Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ausstellung zu Dealern in Berlin: Drogenhändler im Museum
> In Berlin-Kreuzberg eröffnet eine Ausstellung über Dealer im Görlitzer
> Park. Bereits im Vorfeld gab es Streit. Wird Drogenhandel in der Schau
> glorifiziert?
Bild: Fotos von Herkunftsorten der Dealer sollen dem Besucher eine neue Perspek…
Beim Betreten der Ausstellungsfläche fällt der Blick unmittelbar auf die im
Raum verteilten braunen Pappfiguren, die silhouettenhaft menschliche Körper
darstellen. Linker Hand reihen sich Aufsteller aneinander, übersät mit
Ausdrucken zahlreicher Zeitungsartikel. Bei Betrachtung dieser wird
deutlich, was es mit der Ausstellung auf sich hat: Alle Artikel
beschäftigen sich mit dem wohl berüchtigtsten Drogenumschlagplatz Berlins –
dem Görlitzer Park in Kreuzberg. Ideologisch und moralisch hart umkämpft,
beherrscht er seit einigen Jahren die Schlagzeilen nicht nur der
Hauptstadtpresse.
Die am Dienstag, den 21.11.2017, eröffnende Ausstellung des
amerikanisch-französischen Künstlers Scott Holmquist, „Andere Heimaten –
Herkunft und Migrationsrouten von Drogenverkäufern in Berliner Parks“, hat
sich zum Ziel gesetzt, dem kontroversen Thema einen anderen Blickwinkel
beizufügen – und eckte damit bereits vor ihrer Eröffnung an. Ein
Ankündigungstext des Museums sorgte für Aufruhr.
Vor dem Hintergrund der ewigen Widersprüche der hiesigen Drogenpolitik und
der vielfältigen Widerstände würden die „Drogenverkäufer unerschrocken und
tapfer im öffentlichen Raum“ arbeiten, heißt es darin. Ende Oktober, als
der Künstler noch mitten in den Vorbereitungen stecke, meldete die Bild
gewohnt reißerisch: „Das gibt’s nur in Berlin: Museum feiert Drogendealer�…
Der CDU-Politiker Burkhard Dregger, innenpolitischer Sprecher der Fraktion
im Abgeordnetenhaus, geißelte die Ausstellung – natürlich ungesehen – im
selben Artikel als „Ausdruck vollkommener Verkommenheit“.
Und es ging weiter: Anfang November thematisierte auch die CDU-Fraktion in
der Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg die Ausstellung.
Da das Museum Kreuzberg eine bezirkseigene Fläche ist, forderte sie die
komplette Absage der Ausstellung. Zwar wurde der Antrag abgelehnt, dennoch
sprang auch die AfD in der hitzigen Debatte auf den Empörungszug auf.
## Der Dealer – eine gesamtgesellschaftliche Hassfigur?
Bisher sei es inhaltlich kaum um die Ausstellung an sich gegangen, bedauert
deshalb Stéphane Bauer, Leiter des Fachbereichs Kultur des Bezirks, bei der
Pressekonferenz wenige Tage vor der Ausstellungseröffnung. Weil eine
Vielzahl von Presseanfragen das Museum erreichten und um „Druck vom Kessel
der Springer-Presse zu nehmen“, habe man entschieden, vorab diesen
Pressetermin anzusetzen.
In der nicht abreißenden Diskussion über den Görli sei oftmals nur noch von
den „dealenden Afrikanern“ zu lesen, so Bauer weiter – sie seien zu einer
gesamtgesellschaftlichen Hassfigur avanciert. Die Macher der Ausstellung,
der in Berlin lebende Künstler Scott Holmquist und sein Büro, erkennen
darin – so erklärt es der umstrittene Text – postkoloniale Abstraktionen,
die sich in rassistischen Zugschreibungen und Anfeindungen manifestieren
würden.
Ein krasses Beispiel gefällig? Unter den zahlreichen ausgestellten
Zeitungsartikeln, insgesamt sind es 400, die sieben Aktenordner füllen,
findet sich ein Bericht einer rechtspopulistischen Internetseite mit der
Überschrift „Der N* in seiner natürlichen Umgebung: dem Görlitzer Park“.
Holmquist erklärt den kritisierten Satz, der aus einem von ihm verfassten
Text stammt, nur undeutlich: Drogenverkäufer verkörperten für ihn eine
gesellschaftliche Funktion. „Es kommt darauf an, wie die Gesellschaft mit
ihnen interagiert.“
Als sich der Konflikt um den Görli im Jahr 2015 zuspitzte, begann Holmquist
hier und in der ebenfalls als Dealerparadies verschrienen Hasenheide
Interviews zu führen. Knapp 160 Menschen, die offensichtlich Drogen
verkauften, sprach er, oft in Begleitung des gambischen Journalisten und
Flüchtlingsaktivisten Moro Yapha, an. Viele seien auf Distanz gegangen,
dennoch entstanden letztlich viele Interviews.
## Die andere Seite der Silhouette
So wuchs das Konzept der buchstäblich im Zentrum der Ausstellung stehenden
Pappfiguren, die jeweils anonymisiert die Geschichte eines jener Menschen
erzählen, die hier in Berlin nur noch als Drogenverkäufer wahrgenommen
werden. Informationen über die Herkunftsorte sollen die materiellen
Gegebenheiten ihrer Herkunftsländer veranschaulichen. Ein drittes Element
der Ausstellung bildet ein simuliertes Reiseportal, in dem Besucher
nachvollziehen können, wie bequem sich die umgekehrte Migrationsroute für
Europäer darstellt – oftmals per Direktflug, höchstens mit Umstieg in
Paris.
Geht man um die Silhouetten herum, die einem bei Betreten des Raumes eine
leere Fläche präsentieren, und zeigt damit Interesse für die andere Seite
der anonymen Person – so fallen zuerst bunte Fotos ins Auge. Sie zeigen
Straßenszenen aus afrikanischen Städten und Dörfern sowie
Satellitenaufnahmen der Ortschaften.Ein in der Herkunftssprache des
Interviewten verfasster Text beschreibt das Abgebildete, auf dem Boden
liegen Übersetzungen bereit, die vom Besucher mitgenommen werden können.
Ebenfalls auf jeder Ausstellungstafel abgebildet ist eine Karte, welche die
Migrationsroute der Person nachzeichnet. Auch hier spielt Holmquist mit der
von ihm beabsichtigten Perspektivverschiebung und überrascht so den
Betrachter: Anstatt von Süd nach Nord verläuft die Route hier von West nach
Ost – die Karten wurden schlicht um 90° gekippt. Weil die Ausstellung schon
jetzt ein Politikum ist, ist beim vorgeschobenen Pressetermin auch die
Politik vor Ort.
## „Kunst lebt von Freiheit. Sie soll provozieren.“
Die grüne Kulturstadträtin Clara Herrmann stellt gleich zu Beginn klar, es
gehe in der Ausstellung „weder um die Glorifizierung von Drogen noch ihres
Verkaufs“. Sie stärkt dem Konzept der Ausstellung demonstrativ den Rücken:
„Der Bezirk braucht Kunst, die sich Themen annimmt, die den Kiez bewegen
und zum Nachdenken anregen. Kunst lebt von Freiheit, sie soll provozieren
und manchmal auch irritieren.“
Während die Ausstellung den in ihrem Titel erhobenen Ansprüchen nur bedingt
gerecht wird, hat sie dieses künstlerische Ziel bereits erreicht: Sie
irritiert, sie provoziert – nicht nur Politiker, auch vielen Journalisten
ging es beim Pressetermin erneut einzig und allein um diesen einen, so
hochgehängten Satz der „unerschrockenen und tapferen“ Dealer.
Wenn die Ausstellung am Dienstag, den 21.11.2017, Eröffnung feiert,
verbreitert sie gleichzeitig auch den diskursiven Raum rund um das Thema
Drogenverkauf im und um den Görlitzer Park. Grau bleibt sie hingegen, da
der Besucher nur sehr wenig über die anonymisierten Dealer erfährt. Das mag
an einem Berufsrisiko ihrerseits und der vorauseilenden Vorsicht des
Künstlers liegen, nicht allzu tief in ihre Privatsphäre einzudringen.
Dennoch weckt der Titel größere Erwartungen, mehr über sie als Personen zu
erfahren.
21 Nov 2017
## AUTOREN
Raphael Piotrowski
## TAGS
Görlitzer Park
Friedrichshain-Kreuzberg
Drogenpolitik
Drogendealer
Schwerpunkt 1. Mai in Berlin
Görlitzer Park
Görlitzer Park
Polizei Berlin
Görlitzer Park
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
Görlitzer Park
## ARTIKEL ZUM THEMA
1. Mai in Berlin: „Wir wollen den Park schützen“
Wird der 1. Mai in Kreuzberg mit dem Parkfest MaiGörli endgültig eingehegt?
Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann widerspricht.
Görlitzer Park Berlin: Erfolgsstory mit Mängeln
Unterwegs mit den Parkläufern im Görlitzer Park: Seit einem Jahr ist
Parkmanager Cengiz Demirci nun schon im Amt. Was hat das gebracht? Eine
Bilanz.
Kinderbauernhof Kreuzberg: Görli-Pute geklaut
Der Görlitzer Park sorgte schon für viele Überraschungen. Jetzt ist eine
Pute vom Kinderbauernhof geklaut worden. Polizei hilft Kindern beim Suchen.
Rassistische Profilierung: Gegen die Willkür der Polizei
Antirassistische Organisationen starten Kampagne gegen Racial Profiling.
Rot-Rot-Grün habe das Problem zwar erkannt, tue aber nicht genug.
Zukunft des Görlitzer Parks in Berlin: Kommt Zeit, kommt Rat
Ein Parkrat aus Anwohner*innen und Initativen soll die Zukunft des
Görlitzer Parks mitgestalten. Am Montag fand ein erstes – reichlich
chaotisches – Treffen statt.
Drogenpolitik in Berlin: Görli wieder grasgrün
Die Nulltoleranzzone im Görlitzer Park wird wieder aufgehoben. Polizei und
Staatsanwaltschaft setzen weiter auf konzertierte Aktionen.
Vorfall im Görlitzer Park in Berlin: Schuss im Görli
Ein Polizist verletzt einen Mann mit der Waffe. Der Senat gibt zu:
Situation vor Ort trotz Null-Toleranz-Zone für Drogen „nahezu unverändert�…
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.