# taz.de -- Dubiose Scheinehen-Prüfung: Inquisition bleibt geheim | |
> Die Humanistische Union scheitert mit der Klage auf mehr Transparenz bei | |
> den Ermittlungen von Scheinehen – die es in Bremen offenbar so gut wie | |
> gar nicht gibt | |
Bild: Zwei Zahnbürsten in einem Glas? Schon verdächtig! | |
BREMEN taz | Bremens Ausländerbehörden dürfen weiterhin all jene Fragen | |
geheim halten, mit denen sie gegen sogenannte Scheinehen ermitteln. Das hat | |
das Oberverwaltungsgericht Bremen (OVG) am Dienstag entschieden und damit | |
eine Klage der Humanistischen Union abgewiesen (Aktenzeichen 1 LB 17/17). | |
Eine Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen. | |
Die Bürgerrechtsorganisation verweist auf das seit 2006 geltende Bremische | |
Informationsfreiheitsgesetz und wollte die rot-grüne Landesregierung | |
gerichtlich zwingen, ihren Katalog von rund 100 einschlägigen Fragen zu | |
veröffentlichen. Sie kritisiert das Verfahren schon seit den neunziger | |
Jahren. | |
Das OVG sieht jedoch die „öffentliche Sicherheit gefährdet“, sollten alle | |
Fragen offengelegt werden: Die Ermittlungen der Behörden würden in so einem | |
Fall „erheblich erschwert“, erklärte ein Sprecher des Gerichts. | |
Gefragt wird beispielsweise nach den Arbeitszeiten und dem | |
Lieblingsfußballverein des Ehepartners, wo man die Flitterwochen verbracht | |
hat und wie genau man sich kennengelernt und den Tag der Eheschließung | |
verbracht hat. Das geht aus einer „Entscheidungshilfe zum Ehegattennachzug“ | |
hervor, die der taz vorliegt. Im Internet kursieren diverse solcher | |
Fragenkataloge. | |
Zweckehen sind in Deutschland zwar erlaubt, wenn sie dazu gedacht sind, | |
Steuern zu sparen oder Pensionsansprüche zu sichern – aber strafbar, sobald | |
sie dazu dienen, einem hier lebenden Ausländer eine Aufenthaltsgenehmigung | |
zu verschaffen. [1][In diesem Falle drohen bis zu drei Jahre Knast.] Als | |
verdächtig gelten vor allem binationale Ehen – besonders wenn der | |
ausländische Partner zuvor illegal oder geduldet in Deutschland lebte. | |
In Bremen ist etwa jede fünfte Ehe eine binationale. Gleichwohl sind | |
Scheinehen hier eher ein theoretisches Problem. Das belegt eine | |
Senatsantwort auf eine Anfrage der CDU in der Bremischen Bürgerschaft vom | |
März dieses Jahres: 2016 gab es in Bremen lediglich ein einziges | |
Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts einer Scheinehe, 2015 waren es | |
sieben und auch 2014 nur 14. | |
Wie die Verfahren ausgingen, weiß der Senat gar nicht, wie oft der | |
Fragebogen benutzt wurde, auch nicht. Nur so viel: In Bremerhaven gab es | |
seit 2014 nicht eine einzige polizeiliche Ermittlung. Dennoch beharrt man | |
dort auf einen Katalog mit 88 Fragen, während das Migrationsamt Bremen den | |
seinen mit 100 Fragen nicht nutzt, so der Senat. Die Ausländerbehörden | |
„verzeichnen kein merkliches Aufkommen“ von Eheschließungen zwischen | |
abgelehnten Asylsuchenden und Deutschen. | |
„Das Thema der Scheinehen ist ein Problem, das zum Problem gemacht wird“, | |
sagt Thomas von Zabern von der Humanistischen Union. Das Gericht habe die | |
Chance verpasst, das Informationsfreiheitsgesetz „weiter zu stärken“. Die | |
Humanisten wollen es „offensiver und ohne Ausnahmen“ anwenden – zumal der | |
Informationsanspruch mittlerweile dort Verfassungsrang hat, wo ein solches | |
Gesetz existiert. | |
Immerhin wurde 2012 in Bremen die damals gängige Praxis der | |
verdachtsunabhängigen Scheineheermittlung für rechtswidrig erklärt. Es | |
müsse schon ein „konkreter Anfangsverdacht“ bestehen, versicherte nun eine | |
Behördenmitarbeiterin vor Gericht – so hatte es zuvor auch das OVG betont. | |
25 Oct 2017 | |
## LINKS | |
[1] https://www.gesetze-im-internet.de/aufenthg_2004/__95.html | |
## AUTOREN | |
Jan Zier | |
## TAGS | |
Ausländerbehörde | |
Humanistische Union | |
Ehe und Familie | |
Bülent Ciftlik | |
Informationsfreiheitsgesetz | |
Asylpolitik | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kolumne Minority Report: Jede Ehe ist eine Scheinehe | |
Einer NGO wird der Aufruf zu Scheinehen vorgeworfen. Vielleicht ist Liebe | |
nichts anderes als die strategische Aufteilung der eigenen Privilegien. | |
Urteil im Scheinehe-Prozess: Bülent Çiftlik muss ins Gefängnis | |
Das Landgericht Hamburg verurteilt den Ex-SPD-Politiker Bülent Çiftlik zu | |
zweieinhalb Jahren Haftstrafe. Der Prozess dauerte über fünf Jahre. | |
Informations-Freiheits-Gesetz in der Praxis: Auskunft nur mit Ausnahmen | |
Ob ein Fragebogen zur Ermittlung von Scheinehen veröffentlicht werden muss, | |
verhandelte am Freitag das Verwaltungsgericht. | |
Debatte Asylpolitik: Ich heirate einen Flüchtling | |
Die deutschen Politiker zeigen sich unwillig, etwas an der Situation der | |
Flüchtlinge zu ändern. Scheinehen sind daher notwendiger ziviler | |
Ungehorsam. |