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# taz.de -- ZDF-Doku „Der große Zampano“: Ich und Leo Kirch
> Der Autor Michael Jürgs zeigt in einer Doku den Aufstieg und den rasanten
> Absturz des Medienzaren Leo Kirch – und ganz viel sich selbst.
Bild: „Film ist ihm eine liebe Ware, aber keine wahre Liebe“, heißt es in …
Rebstöcke links, Rebstöcke rechts, dazwischen wandelt: Michael Jürgs. Das
soll wohl bildlich ausdrücken, dass er die fränkischen Wurzeln Leo Kirchs
erwandert und erspürt. Damit das aber auch jede und jeder kapiert, hat
Jürgs noch einen Off-Text drübergelegt, gesprochen von ihm selbst:
„Unterwegs zu den Wurzeln Leo Kirchs: eine Kindheit zwischen Weinbergen und
Weihrauch.“ Und um ganz sicherzugehen, wird noch eine Texttafel
eingeblendet: „Kapitel 1: Die fränkischen Wurzeln.“
Wir sehen den Günter-Grass- und Axel-Springer-Biografen Michael Jürgs auch
noch in weiteren Rollen: Bei Gegenschnitten in Interviews, mal belustigt
lächelnd (auch wenn das Gesagte des Gegenübers gar nicht zum Lachen ist),
mal die Augen aufreißend, als hätte er gerade eine Gabel verschluckt und
könne nicht glauben, was er da hört (auch wenn das Gesagte gar nicht so
spektakulär ist), und mal wissend nickend (das soll wohl bedeuten, dass er
verstanden hat). Außerdem läuft er noch durch eine Gasse in Franken und
bestaunt den Altar in der Kirche, in der Kirchs Trauergottesdienst
stattgefunden hat.
„Der große Zampano“ heißt die Doku, die Jürgs mit Berthold Baule über L…
Kirch gedreht hat: benannt nach dem Film „La Strada“ mit Anthony Quinn, mit
dem Kirchs Aufstieg als Filmhändler begann. „Ich und Leo Kirch“ wäre der
passendere Titel gewesen.
Allerdings ist das Sujet, die Figur Leo Kirch, gut gewählt; ist dessen
Leben doch tatsächlich filmreif: Kirch hat eine Unternehmerbiografie, wie
man sie in Deutschland nur selten findet – ohne goldenen Vorkriegslöffel,
dafür aber mit großem Gespür fürs Geschäft und Mut zu hohem Risiko. Sein
schneller Aufstieg, die Tricks, die Männerbünde, das Operieren im
Verdeckten, die Milliarden, Premiere, Sat.1, Sportrechte, das immer höhere
Risiko, die Schulden und der Absturz, der bis heute mythenumwoben ist – und
stark nach fauligem Sumpf mieft.
## Neun Herren, keine Frau
Die Doku zeigt all das. Teilweise in schöner Comic-Optik. Das wohl auch aus
Ermangelung an Bildern aus den Aufstiegsjahren des medienscheuen Leo Kirch.
Der ZDF-Film beleuchtet auch die Rolle ebenjenes ZDF, das sich über Jahre
in größte Abhängigkeit vom Film- und Serienhändler Kirch begeben hat.
Neun Herren – Harald Schmidt, Mathias Döpfner, Bodo Scriba, Dieter Stolte,
Thomas Haffa, Helmut Thoma, Edmund Stoiber, Bodo Hombach, Jobst Plog –
kommen zu Wort.
Dazu tritt Klaus Ott von der Süddeutschen Zeitung als kritischer Beobachter
auf. Jürgs, das muss man ihm lassen, hat sie alle vor die Kamera bekommen.
Alle wollen noch mal über damals reden, als Männer noch in Wirtshäusern
über Millionen und Milliarden verhandelten – und Frauen keine Rolle
spielten. Auch das spiegelt die Doku – nennen wir es mal – gekonnt wider:
Es kommt schlicht keine Frau vor.
## Als die Medienwelt noch übersichtlich war
Und so ist „Der große Zampano“ eine Zeitreise: Jürgs nimmt einen an die
Hand und präsentiert eine untergegangene Medienwelt. Eine Welt mit
verrückten Weihnachtsfeiern, auf denen Harald Schmidt „Lasst uns froh und
munter sein“ auf dem Klavier spielt, mit Hinterzimmerdeals, mit Verlegern,
die noch mächtige Gegenspieler sind, mit Fernsehsendern, der noch ganz
große Nummern sind, mit einem Leo Kirch, der auf seinem Privatsender Sat.1
völlig ungeniert Wahlkampf für seinen Freund Helmut Kohl macht. In der Doku
heißt das dann, dass „Kohl-freundliche Journalisten … Kohl-freundliche
Fragen“ stellen. Im Bild: Helmut Markwort vom Focus.
Zusammengefasst: „Er war reich und er war mächtig, er war Kohls bester
Freund und insgeheim Springers Kontrahent. Er wurde bewundert als genialer
Filmhändler und gefürchtet als eiskalter Medienmogul. Und am Ende stand er
fast erblindet auf den Trümmern seines Reiches.“
Das raunt Michael Jürgs gleich zu Beginn der Doku aus dem Off. Klingt wie
eine Zusammenfassung der Diplomarbeit, damit die Professorin oder deren
Mitarbeiter nicht auch noch die kommenden 100 Seiten lesen müssen. Dabei
lohnt sich das, was da noch kommt: eine Reise in eine Zeit ohne Facebook
und Google und Instagram. Eine Zeit, die einen nicht überfordert. Genau wie
diese Doku. Eine Privatfernseh-Popcorn-Doku – im ZDF und im besten Sinne.
12 Dec 2017
## AUTOREN
Jürn Kruse
## TAGS
Leo Kirch
ZDF
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Schwerpunkt Zeitungskrise
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