# taz.de -- 100 Jahre Balfour-Erklärung: Feiern, ignorieren, ablehnen? | |
> Großbritannien streitet über den Umgang mit der Balfour-Erklärung von | |
> 1917. Vor allem die Labour Party sieht keinen Grund, das Jubiläum zu | |
> feiern. | |
Bild: In der Westbank hat man für das 100-jährige Jubiläum der Balfour-Erkl�… | |
London taz | Der 100. Jahrestag der Balfour-Erklärung vom 2. November 1917, | |
mit der Großbritannien erstmals die Gründung eines jüdischen Staates in | |
Palästina offiziell befürwortete, sorgt für politische Kontroversen. Der | |
Chef der oppositionellen Labour-Partei, Jeremy Corbyn, hat eine Einladung | |
zu einem gemeinsamen Dinner mit Premierministerin Theresa May und dem | |
israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in London am | |
Donnerstagabend ausgeschlagen. Kritiker nehmen ihm das übel: Seine | |
Abwesenheit untermalt für manche seine Unfähigkeit, jemals selbst | |
Premierminister zu werden. | |
Für Israel und viele Juden, denen die Balfour-Erklärung als legales | |
Fundament ihrer Staatsgründung gilt, ist das Jubiläum ein zentrales | |
Ereignis. In Großbritannien wird unter anderem eine Feier in der Londoner | |
Royal Albert Hall organisiert, der britische Historiker, Simon Schama, | |
selber jüdisch, hält zudem einen Galavortrag zum Thema. | |
Die konservative Premierministerin Theresa May wollte lieber selber etwas | |
organisieren, als einfach zu diesen Feiern zu gehen. So kam es zur besagten | |
Dinnereinladung unter anderem an Netanjahu und Corbyn. Dies wird jedoch von | |
manchen Beobachtern, unter anderen in der jüdischen Presse, als | |
diplomatischer Winkelzug gesehen, obwohl sich May im Parlament bei einer | |
Debatte zur Balfour-Erklärung positiv geäußert hatte: „Wir sind stolz auf | |
die Rolle, die wir bei der Schaffung Israels spielten, und werden das | |
hundertjährige Jubiläum mit Stolz markieren“, hatte sie gesagt. | |
Im gleichen Zug gab sie jedoch an, dass man sich „der Empfindlichkeiten | |
bewusst sein muss, die manche Leute bezüglich der Balfour-Erklärung haben“. | |
Es gäbe mehr zu tun in dieser Beziehung, wobei die britische Regierung | |
weiter an [1][die Zweistaatenlösung im Nahen Osten] glaube. | |
„Empfindlichkeiten“ kommen vor allen von palästinensischen Vertretern, die | |
anlässlich des Jubiläums eine Entschuldigung von London verlangt haben, | |
diese aber nicht bekommen. | |
## Unter Corbyn immer wieder Antisemitismus bei Labour | |
Labour-Chef Jeremy Corbyn gilt als langjähriger Schirmherr der | |
palästinensischen Solidaritätsbewegung in Großbritannien. Seit seiner | |
Übernahme der Parteiführung vor zwei Jahren gibt es immer wieder | |
Antisemitismus-Skandale bei Labour. Das bekannteste Beispiel war die | |
Äußerung des ehemaligen Londoner Bürgermeisters Ken Livingstone 2016, | |
[2][wonach Hitler ein Unterstützer Israels gewesen sei]. Livingstone wurde | |
dafür lediglich suspendiert und nicht aus der Partei geworfen, zu | |
verbreiteter Überraschung. Corbyn selbst sind seine alten Kontakte zu den | |
islamistischen Organisationen [3][Hamas] und Hisbollah vorgehalten worden. | |
Seit er Parteichef ist, muss er sich gemäßigter äußern: Vor einem Jahr | |
erkannte er Israels Existenzrecht an – „unter dem Abkommen der Grenzen von | |
1948“. | |
Manche linken Labour-Aktivisten äußern sich offen antisemitisch im Rahmen | |
von Israelkritik, und auf dem jüngsten Labour-Jahresparteitag wurden sogar | |
Stimmen laut, man müsse den Holocaust anzweifeln dürfen. Eine von Corbyn | |
angestrengte parteiinterne Untersuchung enttäuschte viele. Dies wurde nicht | |
nur von einem unabhängigen parlamentarischen Untersuchungsausschuss | |
kritisiert – auch die Leiterin der britischen Menschenrechtskommission, | |
Rebecca Hilsenrath, meinte, dass Labour in Sachen Antisemitismus viel mehr | |
tun müsse, als nur zu behaupten, keine rassistische Partei zu sein. | |
Nun schickt Labour die Schattenaußenministerin Emily Thornberry zum | |
Abendessen mit May und Netanjahu. Sie hat gesagt, der Jahrestag der | |
Balfour-Erklärung sei kein Anlass zum Feiern – und wenn, sollte | |
Großbritannien ihn mit der Anerkennung Palästinas würdigen. | |
Dennoch rumort es in Israel auch gegen die britische Regierung, da zu den | |
dort geplanten Feierlichkeiten, unter anderem in der Knesset, dem | |
israelischen Parlament, keine höheren britischen Vertreter geschickt | |
werden. Statt etwa mit Außenminister Boris Johnson muss sich Israel mit dem | |
britischen Botschafter begnügen. | |
## Johnson windet sich raus | |
Boris Johnson hatte seinerseits palästinensische Stimmen enttäuscht, als er | |
einen Antrag Labours im Parlament auf eine Anerkennung Palästinas als | |
unabhängiger Staat aus Anlass des Jubiläums der Balfour-Erklärung ablehnte. | |
Der Moment dazu sei noch nicht gekommen, denn es würde weder die Besetzung | |
beenden noch Frieden bringen, so Johnson: „Man kann diese Karte nur einmal | |
spielen.“ Besser sei es, beiden Seiten einen Ansporn zu geben. | |
2 Nov 2017 | |
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## AUTOREN | |
Daniel Zylbersztajn | |
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