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# taz.de -- Berliner Eisbären auf Erfolgskurs: Der Preis des Kommerzes
> Die Eisbären vorm Heimspiel gegen Ingolstadt am Freitag: Gute Stimmung,
> weniger Nazis, hohe Ziele – und leise Kritik an den amerikanischen
> Verhältnissen.
Bild: Gute Stimmung im Eisbären-Fanblock!
Die Fahnen werden noch ein paar Spielzeiten halten, hoffen sie. Eishockey
ist ja nicht Fußball, kein Regen in der Arena. Kalte Luft zieht vom
Spielfeld nach oben. Die Eisbären spielen zu Hause gegen die Straubing
Tigers, und die Stehtribüne berauscht sich an ihrem Eigenleben: Fahne hoch,
Fahne runter, Gesang, irgendwas ist immer.
Vorne gewinnen holprig die Eisbären. „Wir gehören auf jeden Fall zu den
Kandidaten für die Meisterschaft“, sagt der „General“, der auf der Trib�…
in der ersten Reihe steht. Obwohl, ihm selbst sei der Titel eigentlich
egal. „Hauptsache, die Mannschaft kämpft.“
Der „General“, der eher nach nettem Sozialarbeiter aussieht, ist an jenem
Freitagabend Vorsänger von Black Corner 2007, einer der wichtigsten
Fangruppen der Eisbären, und er ist zufrieden. Die Eisbären ackern sich zu
einem 2:1-Sieg über Straubing, in der Kurve ist man gut gelaunt. Der Block
singt auf die Melodie von „Kling Glöckchen“ den Klassiker „Straubing wer…
Meister, glauben nur die Geister“ – an die eigene Meisterschaft glauben die
Fans jetzt stärker.
Einiges hat sich verändert bei den Eisbären in den letzten Jahren – kurz
vielleicht: weniger Nazis, mehr Hipster – trotzdem fühlt es sich ein wenig
nach alten Zeiten an. Alten Erfolgszeiten. Vor dem Heimspiel am heutigen
Freitag gegen Ingolstadt stehen die Berliner aussichtsreich als
Tabellendritter da. Neuzugang Sean Backman ist Top-Torschütze der Liga, ein
Umbruch mit sieben namhaften Neuen sehr problemlos gelungen, man ist wieder
wer.
„Wenn wir jetzt nicht die Meisterschaft im Visier hätten, wäre das als
Berliner Team mit unserer Geschichte und unserem Anspruch komplett falsch“,
sagt Vereinssprecher Daniel Goldstein. Nach dem Viertelfinale im vorletzten
und dem Halbfinale im letzten Jahr sind die Träume größer geworden. Und
müssen es wohl. Nicht zuletzt wünscht das auch die Anschutz Entertainment
Group (AEG).
Seit 1999 gehören die Eisbären zu der Gruppe, die unter anderem einen
Anteil am NHL-Klub Los Angeles Kings besitzt, außerdem an diversen Fußball-
und Basketballteams. Eine finanzielle Abhängigkeit, im Guten wie im
Schlechten: Die deutschen Hamburg Freezers, bei denen die AEG Eigentümer
der Betriebsgesellschaft war, wurden 2016 aufgelöst.
„Im Eishockey machen viele Klubs ein Minus, das von Mäzenen ausgeglichen
wird“, sagt Eisbären-Sprecher Daniel Goldstein. „Eishockey ist ein
schwieriger Sport, weil die Aufwendungen groß sind.“ Große Mannschaften,
Schläger, Schlittschuhe, Material: Die Kosten seien höher als bei
vergleichbaren Randsportarten. Die Eisbären haben offenkundig das Glück,
dass man sich bei der AEG mehr von ihnen erhofft als von den unglücklichen
Freezers, Chef Philip Anschutz gilt als Fan. Zufrieden war das Unternehmen
zuletzt aber nicht, nun werden Titel eingefordert.
2017 hat die AEG offiziell die Organisationen ihrer Eishockey-Klubs
verschmelzen lassen. Konkret bedeutet das: Die Eisbären übermitteln ihre
Lageberichte jetzt an die LA Kings, nicht mehr an die AEG-Zentrale. „Es ist
anders, wenn man mit jemandem redet, der einen Klub führt, als mit Leuten
aus der Entertainmentbranche“, sagt Goldstein. „Wir kriegen viel bessere
Ideen und Hilfestellung.“ Und außerdem offenbar ein dickeres Portemonnaie.
Sieben Neuverpflichtungen wären sonst kaum denkbar gewesen. Zusätzlich
wurde der Betreuerstab vergrößert. „Sportlich haben wir uns noch einmal
professionalisiert“, sagt Goldstein.
Nachdem Cheftrainer Uwe Krupp in der vergangenen Saison zwischenzeitlich in
die Kritik geraten war, sind die Aufgaben jetzt breiter verteilt. Und L.A.-
Kings-Präsident Luc Robitaille ist seit Februar 2017 gleichzeitig
Aufsichtsratsvorsitzender der Eisbären.
Die neue, alte Abhängigkeit von den Amerikanern aber hat in der Stehkurve
nicht nur Freunde. „Es ist ein extrem zweischneidiges Schwert“, findet der
„General“. „Der Professionalität tut so etwas immer gut. Andererseits ni…
es Spielraum in vereinspolitischen und fantechnischen Dingen. AEG kann als
amerikanisches Unternehmen nicht immer nachvollziehen, was hier passiert.
Der Klub sollte immer seiner Identität treu bleiben und darf sich nicht zu
sehr fremd bestimmen lassen.“
Die Macht von Unternehmen ist im Eishockey wegen der Finanzierungsprobleme
traditionell wesentlich stärker akzeptiert. Hier ist man froh, überhaupt
Mittel zu bekommen, die Kommerzdiskussion im Fußball wirkt da manchmal wie
ein Luxusproblem. „Die Kommerzialisierung ist leider im Eishockey
notwendig, um den Sport am Leben zu halten“, räumt auch der „General“ ei…
Stumm wollen die Fans trotzdem nicht sein. „In den USA ist Sport vor allem
Entertainment“, so der Vorsänger. „Hier in Deutschland gibt es Fans mit
Stimme, es ist ein kultureller Unterschied.“
Bei den Eisbären zeigte sich das zuletzt, wie auch bei vielen anderen Klubs
dre Deutschen Eishockey Liga (DEL), in den Protesten gegen die
Donnerstagsspiele. Das deutsche Eishockey will präsenter werden. Ein
Anbieter zeigt jetzt die DEL-Spiele live, fordert dafür allerdings eine
noch größere Zerstückelung des Spieltags. Es gibt diese Saison also fünf
verschiedene Slots, am Donnerstag, am Freitag und am Sonntag.
Vor allem der Donnerstag provozierte jüngst eine Protestwelle: „Die
Eisbären fahren viel auswärts, das ist dann schwierig“, sagt der „General…
„Und es wird langfristig die Fankultur zerstört, weil die jungen Fans und
die Familien nicht kommen können. Die finanziellen Einnahmen fehlen dem
Verein.“
Eisbären-Sprecher Daniel Goldstein räumt ein, dass man von Ligaseite
durchaus von der Heftigkeit der Proteste überrascht war. Aus Klubsicht sagt
er: „Wir können verstehen, dass der Donnerstag ein schwieriger Termin ist.
Aber wir hoffen, die Bühne für das Eishockey größer zu machen. Wir wollen
mehr Zuschauer und Sponsoren gewinnen.“
In den letzten fünf Jahren sei das bei vielen Fan-Gesprächen genau der
große Wunsch gewesen: Man müsse mehr im Fernsehen vorkommen. Die Klubs
kämpfen mit dem Spagat. „Es ist immer die Frage, zu welchem Preis
Kommerzialisierung geht“, sagt der „General“. Eine Frage, die die Fans und
Eisbären auch in Zukunft beschäftigen wird. Aber immerhin dann vielleicht
als Meister.
16 Nov 2017
## AUTOREN
Alina Schwermer
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