# taz.de -- Streit um privaten Rundfunk in Sachsen: Dresdner Demokratie | |
> Nicht erst wegen der Geschäftsführerbesetzung krachte es in der | |
> sächsischen Landesmedienanstalt. Nun soll versöhnt werden. | |
Bild: Mit ihm ging der ganze Knatsch los: Kurt Biedenkopf, ehemals Ministerprä… | |
Dresden taz | In der Sächsischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und | |
neue Medien (SLM) spitzt sich der Streit zwischen den beiden Gremien | |
Versammlung und Medienrat zu. | |
Anlass ist die plötzliche und intransparente Abberufung des | |
Geschäftsführers Martin Deitenbeck in diesem Februar nach 20 Jahren | |
Tätigkeit. Anfang April kritisierte die Versammlung die extrem kurze | |
Bewerbungsfrist von 14 Tagen für einen Nachfolger. Zudem seien die | |
Ausschreibungsbedingungen auf Deitenbecks bisherigen Stellvertreter Hardy | |
Sieglitz zugeschnitten. Die Versammlung fühlt sich übergangen und spricht | |
von einem „einzigartigen Affront“. Die schon für vergangenen Montag | |
geplante Wahl im Medienrat wurde nun verschoben. | |
Die wieder offen ausgebrochenen Animositäten zwischen Versammlung und | |
Medienrat gehen auf die Gründungsphase der SLM im Jahr 1991 zurück. Nach | |
dem Beitritt der ostdeutschen Länder verfasste auch Sachsen ein | |
Privatrundfunkgesetz und gründete die entsprechende Aufsichtsanstalt. | |
Entscheidungsgremium war damals allein die 31-köpfige Versammlung von | |
Vertretern der Parteien und verschiedenster gesellschaftlicher Gruppen. Der | |
aussichtsreichste Kandidat für den Direktorenposten, Detlef Kühn (FDP), | |
aber passte „König Kurt“ überhaupt nicht. Mit einem offenen Brief versuch… | |
Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) Kühn zu desavouieren. Verhindern | |
konnten aber auch seine massiven Interventionen die knappe Wahl Kühns | |
nicht. | |
Konsequenz war eine Novellierung des sächsischen Privatrundfunkgesetzes | |
durch die allein regierende CDU. Kühn musste daraufhin selbst ab 1998 die | |
Entmachtung des demokratischen SLM-Gremiums vorantreiben. Der Versammlung | |
wurde ein fünfköpfiger Medienrat als eigentliches Entscheidungsgremium vor | |
die Nase gesetzt. Dessen Präsident ist seit 2013 Biedenkopfs damaliger | |
Regierungssprecher Michael Sagurna (CDU), bis 2008 Chef der Dresdner | |
Staatskanzlei. Die Versammlung verlor beispielsweise das wichtige | |
Haushaltsrecht. Dieses anachronistische und bundesweit [1][einmalige] | |
sächsische Konstrukt stellt nach Auffassung der Linken-Landesvorsitzenden | |
Antje Feiks und mehrerer Mitglieder der SLM-Versammlung ein „dramatisches | |
Demokratie-Defizit“ dar. | |
## Zum guten Ende bringen | |
Immerhin muss die Versammlung bei der Bestellung eines Geschäftsführers | |
laut Gesetz mindestens gehört werden. Der Medienrat aber wollte den Versand | |
einer Pressemitteilung der am 2. April tagenden Versammlung verhindern, in | |
der genau das gefordert und ein solides Ausschreibungsverfahren verlangt | |
wird. Mit der Vertagung der Geschäftsführerwahl auf unbestimmte Zeit kommt | |
der Medienrat nun der Versammlung entgegen. Die Pressemitteilung vom Montag | |
schlägt versöhnliche Töne an, möchte „die Kommunikation zwischen beiden | |
Organen verbessern“ und „die Auseinandersetzungen zu einem guten Ende | |
bringen“. | |
So denken auch Mitglieder beider Gremien, die namentlich nicht genannt | |
werden wollen. In der Versammlung wird teilweise eingeräumt, dass die | |
weitgehend beschränkten Befugnisse zu einer gewissen Lethargie geführt | |
hätten. Eigene Vorstellungen, die im Medienrat sogar erwartet würden, | |
würden gar nicht mehr entwickelt. | |
Da über die Gründe für Deitenbecks Abberufung Stillschweigen vereinbart | |
wurde, schießen Spekulationen ins Kraut. Dessen Verhältnis zum Medienrat | |
galt zunehmend als gespannt. Die SLM in ihrer hübschen Leipziger Villa war | |
bereits vom Rechnungshof wegen „Überfinanzierung“ gerügt worden. Der teure | |
Erwerb einer Wohnung im Jahr 2013 führte sogar zu einem pikanten | |
Rechtsstreit der SLM mit der Sächsischen Staatskanzlei als Oberaufsicht. | |
Laut Medienrat soll Deitenbecks Entlassung nichts mit der Klage eines | |
unterlegenen Bieters für die Leipziger Ansiedlung eines zweiten | |
bundesweiten DAB+-Multiplexes zu tun haben. Die Bild-Zeitung vermutet aber, | |
er sei das „Bauernopfer“ angesichts der geforderten 103 Millionen Euro | |
Schadensersatz. | |
10 Apr 2019 | |
## LINKS | |
[1] http://www.antje-feiks.de/2019/04/02/demokratie-defizit-der-medien-aufsicht… | |
## AUTOREN | |
Michael Bartsch | |
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