| # taz.de -- Diskussion um ARD und ZDF: So frisch wie alte Lasagne | |
| > Ein Vorschlag aus Sachsen-Anhalt zum öffentlich-rechtlichen Fernsehen | |
| > wird diskutiert. Damit ist es dann auch gut – die Idee hat ein | |
| > Gschmäckle. | |
| Bild: Lasagne – erstmal lecker. Aber nichts für Frühaufsteher | |
| Rainer Robra [1][hat ein paar Vorschläge gemacht]: Es soll zukünftig nur | |
| noch ein bundesweites öffentlich-rechtliches Fernsehprogramm geben, nämlich | |
| das ZDF, sagte der Staatskanzleichef in Sachsen-Anhalt der Mitteldeutschen | |
| Zeitung, und die Öffentlich-Rechtlichen sollen so gut wie keine Texte mehr | |
| ins Netz stellen, und alles, was die ARD gemeinschaftlich macht – | |
| namentlich die „Tagesschau“ – soll auch weg. | |
| Die Vorschläge sind ungefähr so frisch wie die Lasagne in der hintersten | |
| Ecke des Tiefkühlers. Und sie haben auch die gleichen Eigenschaften: | |
| Schmeckt kurzfristig ganz gut, ist aber auf die Dauer nicht so geil. | |
| Denn Robra blendet – wie so viele Spieler in diesem „Was dürfen die | |
| Öffentlich-Rechtlichen noch?“-Spiel – konsequent eine nicht ganz | |
| unwesentliche Betroffenengruppe aus: die NutzerInnen. Überhaupt kommen bei | |
| all den Debatten die HörerInnen und ZuschauerInnen kaum vor. | |
| Die Einzigen, denen Robra nach dem Mund redet, sind die Verleger und | |
| Privatsender (und vielleicht noch die AfD). Mathias Döpfner, Präsident des | |
| Zeitungsverlegerverbands BDZV, warnte ja schon vor einigen Wochen, dass den | |
| Privaten mittelfristig eine „lebensbedrohliche Schieflage gegenüber dem | |
| öffentlich-rechtlichen Rundfunk“ drohe und das duale Rundfunksystem aus | |
| öffentlich-rechtlichen und privaten Anbietern ins Wanken gerate. Und das | |
| könne doch keiner wollen. Denn: „Nur Staatsfernsehen und Staatspresse im | |
| Netz – das wäre eher etwas nach dem Geschmack von Nordkorea.“ | |
| Da war es, das böse S-Wort: Staatsfernsehen, Staatspresse. Und das im | |
| Zusammenhang mit der ARD und dem ZDF. | |
| ## Ein Strukturreförmchen | |
| Der Spiegel blies dann umgehend mit ordentlich Spucke ins gleiche Horn, | |
| benutzte auch das S-Wort und malte mit ordentlich Suggestivfragen, | |
| anonymisierten Facebookpostings und dem Kronzeugen Claus Strunz ein | |
| ARD-ZDF-Untergangsszenario an die Wand. Die FAZ haut seit jeher ordentlich | |
| drauf. Die Worte „öffentlich“ und „rechtlich“ scheinen da von der | |
| Autokorrektur direkt in „Staats-“ umgewandelt zu werden. | |
| Natürlich haben sie alle irgendwie ein bisschen recht: Die Frage, wie viel | |
| Marktverzerrung (denn nichts anderes ist ein von allen Haushalten | |
| finanzierter Rundfunk) zum Wohle der Gemeinschaft am Ende überhaupt noch | |
| zum Wohle der Gemeinschaft sei, ist berechtigt. Sie gehört permanent | |
| gestellt und neu beantwortet. Und das Gejammere von diversen | |
| öffentlich-rechtlichen Großkopferten, dass eigentlich zu wenig Geld da sei, | |
| ist eines mit 8 Milliarden Euro pro Jahr ausgestatteten Systems unwürdig. | |
| Auch dass die gerade vorgelegte Strukturreform höchstens ein | |
| Strukturreförmchen ist, bestreitet nur, wer bei ARD, ZDF oder | |
| Deutschlandradio arbeitet. | |
| Aber: Das ändert nichts daran, dass Robras Vorstoß und der Spiegel-Titel | |
| und die FAZ-Beiträge konsequent an den NutzerInnen vorbeigehen. | |
| ## Problem auf der Ausgabenseite | |
| Denn was will Robra? Er will, dass der Rundfunkbeitrag von derzeit 17,50 | |
| Euro stabil bleibt oder bestenfalls sogar sinkt. Punkt. Doch glaubt er | |
| wirklich, dass dadurch die Akzeptanz (die vermutlich nicht ganz so gering | |
| ist, wie es ein paar Facebookposts suggerieren) steigt, wenn er ihnen | |
| gleichzeitig das Erste und die „Tagesschau“-App und was weiß ich noch alles | |
| wegnimmt? Glaubt er wirklich, dass der, der zwanghaft „Zwangsgebühr“ | |
| brüllt, plötzlich verstummt, wenn diese „Zwangsgebühr“ auf 16,37 Euro | |
| sinkt? Oder gar auf 13 Euro? | |
| Die Agenda der ZuschauerInnen ist eine ganze andere, als die der | |
| Privatsender und Verlage, der sich Robra nun angeschlossen hat: Die | |
| NutzerInnen wollen, dass der „Tatort“ länger als 30 Tage in der Mediathek | |
| steht. Punkt. | |
| Selbstverständlich müssen sich ARD und ZDF schleunigst ein paar mehr | |
| Gedanken machen, ob ein System, das dermaßen viel Geld einnimmt und sich | |
| trotzdem als unterfinanziert geriert, nicht ein Problem auf der | |
| Ausgabenseite hat (Rente, große Apparate, Ineffizienz). Und genauso | |
| selbstverständlich ist es ein denkbares Szenario, nur noch ein | |
| bundesweites, großes öffentlich-rechtliches Fernsehprogramm auszustrahlen. | |
| ## Mitglied des ZDF-Fernsehrats | |
| Allerdings macht es doch viel mehr Sinn, das ZDF in die ARD einzugliedern. | |
| Die Verlegenheitsgeburt Zweites Deutsches Fernsehen könnte mit dem Ersten | |
| verschmelzen. | |
| Warum nur redet Robra in dem Interview nicht über eine Eingliederung des | |
| ZDF in die ARD? Und warum kommt er nicht ein einziges Mal auf die Idee, | |
| dass die Akzeptanz der Öffentlich-Rechtlichen erhöht werden könnte, wenn | |
| sich die Parteien zu größeren Teilen aus den vielen Gremien – den | |
| Verwaltungs-, Rundfunks- und Fernsehräten – zurückziehen würden (es war | |
| schließlich nie so gedacht gewesen, dass sich CDU, CSU, SPD und Co. in | |
| allen Gremien breitmachen)? | |
| Vielleicht weil Rainer Robra Mitglied des ZDF-Fernsehrats ist. Vielleicht. | |
| Aber das eine hat mit dem anderen bestimmt nichts zu tun. | |
| In einer früheren Version des Textes hieß es, dass der „Tatort“ nur sieben | |
| Tage in der ARD-Mediathek stünde, es sind aber 30. | |
| 19 Oct 2017 | |
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| [1] http://www.mz-web.de/sachsen-anhalt/landespolitik/-massive-fehlentwicklung-… | |
| ## AUTOREN | |
| Jürn Kruse | |
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