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# taz.de -- Fernsehprogramm zum Reformationstag: Keine Luther-Experimente
> Das ZDF geht mit seinem Martin-Luther-Doppelpack zum Reformationstag auf
> Nummer sicher: Kontroverses wird einfach weggelassen.
Bild: Der Spielfilm-Luther (Maximilian Brückner)
Der Schauspieler Rüdiger Vogler besetzt in öffentlich-rechtlichen TV-Events
regelmäßig die Rolle einer grauen Eminenz. Das wird bestimmt gut bezahlt
und er hat es mit Hanns Zischler („Babylon Berlin“) gemein, von dem man
weiß, dass er mit seinen Gagen wunderbare kleine philanthropische Projekte
finanziert. Früher aber waren die Filme wunderbar, in denen sie spielten,
Wenders’ „Im Lauf der Zeit“ und so, nicht die folgenden Projekte.
Es spricht nicht unbedingt für ein öffentlich-rechtliches TV-Event, wenn
man, kaum hat man da wieder einmal Rüdiger Vogler vor Augen, solchen
Gedanken nachhängt. Nun spielt er in dem Montag vom ZDF gezeigten
165-Minuten-Werk „Zwischen Himmel und Hölle“ (Regie: Uwe Janson) den
Kurfürsten Friedrich von Sachsen – den nicht ganz uneigennützigen Gönner
und Beschützer Martin Luthers. Die Menschen haben also, Luther sei Dank,
angefangen zu denken. Vogler in seiner Rolle als Friedrich: „Das wollt’ ich
nicht.“
Interessant ist einen Tag später der Vergleich. Da gibt nämlich der
Schauspieler Bernd Stegemann in dem Dokudrama „Das Luther-Tribunal – Zehn
Tage im April“ (Regie: Christian Twente) einen ganz anderen Friedrich –
überhaupt nicht entrückt und zögerlich, sondern derb und bestimmt.
Zum einmalig bundesweit gefeierten Reformationstag dreht ausgerechnet der
katholischere der beiden öffentlich-rechtlichen Sender in Sachen Luther
richtig auf. Die ARD hat mit Mut zum Experiment vorgelegt. Im Februar
zeigte „Katharina Luther“ die Reformation einmal aus weiblicher
Perspektive. In „Die Luther Matrix“ kämpfte zwei Monate später ein modern…
Luther gegen den Überwachungsstaat von heute.
Beim ZDF galt offenbar die gegenteilige Devise: keine Experimente. So einen
Historienschinken wie „Zwischen Himmel und Hölle“ hätte man auch vor 40
Jahren drehen können. Aber gab es da nicht zwischenzeitlich mal so einen
Diskurs über Luthers argen Antisemitismus? Müsste ein Luther-Film 2017 sich
dazu nicht irgendwie verhalten? In 255 Minuten-Luther-TV hat das ZDF dafür
leider keine Zeit. Und im Unterschied zur ARD scheint die Aufführungspraxis
des ZDF auch kein Interesse an einer möglichen Gegenwärtigkeit Luthers zu
haben. Die beiden Martin Luthers – im Film Maximilian Brückner und im
Dokudrama Roman Knižka – und alle anderen namhaften Schauspieler geben sich
natürlich alle Mühe. Manchmal so viel, dass es wie Laientheater aussieht.
Es gibt Möglichkeiten, Strategien, sich das schönzugucken. Man kann sich
zum Beispiel imaginieren, es mit einem Spin-off des ZDF-Comedy-Formats
„Sketch History“ zu tun zu haben. Luthers/Knižkas Verdauungsprobleme und
seine Bibel-Lektüre auf dem Donnerbalken im „Luther-Tribunal“ sind auch
wohl tatsächlich als Running Gag gemeint.
Aber in „Zwischen Himmel und Hölle“ ist die Nummer wohl eher unfreiwillig
komisch, wie so vieles in diesem Film: Christoph Maria Herbst im
„Stromberg“-Duktus und mit weit aufgerissenen Knopfaugen als Lucas Cranach:
„Ich will Purpur! Die Schnecken sollen zittern!“; Jan Krauter als
Bauernkrieger Thomas Müntzer, wie er mit Luther im Chor jauchzt: „Drauf
geschissen!“ Auf Kirche und Papst.
Für alle Luther-Ultras hat das ZDF am Reformationstag nach dem Dokudrama
auch noch „Luther – Das Projekt der 1000 Stimmen“ im Sortiment: „Eckart…
Hirschhausen moderiert das Pop-Oratorium“ (ZDF).
30 Oct 2017
## AUTOREN
Jens Müller
## TAGS
Martin Luther
Reformationstag
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Evangelische Kirche
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