# taz.de -- Sexualwissenschaftler Martin Dannecker: Idol, Ikone und dafür viel… | |
> Dannecker studieren heißt das gute, schwierige Leben zu studieren: | |
> „Faszination Sex“, die Schau zu seinen Ehren läuft im Schwulen Museum* | |
> Berlin. | |
Bild: Martin Dannecker 1972 auf der ersten Schwulendemo in Münster | |
Ein kongeniales Entree: Im Ausstellungsraum, den Kuratorin Patsy L’Amour | |
LaLove vorbereitet hat, stehen gleich rechts ziemlich unbequeme Sitzmöbel: | |
aus Hartschaum gefertigte Zigarettenstummel. Wie sollte das beim bekennend | |
lustvollen Raucher, dem diese Schau gewidmet ist, auch anders sein? | |
Martin Dannecker ist kein Gesundheitsfanatiker, er weiß um die Gefahren des | |
Qualmens und tut es, bei aller Liebe zur Selbstbeobachtung, doch. | |
Dannecker, das ist ein Mann, der in diesen Tagen 75 Jahre alt wird, dem, so | |
sagt er selbst, sich sein Leben ins Gesicht geprägt hat, mit allen Falten | |
und Furchen. | |
Ohne ihn und seine Arbeit hätte es die Schwulenbewegung, hätte es das | |
theoretische Mühen zur (Homo-)Sexualitätsfrage in Deutschland nicht | |
gegeben. Dieser Mann ist immer noch wie ein Junger, in ihm lodert noch | |
immer mehr Heftigkeit zur Sache als in vielen der biologisch wahrhaft | |
Jugendlichen: Dannecker war und ist das Schwule lebenswichtig. | |
Er hat achtundsechzig in Frankfurt am Main erlebt, hat die Kritische | |
Theorie Adornos etc. angefüllt mit den Befunden der Freud’schen | |
Psychoanalyse – und mit Reimut Reiche 1974 die Studie „Der gewöhnliche | |
Homosexuelle“ veröffentlicht – die sich zu allem, was bis dahin zu Schwulen | |
wissenschaftlich und journalistisch publiziert wurde, insofern unterschied, | |
als kein Sollen mehr ausgebreitet wurde, sondern ein Sein: der Schwule als | |
gesellschaftliches Wesen. | |
## Kein Freund der Ehe für alle | |
Dannecker war nie ein Freund der Ehe für alle, für ihn war und ist das | |
Projekt der Verbürgerlichung, obwohl er habituell einem Bürger doch sehr | |
nahe kommt, keines, dem Schwule anhängen sollten. Er hat, als | |
wissenschaftlicher Aktivist, während der Aids-Krise seit den Achtzigern | |
keine Enthaltsamkeitskampagne mitgemacht, hat nicht homosexuellen Männer | |
Schuld an der Epidemie attestiert – sondern immer das Recht auf Lust | |
betont, und das hieß und heißt auch immer, das Recht auf Destruktion. | |
[1][Die Schau im Schwulen Museum*] lohnt sich schon deshalb, weil Dannecker | |
studieren das gute, schwierige Leben studieren heißt. Man lernt ihn kennen, | |
von Kindesbeinen an – bis heute: „Faszination Sex“ ist der Titel, und bei | |
der Vernissage gab es wärmstens prasselnden Applaus für einen, der als | |
Ikone respektiert und eigentlich ein Idol sein sollte – denn er lebt ja | |
noch, und wie. | |
6 Nov 2017 | |
## LINKS | |
[1] http://www.schwulesmuseum.de/ausstellungen/view/faszination-sex-der-theoret… | |
## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
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Sex | |
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