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# taz.de -- Rivalität zwischen Saudi-Arabien und Iran: Neue Front im Libanon
> Libanons Premier Hariri ist verschwunden. Steckt Saudi-Arabiens Konflikt
> mit dem Iran dahinter? Der Skandal hat enormes Eskalationspotenzial.
Bild: Seitdem zurückgetreten und abgetaucht: Libanons Ministerpräsident Harir…
Der ohnehin schon krisengebeutelte Nahe und Mittlere Osten ist dieser Tage
um einen Konflikt reicher geworden, der im Libanon ausgetragen wird. Dieser
hat weniger mit den Wirrungen libanesischer Politik und dem Geflecht aus
Religionsgruppen und Familienclans zu tun, das dort schon einmal zu einem
14jährigen Bürgerkrieg geführt hat.
Vielmehr ist der Libanon neuer Austragungsort der regionalen Rivalität
zwischen Saudi-Arabien und dem Iran, die in den vergangenen Tagen einen
neuen Höhepunkt erreicht hat. Die beiden Kontrahenten sind der saudische
Kronprinz Muhammad Bin Salman, kurz MBS genannt, und die vom Iran gelenkte
schiitische libanesische Hisbollah mit ihrem Chef Hassan Nasrallah.
Auslöser war der Rücktritt des libanesischen Premiers Saad Hariri, den er
kurioserweise in Saudi Arabien verkündete, wo er seitdem abgetaucht ist.
Nun wird viel spekuliert. Ist Hariri nach Saudi Arabien geflohen, weil er,
wie er bei seinem Rücktritt selbst erklärt hatte, Angst vor einem
Mordkomplott der Hisbollah hatte? Oder wurde er in Saudi Arabien unter
Hausarrest gestellt und aus dem Verkehr gezogen, weil er zu wenig auf
Konfrontationskurs mit seinem Regierungspartner Hisbollah gegangen war?
Festzuhalten ist, dass seitdem ein Krieg der Worte zwischen Saudi Arabien
und Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah ausgebrochen ist. Nasrallah wirft Saudi
Arabien vor, der Hisbollah den Krieg erklärt zu haben.
Der Konflikt hat ein enormes Eskalationspotential. Aber noch ist unklar,
wohin das Säbelrasseln führen wird. Grundsätzlich hat der saudische
Kronprinz MBS zwei Optionen. Ähnlich wie im Syrien-Krieg kann er versuchen,
auch im Libanon einen Stellvertreterkrieg vom Zaun zu brechen. Dafür müsste
er aber einen lokalen Partner finden, der im saudischen Auftrag handelt.
Bisher drängelt sich im Libanon niemand vor.
## Die saudische Politik gegen Iran ist bisher gescheitert
Der Kronprinz könnte auch versuchen, die Front im Libanon zu
internationalisieren. Im Angebot stehen Israel mit seinen vielen offenen
Rechnungen gegenüber der Hisbollah sowie US-Präsident Donald Trump, der
bisher wort- und twittermächtig die Anti-Iran-Politik von Saudi Arabien
unterstützt. Beide halten sich im Moment aber eher im Hintergrund.
Dass Saudi-Arabien gerade jetzt im Libanon Öl ins Feuer gießt, hat
sicherlich mit einem gewissen Frust zu tun. Denn die Politik Saudi-Arabiens
mit ihrer obersten Prämisse, den iranischen Einfluss einzudämmen, ist
bisher gescheitert. Im Jemen hat sich Saudi-Arabien in einen
Stellvertreterkrieg gegen den iranischen Einfluss ziehen lassen, der
Saudi-Arabien viel, den Iran aber wenig kostet. Auch an der zweiten Front
kommt MBS nicht weiter. Er hat es nicht geschafft, seinen kleinen
Golfnachbarn Katar, wegen dessen Kontakte zum Iran in die Knie zu zwingen.
Und an der dritten Front, in Syrien, hat MBS bereits verloren, bevor er
sein Amt antrat. Die ursprüngliche saudische Idee, den syrischen Diktator
Baschar Assad zu stürzen und mit einer Alternative aufzuwarten, die von
Saudi-Arabien kontrolliert wird, kann getrost als gescheitert
betrachtetwerden.
Dementsprechend zeichnet sich ein regionales Bild ab, dass so etwas wie der
saudische Albtraum sein dürfte. Die iranische Einflusszone reicht heute von
Teheran bis ans Mittelmeer. Im Irak bestimmen allmächtige schiitsche
Milizen die Szene. Die Zentralregierung in Bagdad ist ebenso schiitisch
dominiert wie die schiitisch offiziellen Sicherheitskräfte. In alldem hat
der Iran seine Finger drin. Im benachbarten Syrien hängt Assad am
iranischen Tropf.
## Der Iran kontrolliert schiitische Milizen in der Region
Denn es sind die vom Iran kontrollierten schiitische Milizen und die
Hisbollah, die das wichtigstes militärisches Rückgrat des Regimes in
Damaskus darstellen. Ohne sie hätte Assad niemals weite Teile des Landes
von den syrischen Rebellen und von dem „Islamischen Staat“ (IS)
zurückerobern können. Jeder militärische Sieg Assads ist damit auch
automatisch eine Stärkung des iranischen Einflusses in Syrien. Und mit der
Hisbollah besitzt Teheran den militärisch potentesten Player im Libanon,
der dort auch Mitglied in der Regierung ist.
Zunehmend in seiner Nachbarschaft vom Iran in die Ecke gedrängt, tritt
Saudi-Arabien nun die Flucht nach vorne an. Weil MBS sich aus dem Krieg mit
dem Jemen nicht mehr zurückziehen kann, weil er in Katar nicht weiter
kommt, weil für ihn in Syrien derzeit nichts mehr zu holen ist und weil der
Irak verloren ist, eröffnet der saudische Kronprinz eine neue Front mit der
Hisbollah im Libanon.
Derweil ist noch nicht einmal klar, wie es in Saudi Arabien selbst
weitergehen wird. Dort versucht der Kronprinz seine Macht gegen die
internen wirtschaftlichen und politischen Fürstentümer der anderen Prinzen
zu zentralisieren. Der Ausgang ist offen. Der Nahe Osten war schon immer
ein Pulverfass. Aber in den letzten Jahrzehnten war er nie so unberechenbar
wie heute.
12 Nov 2017
## AUTOREN
Karim El-Gawhary
## TAGS
Libanon
Saudi-Arabien
Schwerpunkt Iran
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Mohammed bin Salman
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