# taz.de -- Harz-Investor unter Betrugsverdacht: Schicht im Schacht | |
> Ein kanadisches Unternehmen will angeblich Bodenschätze im Harz schürfen. | |
> Doch die Firma existiert gar nicht mehr – und gegen ihren Ex-Vorstand | |
> gibt es Betrugsvorwürfe | |
Bild: „Mögen sich Erzgänge auftun“ wünscht der Bergmannsgruß. Im Harz t… | |
OSTERODE taz | Osterode und Herzberg, Bad Sachsa und Bad Grund: Die kleinen | |
Städtchen im niedersächsischen Teil des Harzes drohen zu veröden. In ihren | |
Zentren reiht sich ein leeres Haus an das andere. Gaststätten sind mit | |
Rehbockgeweihen und Zinntellern geschmückt, Jägerschnitzel und Wildgerichte | |
stehen auf den Speisekarten, in den Schaufenstern der wenigen noch | |
geöffneten Geschäfte steht kitschiger Nippes. | |
Seit der Wiedervereinigung hat die Region auch mehr als ein Drittel ihrer | |
Besucher verloren. Weil mit dem Tourismus nicht mehr viel zu verdienen ist, | |
ziehen junge Leute weg. Die Älteren haben nicht investiert, weil die | |
Nachfolger nicht mehr da sind. Die Gemeinden suchen nach einem Ausweg aus | |
dieser Abwärtsspirale. | |
Früher war das anders. Bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts war der Harz | |
eine bedeutende Bergbauregion. Mehr als 1.000 Jahre lang förderten | |
Bergleute hier wertvolle Erze. Mit den Erlösen illuminierten vor allem die | |
Fürsten in Hannover und Braunschweig ihre herrschaftlichen Häuser. Nach dem | |
Zweiten Weltkrieg begann der Niedergang, zuletzt waren nur noch einige | |
Bergwerke für Touristen geöffnet. | |
## Investor versprach mehrere Hundert Arbeitsplätze | |
Könnte es ein Revival geben für den Bergbau im Harz? Vor ein paar Monaten | |
schien das plötzlich möglich. Ein kanadischer Investor, hieß es, habe | |
Großes vor: Im Bereich des vor 25 Jahren stillgelegten Bergwerks „Hilfe | |
Gottes“ zwischen Bad Grund und Clausthal-Zellerfeld wollte die „Samarium | |
Tennessine Corporation“ wieder nach Bodenschätzen suchen. Dort werden noch | |
Rohstoffe im Wert von mehr als zwei Milliarden Euro vermutet, unter anderem | |
Silber, Kupfer, Zink und Blei sollen in den noch nicht ausgebeuteten | |
Erzgängen liegen. | |
Die Kanadier sparten nicht mit großen Ankündigungen. 100 Millionen Euro | |
wolle man investieren, und mehrere Hundert Arbeitsplätze schaffen. In der | |
Region träumte mancher schon vom wirtschaftlichen Aufschwung. | |
Im September erteilte das niedersächsische Landesamt für Bergbau, Energie | |
und Geologie (LBEG) dem Unternehmen die sogenannte Aufsuchungserlaubnis: In | |
einem 153 Quadratkilometer großen Gebiet durfte die „Samarium Tennessine | |
Corporation“ Gesteinsproben entnehmen. „Man könnte das auch mit dem | |
Abstecken eines Claims vergleichen“, sagte Behördensprecher Björn Völlmar | |
der taz. | |
Weitere Schritte, etwa den Antrag für einen Betriebsplan, Bohrungen oder | |
sonstige Eingriffe im Gestein, hätten gesondert beantragt werden müssen. | |
Für die Aufsuchungserlaubnis musste das Unternehmen lediglich eine | |
Verwaltungsgebühr von 2.800 Euro berappen. Darüber hinaus hat der | |
Antragsteller dem LBEG zufolge seine „finanzielle Leistungsfähigkeit und | |
technische Kompetenz“ durch Geschäftsberichte und Referenzen glaubhaft | |
gemacht. | |
Drei Monate später steht der Verdacht im Raum, dass sich die Behörden | |
täuschen ließen. Im Oktober benannte sich die „Samarium Tennessine | |
Corporation“ in „Rhenium Technology Corporation um“ – sie war damit üb… | |
Nacht Inhaber der Aufsuchungserlaubnis. Schon damals vermuteten | |
Lokaljournalisten, dass es sich in beiden Fällen wohl nur um Scheinfirmen | |
handele. | |
## Inzwischen stehen Betrugsvorwürfe im Raum | |
Der Verdacht erhärtete sich Ende November, als Betrugsvorwürfe gegen den – | |
inzwischen ehemaligen – Vorstand der „Samarium Tennessine Corporation“ | |
bekannt wurden. Volkmar Guido Hable soll nach Angaben der Finanzaufsicht | |
der kanadischen Provinz British Columbia schon vor Jahren Börsenkurse | |
manipuliert haben, berichtete dieser Tage die Hannoversche Allgemeine | |
Zeitung. Er habe ein falsches Übernahmeangebot für ein Unternehmen | |
veröffentlicht, an dem er selbst Anteile hielt. Danach stiegen die Aktien | |
im Wert, und der gebürtige Österreicher habe seine Anteile mit sattem | |
Gewinn veräußert. | |
Wegen der Kursmanipulationen wurde Hable dem Bericht zufolge dauerhaft vom | |
Börsenhandel ausgeschlossen, in Kanada erhielt er ein lebenslanges | |
Berufsverbot. Außerdem musste er umgerechnet 270.000 Euro Strafe zahlen und | |
105.000 Gewinn rückerstatten, das entschied kanadischen Medien zufolge die | |
Finanzaufsicht in British Columbia . | |
Hat Hable also auch im Harz getrickst? Wollte er von der für ein | |
Taschengeld erworbenen Aufsuchungserlaubnis in Wirklichkeit gar nicht | |
Gebrauch machen, sondern diese mit Hilfe von Briefkastenfirmen nur | |
gewinnbringend weiterverkaufen? Beim LBEG schließt man das zumindest nicht | |
mehr aus. Aktuell gehe die Behörde „Hinweisen aus und in verschiedene | |
Richtungen“ nach, sagt Sprecher Völlmar und betont: Eine Erlaubnis sei zu | |
widerrufen, „wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung | |
hätten führen müssen“. | |
## Prozedere erinnert an gescheitertes Projekt von 2015 | |
Ein Bergbauexperte aus dem Harz, der namentlich nicht genannt werden | |
möchte, glaubt das Drehbuch zu kennen, nach dem Hable seinen Coup zu | |
inszenieren versuchte. Durch Präsenz in den Medien habe er zunächst | |
öffentliche Aufmerksamkeit für sein vermeintliches Vorhaben geschaffen – so | |
hatte auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) Bad Grund | |
und das Bergwerk „Hilfe Gottes“ besucht, um sich über das vermeintliche | |
Vorhaben zu informieren. | |
Hable habe seine „Samarium Tennessine Corporation“ als finanzstarkes | |
Unternehmen angepriesen. Mit millionenschweren Investitionsversprechen, | |
gleichzeitig aber minimalem eigenem Kapitalaufwand, sei er an die | |
Aufsuchungserlaubnis gelangt, um dann die Genehmigung mit bereits | |
vorhandenen Daten über frühere Fördermengen und angeblichen Resterzmengen | |
„aufzuhübschen“ und schließlich mit viel Gewinn weiterzuverkaufen. | |
Ein Vorgehen, das an das gescheiterte Bergbauprojekt im österreichischen | |
Bad Bleiberg im Jahr 2015 erinnert. Dort hatte eine Hable-Firma ebenfalls | |
die erworbenen Schürfrechte weiterverkauft. Das zwischenzeitlich aufgelöste | |
Unternehmen hatte angeblich in die Wiederöffnung des örtlichen Bergwerks | |
150 Millionen Euro investieren und 150 Arbeitsplatze schaffen wollen – von | |
diesen Segnungen ist in dem Ort in Kärnten längst keine Rede mehr. | |
Hable selbst hat sich in jüngster Zeit rar gemacht. In seinem letzten | |
Twitter-Tweet, datiert vom 6. Mai, schreibt er: „Ich bin ein erfahrener | |
Experte in meinem Bereich.“ | |
13 Dec 2017 | |
## AUTOREN | |
Reimar Paul | |
## TAGS | |
Harz | |
Bergbau | |
Briefkastenfirmen | |
Arbeitsplätze | |
Skitourismus | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Schneekanonen im Harz: Kunstschnee trotzt dem Klimawandel | |
Gemeinden im Harz rüsten für Millionenbeträge ihre Skigebiete auf. | |
Umweltschützer beklagen Naturzerstörung. | |
Die Bevölkerung wandert ab: Kampf um die 20.000 | |
Kein niedersächsischer Landkreis verliert jedes Jahr so viele Einwohner wie | |
Osterode am Harz. In der Stadt werden die Folgen jetzt schon sichtbar. | |
Inklusion und Tourismus im Harz: Minigolf mit Klingelball | |
Mitten im Harz steht eine deutschlandweit einzigartige Minigolfanlage. | |
Nicht nur die Bahnen sind besonders, sondern auch das Konzept, denn vor | |
diesen Bahnen sind alle gleich - egal, ob sie eine Behinderung haben oder | |
nicht |