# taz.de -- Kommentar Pflegekräftemangel: Eine ehrliche Diskussion, bitte! | |
> Das Pflegepersonal ist knapp – die Nachricht ist nicht neu und auch die | |
> Reaktionen sind es nicht. Empörung reicht nicht mehr, es braucht Geld und | |
> Taten. | |
Bild: Die Pflegekasse muss mehr bezahlen | |
Wer Angehörige hat, die im Pflegeheim sind oder selbst dort lebt, auf den | |
wirkt die Empörung [1][über den Personalmangel] wie ein abgedroschenes | |
Ritual. Empörung, Appelle, Nichtstun – so läuft es ab. Die Wahrheit aber | |
lautet: Wir brauchen eine ehrliche Diskussion. Entweder es muss mehr, sehr | |
viel mehr Personal in Heimen und auch in Krankenhäusern beschäftigt werden | |
und das kostet und dieses Geld müssen Beitragszahler, Steuerzahler und | |
Angehörige aufbringen. Oder es bleibt alles beim Alten. | |
Dazu der Klassiker aus dem Seniorenheim: Die alte Dame ist dement, wacklig | |
auf den Beinen und sturzgefährdet. Aber sie will immerzu laufen, sich | |
bewegen, sie bringt sich selbst damit in Gefahr. Es ist nicht möglich, ihr | |
dauerhaft eine Pflegekraft an die Seite zu stellen. Was tun? Sie | |
ruhigstellen mit Medikamenten, ins Bett verfrachten, Gitter hoch? Die | |
Angehörigen würden sich beschweren, durchaus zu Recht. Soll man die Dame | |
laufenlassen, das Sturzrisiko in Kauf nehmen? Auch hier kommt der Protest | |
der Angehörigen. Also Personalaufstockung? | |
Das kostete aber mehr, mehr Personal müsste eingestellt werden, der | |
Eigenanteil der Angehörigen für das Heim würde steigen und die Kosten für | |
die Sozialämter. Die Pflegekasse müsste mehr bezahlen, der Pflegebeitrag | |
würde angehoben. Wer Selbstbestimmung wollte, müsste die alte Dame dennoch | |
ab und an auch allein laufen lassen und das Sturzrisiko akzeptieren. | |
Man ahnt schon, wie heikel eine ehrliche Diskussion über die Versorgung | |
einer alternden Gesellschaft ist. Schließlich geht es um höhere Beiträge | |
für die Mittelschicht, um mehr öffentliche Ausgaben, aber auch um eine | |
Akzeptanz des körperlichen und geistigen Abbaus und um einen Kompromiss aus | |
beidem. Beides ist unangenehm, damit gewinnt man keine Wahl. Da hofft man | |
lieber insgeheim, dass es einen selbst und die Angehörigen nicht trifft | |
oder genug privates Geld da ist für eine ausländische private | |
Betreuungskraft. Offener und ehrlicher wäre besser. | |
5 Oct 2017 | |
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## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
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