| # taz.de -- Autonomie in Norditalien: Referendum über fast nichts | |
| > Norditaliens Lombardei und Venetien stimmen für mehr Autonomie. Das | |
| > ändert zunächst nicht viel – nur ihre Verhandlungsposition. | |
| Bild: Metropole Mailand: Hier schlägt das ökonomische Herz Italiens | |
| Rom taz | Ein Referendum, bei dem es um nichts ging und das dennoch mit | |
| einem klaren politischen Erfolg seiner Betreiber endete: Auf diese Formel | |
| lässt sich die Volksabstimmung in der Lombardei und im Veneto über | |
| erweiterte Autonomierechte bringen. Nach offiziellen Angaben votierten in | |
| der Lombardei 95,3 Prozent der Teilnehmer für mehr Unabhängigkeit von Rom, | |
| in Venetien 98,1 Prozent. | |
| Insgesamt waren am Sonntag 7,7 Millionen Lombarden und 4 Millionen Bürger | |
| des Veneto zur Abstimmung aufgerufen. „Mit Katalonien hat das absolut | |
| nichts zu tun“, hatte der Regionalgouverneur des Veneto, Luca Zaia, immer | |
| wieder klargestellt. Schließlich ging es weder um die Unabhängigkeit der | |
| Regionen noch hatte das Referendum subversiven Charakter. Es bewegte sich | |
| in den Bahnen der italienischen Verfassung und war vom Verfassungsgericht | |
| genehmigt worden. | |
| Nur eines sollten die Bürger entscheiden: ob sie den Wunsch ihrer | |
| Regionalregierungen billigen, mit der nationalen Regierung in Verhandlungen | |
| einzutreten, um erweiterte Vollmachten auf zahlreichen Feldern von der | |
| Arbeitsmarkt-, zur Kultur- oder Schulpolitik zu erhalten. Diese | |
| Verhandlungen hätten die beiden Regionen allerdings auch ohne | |
| Volksbefragung aufnehmen können. | |
| Doch sowohl im lombardischen Mailand als auch in Venedig regieren | |
| Gouverneure, die aus den Reihen der Lega Nord stammen, der in den 80er | |
| Jahren entstandenen Partei, die mit einem Mix aus Rechtspopulismus und | |
| Regionalismus groß wurde. Sie hatte sich seit je gegen das „diebische Rom“ | |
| und den „parasitären Süden“ Italiens gerichtet. | |
| Die Partei fand im Norden Gehör, weil dort das ökonomische Herz Italiens | |
| schlägt, mit der Folge, dass die beiden Regionen Lombardei und Veneto nach | |
| Schätzungen ihrer Regierungen etwa 50 Milliarden mehr an Steuern | |
| entrichten, als sie an Leistungen des Zentralstaats zurückerhalten. Jener | |
| Überschuss kommt vor allem den deutlich ärmeren Regionen des Südens zugute. | |
| ## Erst einmal ändert sich gar nichts | |
| Der Finanzausgleich spielte eine zentrale Rolle in der | |
| Referendumspropaganda – doch über ihn wurde gar nicht abgestimmt, über ihn | |
| können die Regionalregierungen gar keine Verhandlungen führen. | |
| „Lachnummer“, höhnten denn auch die Referendumsgegner und argumentierten, | |
| die Kosten der Abstimmung in Höhe von 70 Millionen Euro stellten eine | |
| Verschwendung öffentlicher Gelder dar. | |
| Für die Referendumsbefürworter hat es sich dennoch gelohnt. Immerhin ließen | |
| sich für die eigentlich unbedeutende Abstimmung 57 Prozent der Veneter und | |
| 40 Prozent der Lombarden an die Urnen locken, die mit großer Mehrheit für | |
| mehr Autonomie stimmten. | |
| Verhandlungen über die erweiterte Autonomie wird es nach den nächsten | |
| nationalen Parlamentswahlen im Frühjahr 2018 geben, erst einmal ändert sich | |
| in den beiden Regionen gar nichts. Doch ihre Verhandlungsposition ist nun | |
| deutlich gestärkt. | |
| Paradoxerweise geht aber ausgerechnet der Parteichef der Lega Nord, Matteo | |
| Salvini, geschwächt aus dem Votum hervor. Er hatte in den letzten Jahren | |
| die Lega zunehmend vom Nordregionalismus weg- und zu einer | |
| rechtspopulistisch-nationalistischen Position nach dem Vorbild Marine Le | |
| Pens hingeführt. Seine regionalistischen Konkurrenten in der Lega, die | |
| Regionalgouverneure Luca Zaia (Veneto) und Bobo Maroni (Lombardei), dürften | |
| aus ihrem Erfolg jetzt auch in der innerparteilichen Auseinandersetzung | |
| Kapital schlagen. | |
| 23 Oct 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Michael Braun | |
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