# taz.de -- Sams-Autor Paul Maar wird 80: Jenseits aller Konventionen | |
> Paul Maar feiert Geburtstag. Seine bekannteste Figur, das Sams, bringt | |
> seit über 40 Jahren Anarchie und Optimismus in die Kinderzimmer. | |
Bild: So entsteht es: das Sams | |
Es gibt nicht viele Kinderbücher, die heute noch genauso erfolgreich sind | |
wie vor 40 Jahren. Neben den Klassikern von Astrid Lindgren und Michael | |
Ende gehört dazu ohne Frage auch die „Sams“-Reihe von Paul Maar. Das erste | |
Buch über das laute, freche, rothaarige Wesen, das das langweilige Leben | |
von Herrn Taschenbier durcheinanderbringt, erschien bereits 1973, findet | |
sich aber bis heute in jeder Buchhandlung – neu illustriert, aber | |
inhaltlich unverändert. Den 9. Band brachte der Autor, der heute seinen 80. | |
Geburtstag feiert, in diesem Jahr heraus. 4,7 Millionen „Sams“-Bücher | |
wurden insgesamt verkauft. | |
Dass die Bücher, und zwar vor allem die älteren Bände, über einen so langen | |
Zeitraum so gut ankommen, liegt nicht nur an ihrem zeitlosen Humor – die | |
Wortspiele, Reime und absurden Situationen bringen die heutigen Kinder | |
genauso laut zum Lachen wie einst ihre Eltern. Es ist auch die Botschaft | |
der Bücher, die seit den 70er-Jahren nichts an Aktualität verloren hat. | |
Paul Maar begann mit dem Schreiben, als er seinen eigenen Kindern etwas | |
vorlesen wollte, die damaligen Kinderbücher aber zu konservativ und | |
altmodisch fand. Das Sams ist dazu ein krasser Gegensatz: Als es zum | |
Abschluss einer Woche, in der am Sonntag die Sonne schien und am Freitag | |
frei war, überraschend an einem Samstag bei Herrn Taschenbier auftaucht, | |
stellt praktisch alle Konventionen auf einmal in Frage. | |
Mit Pippi Langstrumpf und Pumuckl hat es nicht nur die roten Haare gemein; | |
ebenso wie diese Stars der Kinderliteratur ist es aufmüpfig und stellt | |
Autoritäten konsequent bloß. Das Sams legt sich mit der herrischen | |
Vermieterin Frau Rotkohl ebenso an wie mit dem strengen Chef Herrn | |
Oberstein oder aufdringlichen Verkäufern und snobistischen Kellnern. In | |
einem späteren Band, in dem Taschenbiers Sohn Martin im Mittelpunkt steht, | |
weist das Sams auch sadistische Lehrer und mobbende Mitschülern an. | |
Zugleich zeigt das Fantasiewesen, dass sich die Welt verändern lässt. Und | |
zwar nicht nur mit seinen blauen Punkten im Gesicht, die jeden noch so | |
abstrusen Wunsch erfüllen, dabei aber manch ungewollte Nebenwirkung haben | |
können, oder mit der damit geschaffenen Wunschmaschine. Sondern auch ganz | |
klassisch: Seine Schüchternheit überwindet Herr Taschenbier allein dadurch, | |
dass das Sams ihm Mut und Selbstvertrauen gibt – natürlich in Reimform: | |
„Will man was ganz stark und fest, geht’s auch ohne Wunschmaschine. Selbst | |
ein Schwein lernt Violine, wenn es nur nicht locker lässt.“ | |
Aus einem angepassten, ängstlichen Spießbürger wird durch das Empowerment | |
des Sams ein Individualist, der merkt, was ihm im Leben wirklich wichtig | |
ist. Auch sein Sohn wächst später erst dann wirklich über sich hinaus, als | |
das Wünschen schief geht und er sich ganz ohne Sams-Hilfe beweisen muss. | |
Die Hauptfigur der Bücher widersetzt sich aber auch selbst allen | |
Konventionen. Das Sams hat kein klares Alter, sondern agiert mal wie ein | |
Kind, dann wieder wie eine Art Erziehungsberechtigter, von dem die | |
unselbständigen und angepassten Erwachsenen viel lernen können. Mit | |
Rüsselnase, Borstenhaaren und Taucheranzug steht es im Gegensatz zu allen | |
gängigen Schönheitsidealen. Und es ist ausdrücklich weder männlich noch | |
weiblich, sondern einfach nur das Sams. Ohne große Agenda, sondern ganz | |
selbstverständlich negiert es damit das Geschlecht als entscheidende | |
Kategorie – und bildet auf diese Weise einen wohltuenden Gegensatz zu den | |
Prinzessinnen und Superhelden, die ansonsten in vielen Kinderzimmern | |
dominieren und Rollenklischees verstärken, statt sie in Frage zu stellen. | |
Der Humor und die Anarchie, die vor allem die ersten vier Bücher | |
durchziehen, strahlen so stark, dass ihnen die Schwächen der späteren Bände | |
ebenso wenig anhaben können wie die teilweise recht klamaukig geratenen | |
Filme. Denn auch das ist eine Botschaft vom Sams: Es muss nicht alles | |
gelingen im Leben, aber ausprobieren darf man alles – egal, was der Rest | |
der Welt darüber denkt. | |
13 Dec 2017 | |
## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
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