| # taz.de -- Milo Raus Polit-Theater vor dem Reichstag: Revolution, re-inszeniert | |
| > Der Versuch des Schweizer Theaterregisseurs Milo Rau, ein demokratisches | |
| > Weltparlament zu inszenieren, war nicht ganz erfolgreich. | |
| Bild: Polit-Theater der unterhaltsam-klugen Art: „Sturm“ auf den Reichstag … | |
| Per Megaphon dirigiert Milo Rau die Massen. „Macht es wie im wahren Leben: | |
| Schaut nicht zurück!“ Dann rennen auf das Kommando des Schweizer | |
| Theaterregisseurs ein paar hundert Menschen mit lautem Gebrüll über die | |
| Wiese Richtung Reichstag. | |
| Mit dem inszenierten „Sturm“ auf das Parlamentsgebäude, ein Re-enactment | |
| des „Sturms“ auf das Petersburger Winterpalais des Zaren vor genau 100 | |
| Jahren, fand am Dienstag Nachmittag das neueste Projekt von Rau einen | |
| vorläufigen Abschluss. Begonnen hatte es am vorigen Wochenende mit der | |
| dreitägigen Sitzung einer „Generalversammlung“ (global assembly), dem | |
| „ersten Weltparlament der Menschheitsgeschichte“, wie es Rau vor der | |
| „Erstürmung“ in einer kurzen Rede nannte. | |
| Die Generalversammlung bestand aus rund 70 „Abgeordneten“ aus über 20 | |
| Ländern, darunter Menschenrechts-, Umwelt- und ArbeiterrechtsaktivistInnen, | |
| aber auch Schriftsteller, Filmemacher, Journalisten sowie acht | |
| Bundestagsabgeordnete. Ziel der ausverkauften Veranstaltung in der | |
| Schaubühne am Lehniner Platz war, eine „Charta für das 21. Jahrhundert“ zu | |
| entwerfen. Ausgangspunkt war die These, dass trotz wirtschaftlicher und | |
| technologischer Globalisierung bislang keine demokratischen und rechtlichen | |
| Institutionen bestehen, die den Weltmarkt regulieren, die „völkerrechtliche | |
| Verstöße verfolgen, Menschenrechte durchsetzen oder ökologische | |
| Entwicklungen in sinnvolle Bahnen leiten“, wie es auf der Webseite | |
| www.general-assembly.net heißt. | |
| ## Verabschiedung der Charta verschoben | |
| Die Verabschiedung der Charta habe man allerdings um „zwei, drei Wochen“ | |
| verschieben müssen, erzählte Rau der taz, da es bei einigen Themen keine | |
| Einigung beziehungsweise Debatten über Formulierungen gegeben habe. Zu | |
| einem „Eklat“ kam es laut Rau, weil einer der „Abgeordneten“, ein Mitgl… | |
| der türkischen Regierungspartei AKP, den Genozid an den Armeniern geleugnet | |
| habe. Insgesamt zeigte sich der Theatermacher aber „extrem glücklich“ über | |
| den Verlauf der Versammlung, „trotz teils harter Konflikte“. Sein Ziel, | |
| einen „großen utopischen Entwurf“ zu verfassen, sei erreicht. | |
| Auf der Reichstagswiese kündigte Rau an, dass die Charta, sobald sie von | |
| der „assembly“ verabschiedet sei, in mehreren europäischen Parlamenten | |
| verlesen werde. „Und vor allem: Das Weltparlament wird weitergehen, in | |
| anderen Städten, mit neuen Abgeordneten.“ Dabei sei eine der Kernfragen, | |
| die beantwortet werden müsse, wie die Abgeordneten künftig ausgewählt | |
| werden sollten, damit sie eine breite Repräsentanz der Weltbevölkerung | |
| darstellen. Als Beispiel wies er darauf hin, dass allein zwei „Abgeordnete“ | |
| des Weltparlaments, ein brasilianischer Gewerkschaftler aus der | |
| Autoindustrie und ein Minenarbeiter aus dem Kongo, gemeinsam mehr Menschen | |
| vertreten würden als die Schweiz Einwohner hat. | |
| 7 Nov 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Susanne Memarnia | |
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