# taz.de -- Geflüchtete betreiben Restaurant: Kochrezepte für die Gesellschaft | |
> Das Restaurant milaa wird von Geflüchteten und Menschen ohne Wohnung | |
> betrieben. Der Job soll ein Schritt in den Arbeitsmarkt sein | |
Bild: Frisch eröffnet: das interkulturelle Restaurant milaa | |
Tritt man in der Skalitzer Straße 45 die sieben Treppenstufen des Altbaus | |
hinunter, legen sich sanft und behutsam die kubanischen Klänge des Buena | |
Vista Social Club in die Ohren. Nach kurzer Zeit muss die Musik wildem | |
Geplauder weichen: Gut 50 Leute sind zur Eröffnungsfeier des | |
milaa-Restaurants in Kreuzberg gekommen. | |
Der Raum mit den tiefen Decken ist so gefüllt, wie es nur geht: Körper an | |
Körper an Körper. Ein Wollknäuel aus verschiedensten Nationen entsteht, | |
denn das Restaurant wird von Geflüchteten und Menschen ohne Wohnung | |
betrieben. | |
Die milaa, eine Tochtergesellschaft des Diakonievereins Berlin-Zehlendorf, | |
verfolgt mit der Öffnung des interkulturellen Restaurants vor wenigen Tagen | |
die Idee, einen Ort zu gründen, wo Integration gelingen soll – kochend. | |
„Mit dem Restaurant wollen wir die Perspektive des Einzelnen stärker | |
fördern“, so der Plan der Diakonie-Geschäftsführerin Jeanne Grabner. Die | |
Menschen sollen ihre Fähigkeiten und Kultur durch ihre Arbeit ausdrücken. | |
Im Gegenzug bekommen sie einen tarifgebundenen Arbeitsvertrag. „Wir wollen | |
den Menschen den Weg ins deutsche Arbeitswesen zeigen. Nach einiger Zeit | |
sollen sie sich beim Restaurant gegenüber bewerben können.“ | |
Wenn Spanisch, Arabisch, Farsi und Urdu sich mischen, klingt das wie damals | |
beim Turmbau zu Babel. Womöglich. Der biblischen Erzählung zufolge galt der | |
Bau als größenwahnsinniger Versuch der Menschen, Gott gleichzukommen. Und | |
klar, dieser Frevel konnte nicht ungestraft bleiben. So verwirrte Gott die | |
Sprachen und fortan sprach jeder eine andere. | |
## Bitte deutsch sprechen! | |
Im interkulturellen milaa-Restaurant – könnte man meinen – gehe es ähnlich | |
zu: viele Nationen, viele Sprachen. Aber nichts da: Hier soll deutsch | |
gesprochen werden. „Wir machen es genau andersherum“, sagt Grabner. Aus | |
vielen Sprachen will man eine machen. | |
Da kommt Silke Eitle ins Spiel: Die Restaurantleiterin ist gleichzeitig als | |
Fremd- und Deutschlehrerin tätig. Sie will dem Personal praktischen | |
Unterricht geben. „Mit Zettelchen in der Küche und Deutschkurs in den | |
Pausen. Die Arbeit soll Übung sein.“ Das Verständnis funktioniere schon | |
gut; die Sprache zu lernen hingegen sei halt ein längerer Prozess. | |
In der Küche arbeiten an diesem Abend Achmed aus Palästina, Marcella aus | |
Mexiko und Chefkoch Juan aus Kolumbien zusammen. Deutsch können sie bisher | |
nicht. Noch verständigt man sich teils auf Spanisch, teils fallen | |
Deutschbrocken oder Wörter der jeweiligen Muttersprache, ansonsten arbeiten | |
sie viel mit Zeichensprache und Gesten. Sieben weitere Arbeitsplätze in der | |
Küche und im Service sind besetzt: mit Menschen aus Lateinamerika, Syrien, | |
Afghanistan, Eritrea. | |
Nur: Worauf verständigt man sich bei so vielen Kulturen, was auf den Teller | |
kommt? „Die mexikanische Küche hat sich durchgesetzt. Ein immaterielles | |
Weltkulturerbe“, berichtet Grabner. Mexikanisch sei eine Fusionsküche mit | |
sowohl schwarzen als auch europäischen Einflüssen, finden die | |
Organisatoren. „Zusätzlich wird es ein monatliches Angebot von einem | |
Gastkoch geben“, erklärt Eitle. „Dann gibt es mal eine syrische oder mal | |
eine eritreische Karte.“ Klar ist aber: Man will hier keine Folklore machen | |
nach dem Motto: „Guck mal wie verschieden die Welt ist“, sondern deutsche | |
Gastronomie betreiben, gibt Grabner zu verstehen. | |
Das Ziel als sozialer Träger sei es, den Leuten Perspektiven in der | |
hiesigen Gesellschaft zu geben, meint die Initiatorin. „Wir wollten einen | |
Integrationssarbeitsplatz schaffen.“ So reifte die Idee, ein Restaurant zu | |
eröffnen. Vor einiger Zeit fiel Grabner das Lokal dann quasi in den Schoß. | |
Sie hatte hier manchmal Musik gemacht, erzählt sie. Irgendwann kam der | |
kolumbianische Besitzer auf sie zu und fragte bei einem Glas Rotwein, ob | |
sie es nicht haben wolle. Also nicht den Rotwein, sondern das Lokal. Sie | |
sagte ja. | |
## Ganz viele Einflüsse | |
Im Hintergrund klimpert bei mildem Licht der Abendsonne inzwischen ein Mann | |
sanfte Klänge in die Tasten eines Keyboards. Begleitet wird er von einem | |
Bassisten. Die syrische Barfrau Talin quetscht sich durch das Gewirr und | |
nimmt die Bestellungen der Gäste auf, während ein Palästinenser die | |
Besucher mit dem Essen bedient, das ein Kolumbianer gekocht hat. | |
„Beim Essen ist es wie mit der Musik“, sagt Grabner, die kurz mal etwas | |
abseits steht und für einen Moment keine Hände schütteln und Glückwünsche | |
entgegennehmen muss. „Beides ist Synkretismus.“ Ein buntes Sammelsurium | |
unterschiedlicher Einflüsse. | |
29 Sep 2017 | |
## AUTOREN | |
Max Nölke | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Flucht | |
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