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# taz.de -- Kreisgebietsreform Brandenburg: Streit im Kreissaal
> Brandenburgs Ministerpräsident übernimmt Verantwortung fürs Scheitern
> seiner Gebietsreform, sieht die Schuld aber bei der CDU.
Bild: Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke am 15. November bei seiner…
Es ist 10.03 Uhr, als Landtagspräsidentin Barbara Stark verkündet, der
Gesetzentwurf zur Kreisgebietsreform sei „durch die Urheber zurückgezogen
worden“. Es ist der Beginn der Plenarsitzung, in der der maßgebliche
Urheber, Ministerpräsident Dietmar Woidke (beide SPD), seine bisher größte
politische Niederlage erklären will, muss, soll. Eine Regierungserklärung
hatte er angekündigt, nachdem er die Kreisreform vor zwei Wochen kippte.
Das Setting im von roten Sesseln und weißen Tischen geprägten Landtagssaal
ist um einiges würdiger als damals an einem grauen Mittwochmorgen. Da hatte
Woidke auf einem Parkplatz in Meyenburg vor Journalisten verkündet, es
werde keine Abstimmung über die Kreisreform geben. Darauf habe er sich mit
dem Koalitionspartner Linkspartei geeinigt, aus „Verantwortung für das
Land“.
„Verantwortung“ ist auch ein zentraler Begriff, als es nun im Landtag um
Aufarbeitung und Schuldzuweisung geht. Tenor von Woidkes
dreiviertelstündiger Rede: Die Reform an sich war eigentlich nötig
angesichts sinkender Einwohnerzahlen in vielen Gemeinden, man habe es aber
nicht geschafft, gerade die politisch aktiven Teile der Bevölkerung zu
überzeugen. „Das heißt aber noch lange nicht, dass die an der Reform
festgemachten Befürchtungen und Ängste begründet gewesen wären“, sagt er.
Wer für diese Ängste verantwortlich ist, ist für Woidke unstrittig: Die CDU
mit ihrem Fraktionschef Ingo Senftleben – auch wenn Woidke einen Abschnitt
in seinem zuvor verbreiteten Redetext auslässt, der die Christdemokraten
besonders scharf angreift.
Das passt nicht nur der CDU und der AfD nicht, bei der der neue
Fraktionschef Andreas Kalbitz seinen ersten Auftritt als Nachfolger des in
den Bundestag gewechselten Alexander Gauland hat. Auch den Grünen, die die
Kreisreform lange unterstützten, ist das viel zu wenig Selbstkritik. „Wenn
der Ministerpräsident jetzt erklärt, auch Mitschuld an diesem Scheitern zu
tragen, ohne einen einzigen Fehler zu benennen, gleichzeitig aber auf die
CDU als Hauptschuldige verweist, dann hat das mit Selbstreflexion wenig zu
tun“, sagt ihr Fraktionschef Axel Vogel.
Es ist auch der Grüne, der die zwei Wochen alte Situation auf dem
Meyenburger Parkplatz noch mal vor Augen ruft, „das trostlose Bild eines
Ministerpräsidenten“. Für Vogel zeugt es von Mangel an Respekt vor dem
Parlament, „wenn ein weit vorangeschrittener Gesetzentwurf mal so eben aus
dem Off einkassiert wird“. Er wird in seiner Rede aber durchaus noch
Verbindendes finden, er distanziert sich auch bewusst von Neuwahlanträgen
der CDU und der AfD – „wir stellen auch nicht jede Kompetenz des
Ministerpräsidenten und der Koalition infrage“. So gibt es nach Vogels Rede
auch Applaus von SPD und Linkspartei.
Bei CDU-Fraktionschef Senftleben hört sich das schon anders an. Offensiv,
aber ohne Schaum vor dem Mund steht er am Rednerpult und rechnet mit Woidke
ab. „Sie haben die Kreisreform nicht gestoppt, Sie sind an der Kreisreform
gescheitert“, sagt Senftleben. Auch sonst sieht er keine Impulse bei dem
Ministerpräsidenten, wirft ihm vor allem beim Thema Braunkohle in der
Lausitz vor, zu bremsen, sich vor dem nötigen Umbau zu drücken. Laut Woidke
soll es nun statt der Reform eine bessere Zusammenarbeit zwischen Kreisen
und kreisfreien Städten geben – deren Vertreter hätten zugesichert, dass
sie das können.
Was an diesem Morgen auffällt: Während Woidkes Rede klatscht oft nur die
SPD – beim Koalitionspartner Linkspartei aber rühren manches Mal nur die
Fraktionsoberen in der ersten Reihe die Hände, hinter ihnen bleibt es oft
ruhig. Bis Woidke zum Ende kommt und an einen Satz der charismatischen
langjährigen SPD-Sozialministerin Regine Hildebrandt erinnert: „Kinder,
vergesst nicht: Der eigentliche Sinn des Lebens liegt im Miteinander“,
zitiert er. Als dann in seinen Schlussworten auch noch gleich drei Mal
„gemeinsam“ vorkommt, da klatschen dann auch die Hinterbänkler der
Linksfraktion.
15 Nov 2017
## AUTOREN
Stefan Alberti
## TAGS
Kreisgebietsreform
Dietmar Woidke
Brandenburg
Potsdam
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Brandenburg
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