Man darf sie ruhig auf die berühmte Insel mitnehmen, Hutson braucht nie
mehr als vier Minuten, um in basalen Texten zusammenzufassen, was Menschen
füreinander empfinden, wie sie fürsorglich denken, auch unter widrigsten
Umständen Würde entwickeln, oder noch simpler, sich anlächeln, um den
Alltag erträglich zu gestalten. Ein Song wie „Never Know What You Can Do
(Give It A Try)“ spricht auch dem Mutlosesten Mut zu, indem er motiviert
und gleichermaßen beschwört.
Wer da schmierige Lebenshilfe wittert, vergisst das politische Anliegen,
das in Hutsons songgewordenem schwarzen Selbstbewusstsein steckt: Wo sich
der Sozialstaat teilweise der Verantwortung für die black community
entzogen hatte, appelliert seine Musik umso eindringlicher ans emotionale
Gemeinwohl. Mit einer Falsettstimme, die wärmt wie ein Seidenschal,
Gesangsarrangements, die klarstellen, dass Harmoniesucht positiv konnotiert
ist, kaleidoskopischen Synthesizer-Hooklines und einem straight rudernden
Groove hat das Multitalent seine Songs zum Teil selbst produziert und
eingespielt. „Soothe You – Groove You“ war sein bislang letztes, 2009
erschienenes Soloalbum betitelt. Neun Alben sind in seiner rund 50-jährigen
Karriere erschienen. Ein überschaubares, aber dennoch einflussreiches
Œuvre, gesampelt von unzähligen HipHop- und R&B-KünstlerInnen.
## Magischer Moment
Aufgewachsen in Newark, New Jersey, wurde der 1945 Geborene zu Zeiten der
Doo-Wop-Mode Ende der Fünfziger zum Singen animiert. Aktiv war LeRoy Hutson
als Student an der Howard-Universität in Washington D. C., zunächst im Duo
Sugar & Spice mit der Sängerin Deborah Rollins, dann als Komponist für
Donny Hathaway, seinem Mitbewohner im Wohnheim. Zusammen mit Hathaway
schrieb LeRoy Hutson auch „The Ghetto“, ein Lied, dessen lodernde
Unentschiedenheit zwischen Soul und Jazz 1970 zum Hit wurde. „Wir haben uns
aus dem Fenster gelehnt, und der Straßenverkehr war synchron zur Bewegung
des Songs, ein magischer Moment“, erinnert sich Hutson.
Es ging aufwärts, er zog nach Chicago, wo Hutson 1971 Curtis Mayfield als
Sänger der Impressions ablöste und auf zwei Alben des Trios mitwirkte.
Mayfield nahm ihn für sein Label Curtom unter Vertrag, dort sind zwischen
1973 und 1978 Hutsons fünf beste Soloalben erschienen, darunter mit „Feel
the Spirit“ eine Disco-Hymne der US-Schwulenbewegung. Teilweise arbeitete
Hutson für Mayfield auch als Tourmanager, räumte seinen Platz im
Rampenlicht, blieb hinter den Kulissen aktiv.
Hutson ist ein Solitär, abseits aller Schmiermittel zwischen Drogen und
Gewalt, die sonst so für Skandalgeschichten im Popbiz herhalten. „Es gibt
Situationen, in die ich mich als Komponist hineinversetzen kann, ohne dass
ich sie selbst erleben muss“, hat er in einem Interview gesagt.
Tolle Songs aus jener Zeit wie „Love the Feeling“, „Get To This (You’ll…
To Me)“ und „Cool Out“ sind auf der „Anthology“ enthalten, sie erzeug…
unwiderstehlichen Drive, aber auch Verständnis dafür, wie ein LeRoy Hutson
entwaffnend optimistisch bleibt, gerade in einer Welt, in der es Schönheit
schwer hat. Hutson – und das macht sein Werk besonders – erkennt im Soul
einfach mehr, als nur sich selbst: „Ich glaube, Musik strömt durch mich
hindurch, mehr, als dass sie aus meinem tiefsten Innersten kommt.“
Klarerweise ist es eine Frauenstimme, die am Anfang des Hutson-Songs „Right
or Wrong“ verkündet, sein Interpret sei ein „Sweet Soulbrother“.
23 Nov 2017
## AUTOREN
Julian Weber
## TAGS
Chicago
Soul
Lesestück Meinung und Analyse
Detroit
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