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# taz.de -- Streit der Wirtschaftweisen: Der Zwist wird persönlich
> Die Gutachter der Bundesregierung sind zerstritten, das ist bekannt. Doch
> nun ist der Zoff im Gremium der Ökonomen eskaliert.
Bild: Darum geht es: der Jahresbericht der Wirtschaftsweisen
Berlin taz | Von den Fünf Weisen ist derzeit nichts zu hören, denn seit
Anfang Oktober herrscht die „Schweigeperiode“. Die Ökonomen dürfen derweil
keine Interviews geben. Bis zum heutigen Mittwoch, wenn sie der Kanzlerin
ihr Jahresgutachten übergeben. Dies geschieht seit Jahren bei einem
eingespielten Ritual: Pressetermin, ein Glas Sekt, gemeinsames Mittagessen
mit Angela Merkel. Doch diesmal wird es spannend, denn es brodelt im
„Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage“, wie
die Weisen offiziell heißen.
Das Gremium ist zutiefst gespalten. Vier kämpfen gegen einen: Die Ökonomen
Lars Feld, Isabel Schnabel, Volker Wieland und Christoph Schmidt sind
marktorientierte Neoklassiker – während Peter Bofinger Keynesianer ist.
Die Differenzen sind kein Geheimnis, werden sogar in den Jahresgutachten
klar markiert. In den letzten drei Studien wurden mehr als die Hälfte aller
Kapitel durch „eine andere Meinung“ ergänzt, die stets von Peter Bofinger
stammte. Kontrovers waren etwa die Themen Riester-Rente, Eurokrise,
erneuerbare Energien und die deutschen Exportüberschüsse. Höflich, aber
bestimmt erklärte Bofinger, warum die Analysen seiner vier Kollegen nichts
taugen. Die Kanzlerin bekam also zuletzt nicht ein Gutachten, sondern
faktisch zwei.
In diesem Sommer wurde eine neue Eskalationsstufe erreicht, ein
öffentlicher Streit in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
Zunächst kritisierte Bofinger dort, dass seine Kollegen im
Sachverständigenrat vor allem auf „die kreativen Kräfte des Wettbewerbs“
setzten. Das sei überholt. „Die Zweifel begannen mit der Finanzkrise.
## „Uninspiriert“ gegenüber den Erneuerbaren
Die bis dahin als besonders kompetent eingeschätzten Akteure des
Finanzsystems waren unfähig, die Risiken zu entdecken.“ Über die deutschen
Energiekonzerne schrieb er, sie hätten sich „uninspiriert“ gegenüber den
Erneuerbaren verhalten. „Man verließ sich darauf, dass Atomkraft und Kohle
bis zum Nimmerleinstag als dankbare Cash-Kühe zur Verfügung stehen würden.“
Die anderen vier Weisen waren pikiert: Laien würden häufig die Liebe von
Ökonomen zum Markt mit einer Liebe zu einzelnen Marktakteuren verwechseln,
formulierten sie in einer harschen Replik. „Einem Profi sollte das nicht
passieren.“ Es wurde so getan, als sei Bofinger gar kein Ökonom, sondern
ein „Laie“. Der Disput dürfte sich auch im neuen Jahresgutachten
wiederfinden. Schwerpunkte in diesem Jahr: Geldpolitik, Finanzmärkte,
Arbeitsmarkt, Staatsetats in Deutschland und Europa sowie internationaler
Handel.
8 Nov 2017
## AUTOREN
Ulrike Herrmann
## TAGS
Ökonomie
Wirtschaft
Lesestück Interview
Arbeitslosigkeit
Jamaika-Koalition
Europäische Union
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