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# taz.de -- Neuordnung des Verfassungsschutzes: Beamte sind Lokalpatrioten
> Die Verfassungsschutzämter sollen sich „freiwillig“ auflösen und im
> Bundesamt aufgehen. taz-Recherchen zeigen: Kein Bundesland ist dazu
> bereit.
Bild: Big Brother braucht nicht alles zu wissen. Die Landesämter wollen nicht …
Berlin taz | Genau 49 Mitarbeiter sind es, die beim Bremer
Verfassungsschutz Extremisten aller Art im Blick behalten sollen. Eine
Zwergbehörde, die sich um Islamisten, Rechtsradikale, Linksmilitante,
Reichsbürger oder PKK-Anhänger kümmern soll. Eine Behörde, die es mit
gleicher Aufgabenstellung in 16-facher Ausführung in den anderen
Bundesländern sowie auf Bundesebene gibt.
Die mögliche neue Jamaika-Regierung will dies nun ändern. Die Verhandler
von Union, FDP und Grünen haben sich während der Sondierungen darauf
geeinigt, dass es dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) möglich sein
soll, einzelne Landesämter zu übernehmen – „auf freiwilliger Basis“.
Auslöser für den Vorschlag war der Terroranschlag vor einem Jahr in Berlin,
bei dem zwölf Menschen starben. Mehrere Behörden hatten den Islamisten Anis
Amri als Gefährder erkannt, [1][verloren ihn aber aus dem Blick].
Indes: In den Ländern stößt der Jamaika-Vorschlag auf breite Ablehnung, wie
eine taz-Umfrage zeigt. „Ich muss und möchte wissen, was sich in meinem
Verantwortungsbereich abspielt“, sagt [2][Bremens Innensenator] Ulrich
Mäurer (SPD) der taz. Auch würde die parlamentarische Kontrolle durch das
Landesparlament wegfallen. „Das kann nicht unser Interesse sein.“
## Offene Kritik am Bundesamt
Auch andere Kleinämter lehnen eine Auflösung ab. „Wir sind gegen alle
Zusammenlegungsphantasien“, sagt ein Sprecher der SPD-geführten Hamburger
Innenbehörde. „Die Länder müssen ihre Verfassungen selbst schützen könne…
In Berlin verweist ein Sprecher des Berliner SPD-Innensenators auf die
ortsgenaue Expertise des Landesamts: „Die Landesbehörden erkennen lokale
extremistische Bestrebungen früher und können darauf schneller reagieren
als eine tendenziell unbeweglichere Zentralbehörde.“ Eine Sprecherin des
CDU-Innenministers in Mecklenburg-Vorpommern warnt: „Die originären
Länderkompetenzen dürfen nicht eingeschränkt werden.“
Genauso deutlich fällt der Widerstand der großen Landesämter aus. „Hessen
wird seine Verantwortung und Kompetenz im Bereich des Verfassungsschutzes
nicht an den Bund abtreten“, stellt der dortige Innenminister Peter Beuth
(CDU) klar. Man habe zuletzt viel investiert, ein neues Gesetz
verabschiedet und einen „historischen“ Stellenzuwachs auf 370 Stellen
erwirkt. „Extremismus- und Terrorbekämpfung benötigt hoch flexible
Strukturen und flache Hierarchien“, betont Beuth. „Ich bezweifle sehr, dass
dies aus Köln, Potsdam oder Berlin für 426 Städte allein in Hessen besser
gelingt als heute.“
Eine deutliche Absage kommt auch aus Sachsen-Anhalt. „Wir sagen ganz klar
nein“, lässt der CDU-Innenminister Holger Stahlknecht ausrichten. Auch
Bayerns Innenminister Joachim Hermann (CSU) lehnt eine Auflösung seines
Verfassungsschutzes ab. Das Landesamt sei „bundesweit einzigartig“, betont
ein Sprecher. Als einziger Verfassungsschutz dürfe man auf
Telekommunikationsdaten zugreifen, Trojaner auf PCs von Extremisten
einschleusen und Daten auch von Minderjährigen speichern. „Es gibt keinen
Grund, das Landesamt aufzugeben“, so der Sprecher. „Im Gegenteil würde dies
zu einer Verschlechterung der Sicherheitslage in Bayern führen.“
Einige Länder begründen ihre Ablehnung auch mit offener Kritik am
Bundesamt. Dessen Chef Hans-Georg Maaßen fordert eine Zentralisierung schon
länger. Das bayrische Innenministerium verweist darauf, dass das BfV
bereits vor zwei Jahren gestärkt wurde – ohne diese Rolle wirklich
auszufüllen. „Es wäre wünschenswert, dass das Bundesamt stärker als bisla…
seine gestärkte zentrale Koordinierungsfunktion übernimmt“, heißt es spitz.
Auch Hamburg verweist darauf, dass der Informationsfluss des BfV an die
Länder bisher „nicht optimal“ funktioniere. Heißt: Wenn es heute schon
holpert, wie läuft es erst nach einer Fusion?
## Allenfalls zu punktuellen Kooperationen bereit
Die Jamaika-Sondierer dagegen hatten sich früh auf eine Zentralisierung der
Sicherheitspolitik geeinigt. Ihnen schweben neben der Stärkung des
Bundesverfassungsschutzes auch mehr Kompetenzen für die gemeinsamen Terror-
und Extremismusabwehrzentren von Bund und Ländern vor. Schon zu
Jahresbeginn hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) eine
Zentralisierung und „Neuordnung“ der Sicherheitsbehörden gefordert. Auch
die Grünen wollten eine „Zäsur“ beim Verfassungsschutz. Von der FDP hieß
es: „Zu viele Behörden sind zurzeit für unsere Sicherheit zuständig.“ Di…
Strukturen wolle man „straffen und stärken“. Nach dem NSU-Versagen war die
Debatte schon mal aufgekommen – und dann wieder verebbt. Diesmal aber soll
es konkret werden.
Die Länder sind indes allenfalls zu punktuellen Kooperationen bereit, wie
die taz-Umfrage zeigt. Das Teilen von technischem Equipment etwa. Das sei
„nur sinnvoll“, sagt Hessens Innenminister Beuth. Auch aus
Baden-Württemberg heißt es, man wehre sich „nicht kategorisch“ dagegen,
„bestimmte Kompetenzen“ an das Bundesamt zu übertragen. Um sogleich
festzuhalten: Auch das heimische Landesamt sei, so wie es ist, „gut
aufgestellt“.
In Bremen ist man ein Stück des Weges tatsächlich bereits gegangen.
Momentan verhandle der Landesverfassungsschutz eine Verwaltungsvereinbarung
mit dem Bundesamt im Bereich „Spionage- und Proliferationsbekämpfung“,
heißt es dort. Mit ausländischen Agenten und Massenvernichtungswaffen
müssen sich die Mitarbeiter künftig nicht mehr befassen.
16 Nov 2017
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## AUTOREN
Konrad Litschko
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