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# taz.de -- Ungegenderte Wahlzettel: Wählerinnen unerlaubt
> Frauen, die auf dem Wahlschein die eidesstattliche „Unterschrift des
> Wählers“ geschlechtergemäß korrigieren, riskieren, dass ihre Stimme gar
> nicht erst gezählt wird
Bild: Der Kampf geht weiter, auch fast 100 Jahre nach Einführung des Frauenwah…
BREMEN taz | Frau Damm ist kein Wähler. Deswegen hat sie das auf dem
Wahlschein ihrer Briefwahlunterlagen für die Bundestagswahl auch genau so
notiert. Dort muss an Eides statt versichert werden, dass niemand anderes
unerlaubt für einen gewählt hat – mit einer „Unterschrift des Wählers“…
Frauen ist da nicht die Rede, obwohl sie schon seit fast 100 Jahren wählen
dürfen. Wer aber, wie Frau Damm, nun eigenhändig ein „Unterschrift der
Wählerin“ auf den Wahlschein geschrieben hat, riskierte, dass die Stimme
als ungültig bewertet wurde. Das bestätigte nun der Landeswahlleiter.
Damm hat sich bei der Abgabe ihrer Stimme eigenhändig ein amtliches Siegel
geholt, dass ihre Stimme als gültig gezählt wird. Frauen, die aus dem
Wähler ebenfalls eine Wählerin gemacht haben, dürfen aber nicht darauf
vertrauen, dass das in jedem Fall so gehandhabt wurde. Der Wahlvorstand
wird den Wahlschein „höchstwahrscheinlich als gültiges Dokument anerkannt
haben“, schreibt der Landeswahlleiter auf Nachfrage der taz. Sicher sagen
kann er das aber nicht – und die JuristInnen sind da unterschiedlicher
Ansicht, erfuhr Damm auf Nachfrage. Die einen sagten ihr, jede
handschriftliche Änderung auf einem amtlichen Dokument machen es per se
ungültig, die anderen wollten die Stimme trotzdem zählen.
Mittlerweile haben mehrere Wählerinnen und auch die Landesfrauenbeauftragte
Beschwerde beim zuständigen Landesamt für Statistik eingereicht. „Sind Sie
dafür zuständig, dass auch die Wählerinnen wählen können?“, heißt es in
einer Beschwerde-Mail, die der taz vorliegt. Und das Thema zieht weitere
Kreise: Demnächst wird sich der Landtag in seiner Fragestunde mit den
Unterschriften der Wählerinnen befassen, auf einen Antrag der
Grünen-Fraktion hin.
Wie viele Stimmen bei der Bundestagswahl in Bremen betroffen sind, ist
vollkommen unklar: „Ich gehe von Einzelfällen aus“, sagt Evelyn Temme von
der Geschäftsstelle der Wahlleiter. Auch ansonsten bleibt die Behörde auf
konkrete Nachfragen eher vage: „Es sollte grundsätzlich vermieden werden,
Anmerkungen auf die Unterlagen zu schreiben, weil die Wahlvorstände
ansonsten über jeden Wahlschein diskutieren müssten – und gegebenenfalls
entscheiden könnten, den Wahlbrief nicht zuzulassen.“
Dass der auch 2017 immer noch nicht in geschlechtergerechtere Sprache
verfasst ist, hat uns „ein bisschen erstaunt“, sagt die Sprecherin der
Landesfrauenbeauftragten. Temme schiebt die Verantwortung dafür auf das
Bundeswahlgesetz und die Bundeswahlordnung, für die das
Bundesinnenministerium zuständig ist. Und die gaben eben die Formulierung
„Unterschrift des Wählers“ vor. Für die nächste Wahl indes gelobt die
Behörde Besserung. „Wir haben den Hinweis der Landesfrauenbeauftragten
aufgenommen und werden den Wahlschein bei kommenden Wahlen anpassen“, sagt
Temme.
Das Büro der Landesgleichstellungsbeauftragten hat sich bereits an den
Bundeswahlleiter gewandt. „Ich möchte dringend anregen, dass die vom Bund
herausgegebenen Muster für künftige Wahlen geschlechtergerecht formuliert
werden“, heißt es in einem Schreiben – das bisher noch unbeantwortet ist.
Damm ist sehr skeptisch, dass sich bald etwas ändert: Die 58-Jährige ist
schon bei den letzten Wahlen im Büro des Landeswahlleiters vorstellig
geworden. Jedes Mal habe man dort auf den Bund verwiesen, sagt sie, und
jedes Mal habe man sie damit vertröstet, dass die Wahlscheine bei der
nächsten Wahl geändert werden, sodass auch Frauen explizit genannt werden.
Passiert ist bislang nichts – ganz zu schweigen von jenen Menschen, die
sich weder als Mann noch als Frau definieren.
11 Oct 2017
## AUTOREN
Jan Zier
## TAGS
Gender
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Frauen
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
Frauenbeauftragte
Wahlrecht
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
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