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# taz.de -- Insektizide auf Pflanzen: Süßes Gift bedroht Bienen und Ernten
> In drei Viertel der Honigproben weltweit haben Forscher Nervengifte
> gefunden. Für Menschen sind die Mengen nicht bedrohlich – aber für
> Bienen.
Bild: Achtung, Gift am Arbeitsplatz!
Berlin taz | Nervengifte aus der Gruppe der Neonikotinoide, die Bienen und
andere Insekten schädigen, sind inzwischen auf der ganzen Welt weit
verbreitet. In drei Viertel aller Honigproben weltweit, die eine
Forschergruppe der Universität Neuchatel untersuchte, fanden sich Spuren
des Insektengifts, das in der Landwirtschaft eingesetzt wird. Ihre
Ergebnisse veröffentlichten die Forscher nun in der Zeitschrift Science.
Damit gewinnt die Debatte um die Bedrohung von Bestäubern und Ernten in der
Landwirtschaft neue Brisanz.
Die Studie stützt sich teils auf „Bürger-Wissenschaft“. Die Schweizer
Forscher riefen dazu auf, ihnen aus der ganzen Welt Honigproben zu schicken
– es handelt sich also nicht um eine repräsentative Stichprobe. Von den 198
untersuchten Proben „zeigen 75 Prozent wenigstens ein Neonikotinoid in
nachweisbaren Mengen“, so die Forscher.
Die Gifte wurden in 86 Prozent aller Proben aus Nordamerika, in 80 Prozent
der asiatischen und 79 Prozent der europäischen Honige nachgewiesen, am
niedrigsten war der Anteil mit 57 Prozent in Südamerika.
„Ein deutlicher negativer Effekt auf Bienen ist bei einem substanziellen
Anteil der Proben wahrscheinlich, weil Bienen auf Honig als Nahrung
angewiesen sind“, schreiben die Forscher. Zwar würden die Grenzwerte im
Honig für den menschlichen Verzehr nicht überschritten, aber für Bienen
läge die durchschnittliche Belastung im „bioaktiven Bereich“, in dem
Schäden für das Verhalten und die Gesundheit der Bienenvölker auftreten.
Es sei beunruhigend, dass in 45 Prozent der Proben sogar ein ganzer
Cocktail dieser Gifte enthalten sei. Die Konzentrationen seien gering, aber
die Gifte sehr wirksam, sagte Edward Mitchell, einer der Autoren der Studie
gegenüber dem britischen Guardian. „Diese Pestizide sind 4.000-mal bis
10.000-mal giftiger als DDT.“
## Pestzid-Überwachung fehlt
„Das zeigt, wie global die Bedrohung für die Bienen ist“, schreibt dazu der
Neurobiologe Christopher Conolly von der Universität Dundee. Bisher
konzentrierten sich Tests zu sehr auf akute Schäden und vernachlässigten
chronische Folgen, kritisiert der Experte. Auch fehle es bisher in der EU
trotz der Pestizid-Überwachung an Datensammlungen, um Zusammenhänge von
Pestizideinsatz mit menschlichen Krankheiten und Schäden für Ökosysteme zu
erkennen.
Vor dem Verschwinden von Bienen und anderen Insekten, die Früchte
bestäuben, warnen Fachleute schon länger. Der UN-Rat zur Artenvielfalt
IPBES monierte 2016 in einem umfangreichen Gutachten, das Aussterben von
Bienen, Wespen, Schmetterlingen, Käfern und Motten gefährde „den
Lebensunterhalt von Millionen Menschen und Nahrungsreserven im Wert von
mehreren hunderten Milliarden Dollar.“
Die Ernten von Obst, Gemüse, Nüssen, Blumen und Baumwolle seien bedroht,
ebenso viele Medikamente und Schokolade. Insgesamt rechnet IPBES dem
Bestäuben einen Wert von bis zu 577 Milliarden Dollar jährlich zu.
Für den Insekten-Experten des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung und
IPBES-Leitautoren Josef Settele gibt es „Anlass zur Sorge, dass diese
Substanzen so weit verbreitet gefunden werden“.
Bei der Gefährdung der Bienen spielten Insektizide auch jenseits der
Nicotinoide „eine zentrale Rolle“, sagte Settle der taz. Deshalb müssten
ihre Anwendung zunehmend eingeschränkt werden. Oft seien „Insektizide ein
Teil des Problems und nicht der Lösung, da sie häufig auch die Ursache für
Schädlingsausbrüche sind“.
9 Oct 2017
## AUTOREN
Bernhard Pötter
## TAGS
Landwirtschaft
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Naturschutz
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Bienen
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