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# taz.de -- Der Wert von Freundschaftsspielen: Klassiker der größten Langewei…
> Nach dem torlosen Remis in England und vor dem Duell gegen Frankreich:
> Machen solche Freundschaftsspiele überhaupt Sinn?
Bild: Einer der wenigen Lichtblicke: Leroy Sané (r.), der sich hier gegen Harr…
London taz | Es kann in London wahrlich nicht schaden, einen Reiseführer
dabeizuhaben. Erst recht, wer sich an solch einer unübersichtlichen
Straßenkreuzung einquartiert hatte wie die deutsche Nationalmannschaft in
ihrem dreieckigen Hotelkomplex in Covent Garden. Zur besseren Orientierung
in dem belebten Areal unweit der Waterloo Bridge war daher Per Mertesacker
zur deutschen Delegation gestoßen, der über die aktive Karriere hinaus beim
FC Arsenal angestellt bleibt. Der 33-jährige Wahl-Londoner hat dann gerne
geholfen, beim verlängerten Aufenthalt an der Themse ein bisschen
Zerstreuung zu finden.
Das Sightseeing-Programm hat den Protagonisten nach der Nullnummer im
Klassiker gegen England am Freitag und vor dem Kehraus gegen Frankreich am
Dienstag (20.45 Uhr/ARD) gut gefallen. An der Schnellboot-Haltestelle am
Westminster-Pier angekommen, entstanden alsbald nette Bilder von in
regenfesten Jacken verpackten Kickern, die über den breiten Fluss jagten.
„Ich war schon hundertmal hier und habe noch nichts gesehen“, verriet Mats
Hummels, der als souveräner Abwehrchef zuvor dafür gesorgt hatte, dass die
Dienstreise auch sportlich in halbwegs geordneten Bahnen ablief. Und die
DFB-Auswahl im 20. Länderspiel hintereinander ungeschlagen ist.
Und doch stellt sich immer mehr die Frage, inwieweit solche
Freundschaftsspiele wirklich zum Lackmustest taugen. Noch bevor am
Sonntagmorgen der Teamcharter nach Köln ging, hatte Bundestrainer Joachim
Löw seine Erwartungen für das letzte Länderspiel des Jahres gegen den
Franzosen formuliert: „Es ist für mich wichtig zu sehen, auf welchem Level
sich die Spieler befinden und wie sie gegen solche Gegner bestehen.“ Es
kommt am Rhein ja immerhin zur Neuauflage des irgendwie unnötig verlorenen
EM-Halbfinals 2016, und doch steht für Löw das Testen erneut „über dem
Ergebnis“.
Derlei Maßgabe, die den DFB-Trainer mit den Kollegen Gareth Southgate
(England) oder Didier Deschamps (Frankreich) verbindet, ist stets mit dem
Risiko behaftet, dass die vielen personellen Kompromisse die schönen
Masterpläne über den Haufen werfen. Die deutsche Kundschaft wird daher bei
Freundschaftsspielen immer kritischer: Obwohl das so flinke wie junge
französische Team zum vielversprechendsten zählt, was Europa zu bieten hat,
sind in Köln erst 30.000 Karten verkauft.
## Müder Kick
In London waren letztlich 81.382 Zuschauer für den Auftritt des
Weltmeisters ins Wembley-Stadion gepilgert. Der Bundestrainer räumte im
kinoähnlichen Pressesaal ein, dass auch ihn der Klassiker in der Kathedrale
„nicht vom Hocker“ gerissen habe. Und: „Die Zuschauer hätten gerne Tore,
einen offenen Schlagabtausch gesehen – das war es nicht.“ Der 57-Jährige
selbst erinnerte an Prestigeduelle „mit einer ganz anderen Emotion, mit
strittigen Entscheidungen, knappen Ergebnissen“. Diesmal war es ein eher
„nüchternes Spiel“, so Löw.
Und weil deshalb der Spannungsbogen von „recht ansprechend“ in „ziemlich
fad“ überging, vertrieben sich die Menschen auf den roten Schalensitzen wie
schon in Englands Länderspielen zuvor die Langeweile damit, Papierflieger
Richtung Innenraum zu werfen. Schaffte es einer bis auf den heiligen Rasen,
brandete Beifall auf.
Der ausgewechselte Timo Werner, der in der ansprechenden ersten Halbzeit in
einer Art Privatduell zweimal am herausragenden Torwarttalent Jordan
Pickford gescheitert war, wunderte sich mächtig über die skurrile
Begleiterscheinung. „Ich wusste erst gar nicht, warum. Bis ein Flieger
knapp über meinen Kopf ging und alle gejubelt haben.“
## Werner im „schwierigsten Monat“
Der Stürmer von RB Leipzig sagte übrigens, er würde gerne auch gegen die
Franzosen auflaufen. „Ich habe jetzt genug pausiert.“ Mal sehen, ob Löw
diese Steilvorlage annimmt. Tunlichst ist der Badener im „schwierigsten
Monat“ (Manager Oliver Bierhoff) darauf bedacht, die Belastung einigermaßen
gerecht zu verteilen. Toni Kroos und Sami Khedira dürften morgen die
Doppel-Sechs bilden.
Wenn auch der Versuch mit Ilkay Gündogan und dem zurückhängenden Mesut Özil
nicht völlig misslang, stellt er in einem K.-o.-Spiel einer WM eher keine
Option dar. Für den Bundestrainer bleibt elementar, „dass wir am Ende der
Saison eine Höchstleistung herauskitzeln“. Sprich: bei der WM 2018 in
Russland. Unter dieser Prämisse wird verständlich, dass deutsche
Nationalspieler am Wochenende mal das getan haben, was die Millionen
Touristen tun: ins besondere London-Flair eintauchen.
12 Nov 2017
## AUTOREN
Frank Hellmann
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Fußball
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